Donnerstag, 22. November 2018

Serverland - Josefine Rieks

Titel: Serverland
Autorin: Josefine Rieks
Originaltitel
Verlag: Carl Hanser Verlag
ISBN: 978-3446258983
Euro: 18,00
Veröffentlichungsdatum: Februar 2018
Seiten: 176
Kein Serientitel
Come in: Tausch










Eine Generation in der Zukunft - Prinzessin Charlotte hatte gerade eine Fehlgeburt - ist die Welt noch ganz die Alte, bis auf eine Tatsache: das Internet ist tot. Und mit ihm gleich alle PCs, Laptops und Betriebssysteme, die es je gegeben hat. Reiner, Mitte zwanzig und bei der Post arbeitend, hängt jedoch daran und kauft den Elektroschrott auf, wann immer er ihm habhaft werden kann. Mithilfe einer Autobatterie und halbvoller Akkus schaut er sich die Daten an, die auf den Geräten gespeichert sind oder spielt alte Games. Dann gerät er dank eines Bekannten nach Holland, wo eine Serverhalle steht, in der alte Server von Google vermodern - ein Schlaraffenland, aber längst nicht verlassen. Eine Gruppe junger Menschen hat sich hier versammelt und versucht, an die Inhalte heranzukommen. Dank einer Erfindung Reiners gelingt es ihnen und sie sehen als Erste seit vielen Jahren in die digitale Welt. Die Gruppe, die stetig wächst, teilt sich alsbald in verschiedene Untergruppen, die auf verschiedene Art versuchen, mit den neuen Erkenntnissen umzugehen. Reiner, dem das überhaupt nicht gefällt, muss beinahe hilflos mitansehen, was vor sich geht - und trifft schließlich eine Entscheidung.

Es hat bis kurz vor Ende gedauert, ehe "Serverland" und ich miteinander ausgekommen sind. Das lag zum einen an meiner geweckten Erwartungshaltung und zum anderen an der leider sehr durchwachsenen Umsetzung. Aber von Anfang an.
Rieks hat keinen SF-Roman geschrieben und wer derartige Genreelemente erwartet, wird enttäuscht sein. Die Autorin legt eine Novelle vor, die sich im Grunde mit dem Internet und Gruppendynamiken auseinandersetzt und einen gewaltigen philosophischen Ansatz beimischt. Allerdings dauert es eine ganze Weile, ehe man als Leser dahinterkommt. Zunächst ist da Reiner in seiner stinknormalen Welt, ein Berlin, das sich kaum vom heutigen unterscheidet. Die Welt wird generell nicht näher untersucht, aber es hat schon einmal ohne PCs funktioniert, es spricht nichts dagegen, dass es wieder so sein könnte. Neuere Entwicklungen, Politisches, technische Errungenschaften spielen keine Rolle. Wie die Menschen reisen, vor allem ohne Strom - und es gibt Afrikaner wie Amerikaner in Holland - wird nicht untersucht, alles ist nur Mittel zum Zweck: für das Gleichnis, das die Autorin hier angelegt hat. Leider schildert sie die Vorkommnisse nicht sprachlich gewandt und äußerst dröge, so dass es mühsam ist, der Handlung zu folgen. Allein die beschränkte Seitenzahl von knapp 170 ließ mich verweilen.
Nachdem die Hauptfigur fremd bleibt und es schwierig wird zu verstehen, was genau vor sich geht, sieht sich der Leser auch noch mit seitenweisen englischen Dialogen konfrontiert, wer dieser Sprache also nicht oder nicht gut genug mächtig ist, hat leider Pech gehabt (und das ist immer noch ein Großteil der deutschen Bevölkerung!). Auf den ersten Blick geschieht so gesehen auch nichts. Die Gruppe schert sich nicht um Urheberrechte, teilt wahllos Inhalte (über Rohlinge) und auch wenn es wenige gibt, die an tatsächlichen Inhalten interessiert sind, kommen die meisten nur wegen der Drogen und dem Alkohol. Sprich: Die meisten lassen sich schlicht berieseln und erkennen das große Potential, das vor ihnen liegt, nicht. Dabei mangelt es nicht an bunten Bildchen, an Tänzern und Tieren in der Realität. Und genau hier, leider kurz vor Ende, ging mir die Pointe, die Grundessenz von "Serverland" auf. Zu spät, leider. Das Bedürfnis, die Erzählung noch einmal mit neuer Vorrausetzung zu lesen, stellte sich nicht ein, obwohl ich mir vorstellen könnte, dass ein neuer Blickwinkel noch ein paar Geheimnisse offenbart.
Dem Autorendebüt liegt eine sensationelle Grundidee zugrunde, die aber leider in der Umsetzung sehr stark schwächelt. Es ist Rieke nicht gelungen, den Leser von der ersten Seite an an die Hand zu nehmen und nicht mehr loszulassen. Wenn sich das ändert, schreibt sie Bestseller, "Serverland" hätte (fast) alle Voraussetzungen dafür.


Josefine Rieks wurde 1988 in Höxter geboren, studierte Philosophie und lebt in Berlin. Sie schrieb das Drehbuch zum No-Budget-Film U3000 – Tod einer Indieband. 2017 erhielt sie das Alfred-Döblin-Stipendium. "Serverland" ist ihr erster Roman.

4 Kommentare:

  1. Aloha, Daniela.
    Ich hüstel mal ein wenig mit & frage mich wie auf Daten - ohne funktionierende Rechner & Betriebssyteme - zugegriffen werden kann?!
    Oder wie werden Bits auf Rohlinge kopiert, ohne Treiber?
    :-)

    bonté

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    1. Na ja, die Dinger sind ja nicht kaputt, es hängt wohl eher mit dem Strom zusammen bzw. damit, dass man sie nicht mehr nutzen wollte. Die meisten sind ohnehin zerstört worden, nur einige existieren noch und Reiner findet sie.
      Aber insgesamt geht es um solche Einzelheiten nicht :) Es hat allerdings auch bei mir gedauert, ehe ich es wirklich begriffen habe.

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  2. Schade, dass der Ansatz gelungen ist, aber die Umsetzung hapert. Dennoch bin ich neugierig geworden und bei nur 170 Seiten kann man ja durchaus mal einen Blick hinein werfen. Anhand deiner Rezension kann ich mir auch grob vorstellen, was die Autorin vermitteln wollte.

    Liebe Grüße
    Alica

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    1. Insgesamt war es schon sehr gut - aber eben nur, wenn man bis zum Ende kommt. :) Ich würde jederzeit wieder etwas von der Autorin lesen.

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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