Samstag, 1. Mai 2021

Ausblick auf den Verlorene-Werke-Blog im Mai 2021

 


Das war der April

Mein April war sehr lang. Einer der längsten Monate meines Lebens.

 



Rezensiert:

Die 25 unterschätztesten Fantasy-Romane im Verlorene-Werke-Blog

Die Erfindung von Mittelerde. Was Tolkien zu Mordor, Bruchtal und Hobbingen inspirierte - John Garth
Der Sturz des Raben - Ed McDonald

Der Stoff, aus dem die Freiheit ist - Nathalie Schaller und Lennart Will

Die Erfindung von Alice im Wunderland. Wie alles begann. - Peter Hunt

Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz - Andrew David MacDonald

(Gesammelt) Abgebrochene Romane


 

Neue Bücher eingezogen:

 


Das war das Postfach im April

Ian Gittins - THE CURE

DUNKELBUNTE JAHRE
„Wir hatten nie die Absicht, so erfolgreich zu werden“, bekennt Cure-Sänger und Mastermind Robert Smith freimütig. Dass der Weg von The Cure aus der Londoner Vorstadt-Tristesse bis in die großen Stadien der ganzen Welt führen würde, damit rechnete wirklich niemand, als ihre Karriere vor über vierzig Jahren begann. The Cure waren Anti-Stars, von Anfang an – und gerade das trug ihnen schließlich eine riesige Fangemeinde ein.

Aus dem minimalistischen Postpunk, den Smith und seine wechselnden Mitstreiter auf ihren ersten Alben präsentierten, erwuchs zu Beginn der Achtzigerjahre ein düsterer Sound, der mit seiner melodiösen Wehmut ganzen Scharen unverstandener, einsamer Teenager das Gefühl gab, nicht mehr allein zu sein. The Cure wurden zum Aushängeschild des Gothic, dessen Stil Robert Smith mit seiner wild toupierten Vogelnestfrisur auch optisch prägte, und der gerade in Deutschland zu einer der lebendigsten Subkulturen der letzten Jahrzehnte wurde. Dabei sah Smith sich selbst nie als Teil dieser Bewegung und kämpfte stets gegen das Düsterimage an.

Dabei genoss er den Flirt mit den seelischen Abgründen durchaus und inszenierte ihn so wohlig melodisch wie niemand sonst; ihr Meilenstein-Album Disintegration von 1989, das ihnen endgültig Weltruhm einbrachte, war dafür der perfekte Beweis. Aber auf der anderen Seite standen lupenreine Pophits wie „Boys Don’t Cry“, „Lullaby“ oder „Friday I’m In Love“. Dass auch sie unverkennbar nach The Cure klangen, dafür sorgte Smith mit seiner charakteristischen Stimme, die stets gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen Selbstmitleid und Augenzwinkern wandelte.

Heute füllen The Cure noch immer mühelos die großen Arenen, und ihre Dreistundenkonzerte sind legendär. Für das nächste Jahr hat Smith ein neues Album versprochen – ein guter Anlass, um die unwahrscheinliche Karriere seiner Band in Ian Gittins’ opulent illustrierter Biografie noch einmal Revue passieren zu lassen. Mehr als vierzig dunkelbunte Jahre in Wort und Bild, ergänzt um Playlists und Literaturtipps, um das Cure-Universum ganz neu zu entdecken. Ein Fest für Fans!

 

heute möchte ich Euch den ersten Teil einer aufregenden zweibändigen Saga ans Herz legen: »Der Schönheitssalon – Das Erbe der Schwestern« ist ein großer Roman über Berlin in den goldenen Zwanzigern. Zwei Schwestern erobern die Stadt und die Herzen der Männer.
Berlin 1925: Helena Rosenberg wächst in einfachen Verhältnissen auf, doch dann erfährt sie, dass sie von ihrem unbekannten Vater als Erbin eingesetzt wurde und überdies eine Halbschwester hat. So verlässt sie die Provinz und geht in die Großstadt. Dort angekommen erwartet sie aber nicht nur die wenig begeisterte Schwester Charlotte, sondern auch eine hochverschuldete Apotheke. Die kreative Helena hat jedoch eine großartige Geschäftsidee: Eigene Kosmetik in der Apotheke herzustellen und zu vertreiben. Gemeinsam erobern Helena und Charlotte nicht nur ihren Platz in der Geschäftswelt, sondern auch die Männer, die sie lieben – und das glamouröse Berlin. Doch ihr Leben ist ein Tanz auf dem Vulkan...

 

Eltern haben im Moment einen Spagat zu leisten, der ihnen alles abverlangt. Da müssen die Kinder zu Hause unterrichtet, der Tag strukturiert, die Freizeit gestaltet werden – ach ja, und produktiv und erfolgreich im Homeoffice arbeiten – das wünscht sich natürlich der Arbeitgeber.
Richtig vorbereitet und organisiert, gelingt ein entspannter Alltag zwischen Haushalt, Heimarbeit und Hausaufgaben und alles passt perfekt zusammen, davon ist die Sozialpädagogin, 4-fach Mutter und erfahrene „Homeoffice-Arbeiterin“ Felicitas Richter überzeugt. Mit den Empfehlungen ihres neuen Ratgebers „Homeoffice mit Familie“ (C.H.Beck Verlag) wird die Vereinbarkeit von Homeoffice und Familie zur Chance für alle Beteiligten.

 

was ist die Suche nach der menschlichen Seele wert? Gibt man dafür seine Tätigkeit als Arzt auf? Und riskiert man, seinen besten Freund zu verlieren? Diesen Fragen geht die Autorin und Ärztin Eva-Isabel Schmid im zweiten Teil der Paracelsus-Reihe nach. Das Warten hat ein Ende: „Paracelsus – Die Fragen der Toten“ erscheint am 3. Mai 2021 bei Piper! Im zweiten Teil der Reihe setzt Paracelsus seine Suche fort und begibt sich auf Wanderschaft quer durch Europa. Die Pest wütet in Basel, die jüdische Gemeinde wird beschuldigt, die Seuche zu verbreiten. Es kommt zu mysteriösen Todesfällen und Paracelsus‘ Freund Caspar versucht verzweifelt, den Mörder zu finden.
Über das Buch

Der junge Paracelsus ist endlich Arzt beider Arzneien. Eines aber lässt ihm keine Ruhe: Er will die menschliche Seele finden. Verfolgt vom uralten Zauberorden des roten Gürtels begibt er sich auf Wanderschaft – quer durch Europa. Immer mit dem Ziel, das Geheimnis doch noch zu lüften. Währenddessen wütet in Basel die Pest. Paracelsus’ Freund Caspar muss als Stadtarzt hilflos mitansehen, wie die Seuche Hunderte seiner Patienten dahinrafft. Als sich der nunmehr berühmte Paracelsus zurück in seine Heimat wagt, kommt es im allgemeinen Chaos plötzlich zu einer Reihe von mysteriösen Todesfällen. Verzweifelt sucht Caspar nach dem Mörder. Die ungleiche Freundschaft wird auf ihre größte Zerreißprobe gestellt.

 

ich habe eine Fantasy-Jugendbuch (Lesealter 12+) als Selfpublisher veröffentlicht und wollte nachfragen, ob Du Interesse an einer Rezension hättest. Das Buch ist der erste Band einer Serie, es werden wahrscheinlich insgesamt 4 Bände werden. Gerne stehe ich auch für die Rubrik Autorenplausch zur Verfügung.
Klappentext:

Mit Humor und Power gegen die Unterdrückung!

Verfolgt vom brutalsten Schergen des Reiches, hintergangen von den besten Freunden und bedroht von unheimlichen Kreaturen – wieso hat sich der sechzehnjährige Kard nur darauf eingelassen, ein magisches Schwert anzufertigen? Doch jetzt ist es zu spät! Nun ist er ins Visier des Tyrannen Flanakan geraten, der alles daran setzt, die mächtige Waffe in seine Hände zu bekommen.

»Der Junge mit dem Feueramulett« - Band 1: »Das magische Schwert«

Es ist ein High-Fantasy-Roman, in dem Sinne, dass es wirklich nicht in unserer Welt sondern in seinem eigenen Kosmos spielt. Neben dem Abenteuer-Plot geht es um Selbstfindung, um Abgrenzung von der bekannten Welt (der Erwachsenen), also klassische Adoleszenzthemen. Das ganze ist mit Humor erzählt, transportiert vor allen Dingen durch den besten Freund des Helden Kard, einen sprechenden Hund, der auch in den schwierigsten Situationen einen lockeren Spruch von sich gibt. Die ›Selbstbefreiung' ist dann noch eingebettet in einen gesellschaftskritischen Plot, wenn es um die Überwindung der Tyrannei geht.

 

willkommen in Whalea! Menschen sind dort zwar strengstens verboten. Doch eines Tages landet Ben von Thalau, erfolgsverwöhnter Banker in Frankfurt, unfreiwillig in der fantastischen Welt dieser verborgenen Dimension – und bringt sie gehörig durcheinander. Obwohl die Wächterin Rosa überzeugt ist, ihr lang gehütetes Geheimnis dort unauffindbar versteckt zu haben, droht nun ihre Vergangenheit ans Licht zu kommen. – Laura Ventur arbeitete als Übersetzerin und Journalistin, bevor sie ihre Liebe zu Sprache und Magie zur Schriftstellerei führte. In Anlehnung an den historischen Fall der Anna Maria Schwägelin, der letzten Hexe, die hierzulande im 18. Jahrhundert verurteilt wurde, spinnt sie die Handlung ihres Debütromans „Whalea“, der jetzt erschienen ist.
Stell dir vor, es gäbe eine zweite Dimension, in der die Uhren anders laufen. Eine Dimension, in der Lichtelfen und Trolle zuhause sind. Eine Dimension, die von unserer strikt getrennt und doch untrennbar mit ihr verwoben ist. – Als Ben die whaleanische Realität betritt, muss er darum ringen, nicht den Verstand zu verlieren. Derweil beginnt für Rosa und ihre Gefährten ein beispielloser Spießrutenlauf: Sie müssen den Fremden wieder nach Hause bringen, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Dafür ist Rosa bereit, alle Tabus zu brechen. Nur so kann sie ihr Geheimnis bewahren. Allerdings hat sie die Rechnung ohne Ben gemacht, der ganz andere Pläne hat ...

 

Es ist wieder soweit: Veröffentlichungs-Freitag im Hause LAUSCH!!!
Heute haben wir wieder einen echten Leckerbissen für Euch!

ALASKA WIDER WILLEN

Band - 1 - Unsäglich verliebt

von Autorin: Ellen McCoy

ACHTUNG: Das Hörbuch ist ein BookBeat Exklusiv-Titel und kann zzt nur im Rahmen des Standard, Premium oder Testabos bei BookBeat gehört werden.

Die "Alaska wider Willen" - Reihe gehört zu einer der erfolgreichsten Selfpublisher Reihen in Deutschland und Autorin Ellen McCoy hat damit mehrere Wochen den Platz 1 der Bild Buchverkaufslisten angeführt. Auch das Hörbuch kann sich sehen lassen - Aktuell wird es vom SPIEGEL als Hörbuch der Woche beworben.

 

Soeben ist „Das Obsidianherz“ als Neuauflage im Wiesengrund Verlag erschienen. „Das Obsidianherz“ war mein erster veröffentlichter Roman und hat 2009 den Deutschen Phantastik Preis (in der Kategorie bestes Debut) gewonnen.
Eine ganze Weile war das Buch vergriffen und nur noch als E-Book erhältlich. Jetzt erstrahlt es in neuem Glanz, und wir wünschen uns natürlich sehr, dass es noch einmal viele Leser findet. Inzwischen gibt es auch die englische Ausgabe „Obsidian Secrets“, aber hier geht es um die deutsche Ausgabe.

München 1865. Ein magisches Manuskript von ultimativer Zerstörungskraft ist gestohlen worden. Der britische Agent Delacroix erhält den Auftrag, die Schrift aufzuspüren und zurückzubringen, wobei ihm zwei junge bayerische Offiziere sowie ein Magiewissenschaftler hilfreich zur Seite stehen. Doch auch das Böse trachtet in mannigfacher Form nach der Macht des Manuskripts, um die Welt in ein Abbild seiner eigenen grausamen Phantasien umzuwandeln.

Nichts von all dem ahnt Miss Corrisande Jarrencourt, eine junge Dame, die in München nur einen wohlsituierten Ehemann sucht. Ins Geschehen hineingezogen muss sie feststelle, dass es auf dieser Welt Dinge gibt, von deren Existenz sie bis dahin nichts ahnte …

 

Epikurs Bibliothek
Worin besteht die Kunst, ein glückliches Leben zu führen? Die Filmemacherin und Autorin Marietheres Wagner geht der Philosophie des Epikur nach und verknüpft dabei auf spannende Weise Werke aus der Literatur, der Malerei und des Films. Eine Hommage an das Lesen und das Schreiben, an das Buch und die Künste im Allgemeinen, intellektuell anregend und zugleich unterhaltsam und verständlich. Das Buch zeigt, wie die »Glücksphilosophie« des Epikur überall zu finden ist und zum eigenen Denken ermuntert.

Aber was genau bedeutet »Philosophieren« nach Epikur? Die wenigen dazu noch erhaltenen Original-Texte sind mehr als 2000 Jahre alt und entsprechend sperrig zu lesen. Deshalb hat Marietheres Wagner nach Büchern gesucht, in denen sein Denken zum Ausdruck kommt. Romane, Sachbücher und auch Bilderbücher sind darunter: alte und neue, kurze und lange, dünne und dicke, einfache oder auch hochkomplexe. Die Auswahl orientiert sich dabei an den zentralen Themen in Epikurs Schriften: Was bedeutet Freundschaft? Wie lässt sich Angst überwinden? Wieso ist die sinnliche Wahrnehmung wichtig für die Qualität unseres Lebens? Wie gelingt ein selbstbestimmtes Leben? Wie lassen sich Grenzen durchbrechen? Wie kommen Frauen weiter? Was bedeutet der Tod für das Leben? Und was macht uns wirklich glücklich?

 

Das große Buch der Collagen - Maria Rivans
Wer Spaß an Collagen hat und diese leicht umsetzen möchte, wird dieses Buch lieben. Die renommierte Collagekünstlerin Maria Rivans hat Hunderte von wunderschönen, stimmungsvollen bis hin zu skurrilen Bildern gesammelt, um sie hier auszuschneiden und mit anderen zu kombinieren. Bei über 1.500 Objekten sind die Möglichkeiten grenzenlos: Blumen, Vögel, Katzen und Schmetterlinge lassen sich mit Gebäuden, Augen, Schnurrbärten und vielen anderen Motiven arrangieren, um außergewöhnlich originelle Kunstwerke zu schaffen! Aufgeteilt in Kategorien wie Menschen, Kunst & Kultur, Zuhause, bei der Arbeit, Natur, Welt, Grafiken und Alphabete steckt dieses Buch voller Bilder – für alle ist etwas dabei. Sie können hiermit ganz leicht auch Elemente zu Ihren eigenen Fotos oder Bildern hinzufügen. Ein Buch mit Suchtpotential!

 

 

Das bringt der Mai

Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Obwohl bereits ein paar Beiträge vorgeschrieben und eingepflegt sind, kommt vermutlich einiges anders als geplant. Die besprochenen Genres gehen wild durcheinander und vom Rest werden wir uns alle überraschen lassen müssen. :)
Der Autor Frank Pfeifer hat sich bereit erklärt, etwas zu seinem neuen Roman „Der Junge mit dem Feueramulett“ zu erzählen.

 

 

Was mich bewegt hat

Trigger-Warnung: Corona-Bericht mit (Schwer-)Erkrankten. Wer’s über hat und so …

Es handelt sich um einen sehr persönlichen Bericht, der nicht persönlich kommentiert werden muss. Mir geht es darum zu zeigen, wie schief auch ich an manchen Tagen gelegen habe. Corona ist ein Arschloch und die Welt von „an“ und „mit“ schrumpft schneller auf den kleinsten Nenner „scheißegal“ zusammen, als man gucken kann.

Mitte März habe ich mich komplett Blutbildtechnisch durchchecken lassen. Ich wollte wissen, ob mein Weizenverzicht, den ich seit ca. Oktober 2020 betreibe, Auswirkungen hatte. Aber so ein tolles Blutbild hatte ich noch nie. Alle Werte super. Mit zwei Eltern, die Diabetiker sind, eine sehr erfreuliche Nachricht, dass auch Zucker und Cholesterin super sind.

01.04. Wirklich viel kann man am Geburtstag nicht machen, da alles geschlossen ist. Also auf zu Kaffee und Kuchen bei den Eltern. Mein Vater ist frisch (knapp eine Woche plus) aus dem Krankenhaus raus und fühlt sich noch nicht fit. Er sieht im Katalog eine Uhr, die ihm gefällt und bestellt sich diese. Sie soll drei Wochen Lieferzeit brauchen – und plötzlich habe ich so ein seltsames Gefühl, als wäre später die Uhr da, aber er nicht. Wollte vom Geburtstagsgeld zum Friseur gehen, aber da muss ich erst einen Test machen. Wie blöd. Verschiebe das Ganze.

04.04. Der alte Herr ist bockig, liegt aber freiwillig im Bett. Er verweigert Nahrung und Fieber messen. Seine akute Blasenentzündung (die er zusätzlich zu der anderen Sache bekommen hat) scheint noch nicht ganz verheilt, haben die ihn zu früh entlassen? Er klagt über Magenschmerzen und hat Durchfall.

05.04. Meine Mutter hat eine fiese Erkältung und kann kaum sprechen. Sie ist aber vernünftig und pflegt sich. Die Situation mit meinem Vater strengt sie sehr an.

06.04. Gehe einige Lebensmittel einkaufen und mache mich auf den Weg zu den Eltern. Der alte Mann lässt sich erweichen aufzustehen, rasiert sich und steigt in die Dusche. Allerdings ist er nur ein Schatten seiner selbst, hat viel Gewicht verloren, zittert und ist dehydriert. Den Notarzt verweigert er. Erst ein Telefonat mit seiner Ärztin stimmt ihn um. Die gute Frau (danke!) macht die Papiere fertig und bestellt einen Krankentransport. Es ist vierzehn Uhr, als sie ihn abholen, ich bin fix und alle. Ich mache noch etwas zu essen für meine Mutter und mich, räume etwas auf und gehe nach Hause. Es dauert vier Stunden, ehe meine Mutter, heiser wie sie ist, im KH anruft und nachfragt, da ist er noch in der Rettungsstelle. Gegen neunzehn Uhr ruft meine Mutter an, ich solle mich hinsetzen. O Gott, Krebs, schießt es mir durch den Kopf. Falsch: covid-positiv. Gut, dass ich schon sitze. Damit sind wir dann alle ab sofort in Quarantäne. Aber was nun? Was heißt das? Setze mich vor den PC und will mich durchlesen. Die meisten der offiziellen Texte sind offenbar für Leute weit unter der zwölf (Jahre oder doch IQ?) gemacht, Abstand halten, Hände waschen, für jeden ein eigenes Handtuch (alles mit Bild). Äh, ja, danke. Aber wie sieht es rechtlich aus? Muss ich mich testen lassen oder erst wenn ich Symptome zeige? Meine Mutter meinte, die Ärztin aus dem KH hätte ihr gesagt, sie solle es selbst dem Gesundheitsamt melden. Wie genau wusste meine Mutter auch nicht. Unsere Ärztin hat erst am nächsten Tag gegen Nachmittag Sprechstunde. Beschließe, dann dort anzurufen, weil ich zu müde von den letzten Tagen bin, um mich jetzt noch verrückt zu machen. Aber eine Sache sollten die Texteschreiber durchdenken: Ein Angehöriger oder ich sind positiv und wollen uns informieren. Da ist es mehr als kontraproduktiv überall hinzuschreiben, es sei eine gefährliche Krankheit, an der schon viele gestorben sind. DAS will man in der Situation sicher nicht hören oder lesen. Dass man mit der Krankheit (wie auch jeder anderen) nicht schludrig umgeht, versteht sich von selbst.

07.04. Eine Freundin ist ganz entsetzt: Mein Gott, was ist, wenn du es auch hast? Ja, was soll sein, dann habe ich es eben. Sorgen mache ich mir nur um die alten Leute. Hoffe aber, dass die im KH, wo er es sich wohl geholt haben muss, wissen was sie tun. Mein Vater hat die ersten Stunden in der Rettungsstelle verbracht, dann in einer Art Abstellkammer ohne Bad und ist schließlich in einem Vierbettzimmer gelandet, wo er alleine drin ist. Telefon am Bett und einen Tropf am Arm. Wenigstens ist er dann nicht mehr so dehydriert, denke ich, als er seinen Unmut über alles ins Telefon keucht. Kurzatmig ist er nämlich auch noch. Fieber hat er kein starkes, etwa 37,6. Meine Mutter und ich messen auch fleißig, aber haben nichts. Beschließe, dass ich schon mal Gegenmaßnahmen ergreife. Selbst wenn ich mich mit der Erkältung angesteckt haben sollte, ist das nicht schön, gerade auch als Freiberufler. Daher immer warme Füße, viel trinken, viel Schlaf und gesundes Essen. Meine Mutter hat Covid-Tests in der Apotheke bestellt, die liefern die nach Hause und hängen sie außen an die Klinke. Nur macht es Sinn, dass sie sich testet? Sie ist immerhin krank, reagiert der Test auch darauf? Solche Sachen schreibt natürlich niemand mal irgendwohin.

Was ich nächste Woche machen soll, wenn die frischen Lebensmittel ausgehen und ich nirgends hin kann, weiß ich nicht so recht. Habe alle Lieferdienste in der Umgebung gecheckt, sind alle auf Wochen ausgebucht oder haben den Service eingestellt.

Meine Mutter ruft beim Gesundheitsamt an und fasst das Gespräch sehr treffend zusammen mit: Mein Jott, ick glob, der hatte bloß dritte Klasse. Eine Kollegin ruft später zurück. Sehr nett, sehr genau. Nein, der Test aus der Apotheke ist nur ein Schnelltest, sie würden sich aber in diesem Gesundheitsamt nicht damit zufrieden geben (manche offenbar schon?), sie wollen einen PCR-Test. Sie nennt eine Straße und eine Postleitzahl. Ich darf laufen, mit dem Fahrrad oder dem Auto (oder beamen, ihre Worte, nicht meine). Laufen ist zu weit, Fahrrad habe ich keines und ein Auto auch nicht. In den Bus und ins Taxi darf ich nicht und die mobile Einheit schicken sie nur an die alten Leute mit Symptomen. Bin angemeiert und sage, ich rufe erst einmal in der Hausarztpraxis an, ob die den Test auch machen. Bin froh als ja. Früh vor Erstterminen von hinten an die Praxis schleichen und klingeln. Den Rest des Tages damit verbracht, mich bei Kunden zu entschuldigen, da die Tage einiges durcheinandergekommen ist. Abends dann Kopfschmerzen.

08.04. Mit Kopfschmerzen aufgewacht und eine Tablette geschluckt. Viel zu früh für mein Wohlbefinden, aber da ich nachts stündlich wach gewesen bin, stehe ich eben auf. Gehe los und treffe meine Mutter vor der Praxis. Die Schwestern sind immer super nett und entschuldigen sich, dass wir draußen auf einem Stuhl bleiben müssen (es ist ziemlich kalt). Aber an dem Tag werde in der Praxis auch gegen Corona geimpft und da hat Frau Doktor das angeordnet. Ist ja auch kein Problem. Ich erwarte das lange Stäbchen in der Nase, weil man die Bilder aus dem TV kennt und mein Vater im KH so getestet wurde, als er das letzte Mal da war. Stattdessen mein persönlicher Alptraum: tief in den Rachen rein. Mein Würgereflex ist sehr stark ausgeprägt und ich würge mehrfach. Schnell vorbei. Ergebnis per App. Äh, jaaa. Ich weiß nicht, wie man sich Apps herunterlädt und benutze mein Handy so gut wie nie. Dann muss ich im Gesundheitsamt anrufen. Tut mir leid, aber das ist völlig daneben, wer denkt sich denn so etwas aus?

Die Schwester erkundigt sich nach meinen Vater und ich erzähle ihr alles. Auch dass ich irritiert war, da er nicht mal Schnupfen hatte und so das Ganze nicht in Corona eingeordnet habe, sondern dachte, es läge an der anderen Sache, die er hat. Ja, meinte die Schwester, das sei eben das Ding mit den Mutationen. Sie fragen inzwischen auch nicht mehr nur Husten etc. ab, sondern auch Durchfall und Co.

Alles Gute gewünscht und ab nach Hause. Als die Tür zufällt, wird mir klar, dass sie wohl bis 20.04. nicht mehr aufgehen wird. Tja. Gut, dass ich mit Arbeit eingedeckt bin. Und sollte es wärmer werden, ist auf dem Balkon einiges zu tun. Blöd ist nur die Situation mit den Eltern, weder kann ich zu meiner Mutter noch zu meinem Vater. Ins KH lassen sie mich ohnehin nicht, immer noch Besuchsverbot. Hoffe, dass er von allein etwas weniger störrisch ist, Essen verweigert er nach wie vor. Appetitlosigkeit ist zwar auch als eines der Symptome gelistet, aber mit ein bisschen Willen sollten da zwei, drei Happen drin sein.

Meine Mutter ist wie erwartet mit der App überfordert, auch weil sie krank ist und sich schlecht konzentrieren kann. Was die da alles wissen wollen, meint sie. Da muss ich noch mal genauer gucken.

Überraschend klingelt abends gegen acht das Telefon. Meine Mutter ist gerade von der Praxis informiert worden. Nein, es ist keine starke Erkältung. Auch sie ist positiv. Sie hat bereits den ganzen Tag geschlafen und fühlt sich elendig. Aber es geht. Sage ihr, sie soll was essen oder zumindest mit der frischen Zitrone, die ich Dienstag mitgebracht hatte, einen Tee kochen. Kraft hat sie kaum, aber das kriegt sie noch hin.

Erwähne einer Freundin, die Krankenschwester ist, gegenüber, dass ich es merkwürdig finde, dass meine Eltern je so unterschiedliche Symptome haben. Sie zuckt nur mit den Schultern (ja, das kann man manchmal durchs Telefon spüren) und meint, dass das bei einer Grippe ja auch nie das Gleiche bei allen wäre, jeder Mensch sei anders.

Mein Testergebnis war noch nicht dabei. Habe aber sowas von keine Lust darauf! Selbst wenn ich negativ sein sollte, kann es auch sein, dass ich zu früh getestet wurde und der Test noch nicht angeschlagen hat. Bisher geht es mir gut. Die Kopfschmerzen haben sich im Laufe des Tages aufgelöst, ich habe Appetit und bin immer noch mit Vorsorge beschäftigt. Mache mich an die Arbeit und lasse das leidige Thema für den Rest des Tages hinter mir.

09.07. Habe alle Lebensmittel per Haltbarkeitsdatum sortiert und in eine Liste geschrieben. Woran es bei mir nicht krankt ist Schokolade. Geburtstag und Ostern haben ein Übriges getan. Haltbares Zeug wie Linsen, Reis oder Buchweizen habe ich immer da. Am 17./18. (nächstes WE) werden die frischen Sachen wie Suppengrün, Lauch, Möhren, Kartoffeln alle sein. Weißkohl hält sich länger, bin gespannt, wie lange man den ausreizen kann, werde ich wohl müssen. (Gefrierschrank besitze ich nicht.)

Mit meinem Vater kämpfe ich seit gestern Abend telefonisch gegen Napoleon aka „das Abendessen“. Er isst, halleluja – und wird dann ausgiebig gelobt. Mir wird klar, dass er alt geworden ist.

Am Vormittag ruft meine Oma an. Sie ist über neunzig, aber sehr rüstig. Merke, wie sehr wir alle von den Medien abhängig sind – und deren Arbeit habe ich schon im letzten Jahr, als wir noch auf der Suche nach Klopapier waren, bemängelt. Eine Schreckensmeldung jagt die nächste, wirklich hilfreich ist keine der zahlreichen Meldungen. Praktische Tipps und Hinweise wären angebracht. Ein Großteil der Kranken wird gesund. Und das ist wichtig zu wissen (gerade auch für Angehörige)! Wer dann auch noch Angst in dieser Hinsicht hat … positives Denken, davon bin ich fest überzeugt, ist bei jeder Krankheit wichtig, der Wille muss da sein. Nun, mein Vater ist immer noch bockig, ich glaube, das gewöhnen wir ihm nicht mehr ab. Man hat eine kleine Apparatur zu ihm gebracht mit kleinen Kugeln drin. Die soll er quasi einatmen. Macht ja auch Sinn, wenn Covid in der Lunge sitzt. So wirklich mitgemacht hat er nicht. Sie kommen jedoch wieder. Habe ihn gefragt, ob er vielleicht gerade was anderes zu tun hat. Er will sich anstrengen … Da fällt mir ein, dass ich selbst nach meinen Ergebnis fragen sollte. Gerade noch vor Schließung der Praxis: negativ.

Rufe dann im Gesundheitsamt bei der Dame an, aber es ist stetig besetzt. Erst gegen vierzehn Uhr erreiche ich sie. Sie wirkt fahrig, erinnert sich nicht an mich, findet meine Akte nicht und fragt, ob ich vielleicht im anderen Team bin. Als ich es erkläre, entschuldigt sie sich, dass die Situation gerade so schlimm sei wie vor Weihnachten.

Nein, ich bin nicht aus der Quarantäne raus, ich könnte theoretisch noch in der Inkubationsphase sein. Man ist noch zehn Tage nach negativem Testergebnis in Quarantäne, dann ein neuer Test und dann ist man raus, wenn der negativ ausfällt. Das ist dann ohnehin das Ende meiner Quarantäne. Die Frau meint, sie rufe meine Mutter noch an. Sage ihr, dass die seit gestern Dauerschlaf hält und das Telefon nicht hört, da sie es nicht mit ans Bett nimmt. Sei aber wichtig, sie brauche noch wesentliche Daten von ihr. Eine Stunde später ruft meine Mutter an. Sie klingt weniger heiser und ich erfahre, dass sie das Gefühl hat, es gehe ein klein wenig besser. Die Frau vom Amt hat dann nur erfahren wollen, wie es meiner Mutter so gehe und was sie für ein Gefühl habe. Außerdem machten sie gerade Ostern (im Büro). Es gehen jetzt zwei Briefe an uns raus. Keine Ahnung, was da drin stehen wird. Außerdem heißt das dann wohl, dass ich aus der Wohnung runter zum Briefkasten gehen darf. Werde darauf achten, dass es nicht zu einer der Stoßzeiten ist, wenn die Nachbarn unten zusammenkommen.

10.07. Bin mit leichtem Krankheitsgefühl aufgewacht, kein Fieber. Auch nach dem Frühstück fühlen sich hintere Nase und Rachen an, als begännen sie zu verschleimen. Die Lunge brennt. Überlege, was ich noch unbedingt tun muss, ehe es „richtig losgeht“. Ein Onlinehändler, bei dem ich vor Ostern etwas bestellt habe, hat in den Briefkasten geliefert, wie er mir per Mail mitteilt, obwohl ich zu Hause war. Heute ist Samstag und ich werde spätabends dann doch mal leeren gehen. Tut mir leid, aber es geht nicht anders.

Habe lange kein TV geschaut, schnappe nur immer mal hier und da etwas auf. Die Diskussion rund um „mehr Rechte für Geimpfte“ entsetzt mich zutiefst. Was genau ist an „unveräußerliche Rechte“ nicht zu verstehen? Das sind Rechte, die uns allen zustehen, daran sind keine Bedingungen geknüpft! Wenn wir hier anfangen, „Zugeständnisse“ zu machen, können wir alle wetten, dass jetzt oder in (naher) Zukunft skrupellose Leute (und wir haben derzeit mehrere in Politik und Wirtschaft zu sitzen, wie man sehen kann) das immer wieder ausnutzen oder gar ausweiten werden. Genau deswegen ist es äußerst gefährlich, überhaupt nur darüber nachzudenken. Wir wissen, wo es anfängt, aber wir wissen nicht, wo es aufhört. Darum dürfen wir uns nicht in Gruppen einteilen lassen, sondern müssen vielmehr begreifen, dass wir eine einzige Gruppe sind: das Volk. Als solches sitzen wir im gleichen Boot – mitten in einer tobenden See, umringt von hungrigen Haien.

Meine Mutter ruft an. Sie hat in den Briefkasten geschaut (ihrer ist quasi direkt vor der Tür) und einen Brief an meinen Vater (der immer noch im KH ist) vom Gesundheitsamt rausgezogen. Darin steht, dass er positiv getestet wurde und sich nach Paragraph xy nun in häusliche Quarantäne von-bis zu begeben habe. Sie mutmaßt, ob das vielleicht ein Brief wäre, der an sie gehen sollte, weil der so irgendwie keinen Sinn macht. Aber unsere Briefe sind erst gestern rausgegangen, da wären Amt und Post ja sehr schnell. Ich erzähle ihr, dass ich mich nicht gut fühle und frage sie noch mal nach ihren Symptomen. Normaler Husten war dabei. Frage sie, ob sie sich auch Sorgen gemacht habe, wegen der medialen Beschallung Marke „Was ist, wenn ich ins KH oder beamtet werden muss?“. Ein bisschen, sagt sie. Aber da lobe ich mir unsere Frau Doktor, sagt sie weiter. Die hat am Telefon gleich gesagt, keine Panik, Frau H., das kriegen wir zusammen hin. Alles ruhig angehen, viel schlafen und trinken, leichte Kost. Ich rufe sie am Montag noch einmal an und dann schauen wir weiter. Bin ebenfalls dankbar für die gute Betreuung. Man muss so etwas einfach hören, wie eine Art Plan, jeden Tag ein bisschen mehr. „Wir schaffen das“, nur auf eine gute Art.

Bin abends am Briefkasten gewesen. Leider doch auf einen Nachbarn getroffen, der sich über meine Kapuze, die Maske und den Abstand gewundert hat. Sehe im Glas der Tür, wie er sich die Hand flach vors Gesicht hält und sie hin und her bewegt. Muss grinsen, denn an seiner Stelle hätte ich bis vor Kurzem wohl ähnlich reagiert. Aber wat mut, dat mut, nicht wahr? Briefkasten war voller als gedacht. Überraschenderweise liegt der Brief vom Gesundheitsamt doch schon drin, der mich zum Lachen bringt. Drei voll beschriebene Seiten. Jemand, der nun ein Symptomtagebuch führen soll inkl. zweimal täglich Fieber messen, findet das sicher ein bisschen schräg. Als starke Allergikerin notiere ich aber ohnehin stets, was ich esse und wie es mir geht. Und Worte wie: Anhörung oder Zwangsmaßnahme … nun ja. Behördendeutsch eben. Abends geht mein Vater über eine Stunde lang nicht an sein Telefon. Rufe erst die Info an, dann die „Coronastation“, wie sie im KH genannt wird. Der Pfleger ist völlig entspannt (mein Vater war nur im Bad), gibt Auskunft und macht sich so gesehen wenig Kopf. Geht es meinem Vater besser als ich aufgrund seiner zahlreichen Vorerkrankungen befürchte? Wie es mit ihm weitergeht, erfahren wir erst am Montag.

Habe einen enormen Verbrauch an Süßigkeiten.

12.07. Die Woche startet anstrengend. Habe immer noch Lungenbrennen und versuche mich durchzutelefonieren. Mein Vater geht nicht ran, in der Arztpraxis auch niemand. Meine Oma klingelt durch, weil sie sich Sorgen macht. Die nehme ich zusätzlich auf. Plötzlich ist alles Scheibenkleister und die Welt verschwimmt. Nach einer Dreiviertelstunde kein Besetztzeichen mehr, die Schwester sagt aber nur, sie müsse noch mal Rücksprache mit der Ärztin halten. Wenn die jetzt nein sagt? Mir fällt der Test aus der Apotheke ein, der liegt noch im Flur. Gedanklich sortiere ich plötzlich die Wohnung meiner Eltern aus und falle von einem „was ist, wenn“ ins nächste.

Das Telefon klingelt, es ist meine Mutter. Sie hatte gerade einen Anruf vom Gesundheitsamt, eine völlig andere Frau. Man habe ermittelt, dass es eine Ansteckung gegeben habe und wolle das weitere Vorgehen besprechen. Meine Mutter ist irritiert: Haben wir doch schon. Antwort: So? Was wir jetzt machen … Sagen Sie das auch Ihrem Mann. Meine Mutter ist erbost: Wissen Sie überhaupt, was Ihre Kollegen machen? Und mein Mann ist im KH. Ach, Ihr Mann ist im KH? Das muss ich notieren. Und na ja, wie sind jetzt alle ein Team. (Was immer sie damit meint.)

Jedenfalls wolle sich die Frau auch noch einmal bei mir melden. Meine Mutter meinte, sie habe absichtlich nicht angeboten, meine Nummer zu sagen. Diejenige wohlgemerkt, die von den Leuten da schon mehrfach angewählt worden ist. Bin gespannt, wie lange die brauchen, um die Nummer in den Akten zu finden. Die Akten, in denen eigentlich drinstehen sollte, dass es bereits Kontaktaufnahme und sogar rausgegangene Briefe gegeben hat.

Wollte einen Termin für Donnerstag in der Arztpraxis klarmachen, gehe aber morgen, weil das Lungenbrennen komisch ist. Ob es damit zu tun hat, kann natürlich durchs Telefon keiner sagen, die Symptome seien auch so unterschiedlich, dass man nie wisse, ob es Covid ist oder doch etwas anderes. Besser früher testen als später.

Abends bin ich nervös. Mein Vater ist den ganzen Tag nicht ans Telefon gegangen. Rufe abends die Station an, die Schwester bringt das Telefon sofort zur Ärztin. Da ahne ich es schon. Obwohl mein Vater erst auf dem Weg der Besserung war, geht es ihm nun sehr schlecht. Er ist seit Sonntag nicht ansprechbar und hatte abends einen epileptischen Anfall als einmaliges Ereignis. Im Kopf sei alles gut, es handle sich nicht um einen Schlaganfall, die Vitalwerte seien gut. Sie zählt alle möglichen anderen Dinge auf, die ich mitschreibe, weil ich sonst nicht zuhören könnte. Am Ende frage ich die Ärztin direkt, was ihre Prognose ist. Wie es aussieht, wird er wohl nicht mehr ins häusliche Umfeld überführt werden können. Das sitzt tief.

13.07. Wie gehabt das Stäbchen in den Mund. Schöner Sonnenschein und jede Menge Schulkids mit ihren Müttern. Die Arztpraxis ist Gold wert, wie ich wieder merke. Sie stehen in direktem telefonischen Kontakt mit meiner Mutter und die Schwester besteht darauf, dass sie die erste Anlaufstelle sind. Nicht irgendein Gesundheitsamt oder sonstiges. Meiner Erzählung lauscht sie gebannt, aber wenig überrascht.

Habe gestern noch mit einer Freundin telefoniert, die mir einiges aus dem Telefonat mit der Ärztin erklärt hat. Medizinische Fachbegriffe sind nicht so mein Ding. Sie schafft es auch, mich ein wenig runterzubringen und ich konnte sogar ein paar Stunden schlafen. Wie man so eine Neuigkeit angehen soll, wenn man selbst gesundheitlich nicht auf der Höhe ist und zudem niemand kommen kann, um zu helfen, steht auch nicht im Internet.

Ein schweres Telefonat, als ich meine Tante, die Schwester meines Vaters, anrufen muss. Sie ist persönlich zu meiner Oma gefahren, um es ihr zu sagen.

Am Nachmittag ist die neue Dame vom Gesundheitsamt dran. Sie redet gern, das steht fest. Kurz zuvor habe ich beim Einloggen ins Mailpostfach aufgeschnappt, dass von der Politik neue Bestimmungen erlassen worden sind. Sie meint, da müssen sich auch erst einmal alle im Amt neu durchlesen. Aber anrufen würden sie trotzdem weiter. Auf ein paar Fragen konnte sie mir nicht antworten, aber sie zeigte viel Verständnis für meine Lage, auch als ich ihr offen sagte, ich akzeptiere alles, doch wenn meine Mutter einmal nicht ans Telefon gehen sollte, dann würde ich meine Wohnung verlassen und nach ihr sehen gehen. Sie hat das hingenommen und von ihrer Schwiegermutter erzählt. Ich habe danach gefragt, wie es mit der „Überwachung“ der Leute aussehe (auch in Bezug zu den Infiziertenzahlen), immerhin ruft sie nur zweimal die Woche an. Aber man kann positiv Erkrankte oder solche, die noch kein Ergebnis haben, nicht einzeln überwachen. Wie das mit den Strafen wäre, frage ich, im Brief stand nichts von Geld. Das sei auch nicht ihre Aufgabe, sagt sie, dafür gebe es Rechtsabteilungen. Aber sie sehen es trotzdem, wenn in etwa eine Kirchengruppe auf ihrem Tisch lande, die an Ostern zusammengekommen sind und von denen jetzt die Hälfte positiv getestet wurde. Klang, als sei das ein realer Fall.

Meine Mutter rief später an. Auch sie hatte den Anruf und dabei erfahren, dass sie an der englischen Variante erkrankt sei. Wollte diese googeln, aber schon die Überschriften haben mich abgeschreckt. Muss ich jetzt nicht haben. Lieber Journalismus, ich erwähnte es bereits …Clickbait und so. Meine Emotionen und mein Puls sind schon hoch genug.

Mit der bereits erwähnten Ärztin meines Vaters telefoniert, die wenig über meinen Anruf erfreut ist („Ach ja. Sie.“). Am Ende des Gesprächs, als ich „bis morgen dann“ sage, atmet sie geräuschvoll aus. Sein Zustand ist unverändert, aber immerhin ist nichts Neues hinzugekommen, einige Untersuchungen waren ohne Befund. Als ich erwähne, dass meine Mutter die englische Version hat, stellt sich raus, er auch. Das sei aber die gute Version. Was?, sage ich, das liest man überall anders. Ja, das sei mal so gewesen, aber inzwischen sei das die Normalvariante. Sorgen machen sie sich wegen der Südafrikanischen Version und die Brasilianische sei auch schon in Deutschland angekommen. Nicht, dass sie ihn weiter testen. Er ist jetzt automatisch vierzehn Tage in Isolierung und dann wird noch mal getestet und bei negativ kommt er auf eine normale Station.

Meine Mutter ruft abends noch mal durch (das muss sie dreimal täglich machen, damit ich nicht an Herzversagen sterbe) und sagt, sie habe eben die Abendschau gesehen. Da hieß es: Forscher haben herausgefunden, dass die englische Variante nicht tödlicher ist als die anderen. Und, frage ich. Bist du jetzt beruhigt?

Kriege heute nicht mal mehr Schokolade runter.

15.04. Gestern Nachmittag ruft die Ärztin an. Mein Vater befinde sich seit dem Morgen auf der Intensivstation, muss aber nicht beatmet werden. Mein Herz setzt aus. Ich rufe dort an und stelle fest, dass es auch nette Ärzte gibt. Auskunft geben sie allemal. Nur wenn ich das immer so höre, macht mich das doppelt fertig. Das hat ein Mann wie mein Vater alles einfach nicht verdient! Ich erzähle es nicht weiter, meine Mutter und Tante müssen das nicht wissen. Sie veranlassen vom KH aus nun eine Notfallvorsorgevollmacht. Zwar haben mein Vater und ich vor sechs, sieben Jahren mal eine aus dem Internet runtergeladen, was das wert ist, muss ich wohl nicht näher ausführen. Aber anhand der Kreuzchen zu sehen, was er wollte, ist dennoch ein Segen. Die Entscheidungen, die jetzt anstehen, werden die härtesten meines Lebens sein.

Die Dame aus dem Amt ruft noch einmal an. Mir fällt ein, dass ich den neuen Test noch nachfragen muss, aber da keiner angerufen hat, ist es mir schon klar. Dennoch habe ich eindeutig Erkältungssymptome, an dieser Stelle nicht zynisch zu werden, fällt schwer. In jedem Fall hat sie für mich bei ihrem Chef nachgefragt. Ich wollte wissen wie das ist, wenn es mit meinem Vater zu Ende gehe. Ob ich dann, trotz Covid und Quarantäne, noch einmal hingehen könnte, um ihn zu sehen. Besuch ist nicht erlaubt, klar, wobei ich das auch schade finde. Denn das ist eine Intensiv und Ärzte und Schwestern gehen ja auch rein. Zudem, erkläre ich ebenfalls der Ärztin, bin ich studiert, habe mal in der Pflege gearbeitet und nehme das alles andere als auf die leichte Schulter. Das sei eine Ausnahmesituation, erklärt mir die Frau vom Amt, man könne das erlauben. Abgesehen davon weiß ich schon von meiner Freundin (die Krankenschwester ist und auch Pflegefachkräfte ausbildet), dass das mein gutes Recht ist und auch nicht von der derzeitigen Politik ausgehebelt werden kann. Man muss hartnäckig bleiben. Ich bin beruhigt, mir sind in den letzten Tagen dennoch Zweifel gekommen, ob das eine so gute Idee wäre. Ist es nicht besser, ihn so in Erinnerung zu behalten, wie er noch vor nicht einmal einem Monat war?

Ich bin wieder negativ, wie erwartet. Nehme eine Paracetamol und hau mich zwei Stunden aufs Ohr.

Abends spreche ich mit der Schwester auf der Intensivstation und falle fast vom Stuhl. Mein Vater wird wie selbst gewünscht Schokopudding zum Abendbrot essen und schluckt auch seine Tabletten selbst. Er hatte Krankengymnastik und hat Bettkantensitzen gemacht, zudem wird er immer noch nicht beatmet, sie gehen sogar mit Sauerstoff runter. Grüße haben sie ausgerichtet, meine neuen will sie auch. Wieder so eine nette Person, man ist gleich viel, viel beruhigter. Wow!

16.04. Meine Freundin sagt, einen Tag nach dem anderen. Nicht von einem Extrem ins andere fallen. Puh. Bereits Mittwochnachmittag rief ein Dr. an, man brauche Infos zum Defibrillator meines Vaters, da man gern ein MRT machen wolle. Es ginge um die Batterie. Meine Mutter hat ein Heftchen mit diversen Daten gefunden und alles an den Dr. weitergeben. Später rief er bei mir an, dass die Infos leider nicht reichen. Ob ich das Heftchen nicht rasch vorbeibringen könne, da ich ja in der Näher wohne. Nein, antworte ich, ich bin in Quarantäne. Aber ich kann das Ding einscannen und ihm per Mail schicken. Über diese Aussicht war er wenig begeistert und wolle lieber die Hausarztpraxis anrufen. Die aber sagt meiner Mutter am Donnerstagnachmittag, als sie sich nach ihr erkundigen, dass niemand angerufen hätte. Heute (Freitag) nun meldet sich eine neue Ärztin, man brauche die Info betreffs der Batterie. Sie schlägt vor, dass meine Mutter das per Handy fotografiert, an mich schickt. Ich bekomme eine Mail-Adresse von ihr und muss meine Mutter aus dem Tiefschlaf wecken. Freitags gegen vierzehn Uhr kommen die damit an, wo schon so gut wie jede Praxis für die nächsten zweieinhalb Tage geschlossen ist. Immerhin, das hat alles soweit gut geklappt. Ich suche den im Ausweis stehenden Arzt heraus, der leider im letzten Jahr seine Praxis geschlossen, aber nun offenbar eine neue eröffnet hat. Die Sprechzimmerdame hat leider keine Unterlagen von meinem Vater, aber sie versteht, was das Problem ist und erklärt es mir. Für ein MRT muss die Batterie umprogrammiert werden, wegen der magnetischen Strahlung. Das könne aber jeder Kardiologe und da es nicht so viele Defibrillatoren (-sorten?) gäbe, sei das eigentlich kein Problem. Baut ja richtig auf. Ich sage, dass ich den Zeitpunkt (Freitag eben) sehr unpassend finde und die Ärzte genug Zeit hatten, darauf antwortet sie nur: Jaaa, das kennen wir schon. Das ist bei denen leider so. Mhm.

Abends habe ich einen Pfleger dran, der zumindest keine schlechten Nachrichten hat. Zustand unverändert, Schlucken geht schlecht, weshalb nun eine Magensonde (durch die Nase) gelegt worden ist (vorrangig wegen der Tabletten). Seinen Schokopudding darf er aber weiterhin essen. Er fragt mich: Wenn ich fragen darf, wie lange ist Ihr Vater denn schon so? Ich erzähle, dass mein Vater bis März zwar kein Tarzan, aber für 71 sehr fit und vital gewesen ist, Auto gefahren, einkaufen, Balkonsaison geplant. Später muss ich immer wieder über die Frage nachdenken. Ich habe meinen Vater seit 06.04. nicht mehr gesehen. Was um alles in der Welt meint der Pfleger – und er ist bereits der zweite, der mich etwas in der Art fragt. Was heißt „so“?

17.04. Merke erst heute, am Samstag, wie anstrengend die Woche war. Kaum stand je das Telefon still. Meine Mutter, die immer noch im Bett liegt, aber zwischendurch nun länger auf ist und sich richtig was zu essen macht, meldet sich die ersten beiden Male nur per WhatsApp. Wir haben beide genug vom Telefonklingeln … Später ruft meine Oma an, die auch kaum zur Ruhe kommt. Ich schaffe es tatsächlich, zwei Aufträge zu beenden, schlafe allerdings kurz vor 18 Uhr am Schreibtisch kurz ein. Mache ein bisschen Hausarbeit und gehe zu Müll und Briefkasten, diesmal ohne Nachbarkontakt. Mir ist inzwischen völlig egal, ob die denken, ich hätte sie nicht mehr alle, wenn ich meine Maske dazu aufsetze. Leider noch kein Brief vom Amt betreffs Vorsorge dabei, aber das wäre dann auch sehr schnell gegangen.

Als ich im KH anrufe, heißt es auf der Intensiv, man habe meinen Vater am Nachmittag verlegt, auf die Station übrigens, auf der er im März auch gewesen ist. Soweit ich das beurteilen kann, eine völlig normale Station, auf der verschiedene Diagnosen durcheinanderliegen. Ob er denn nicht mehr positiv sei, frage ich irritiert. Er müsste noch in Quarantäne sein, ich bin es noch drei Tage, darum weiß ich es. Mhm, das wisse er jetzt nicht so genau. Ich sage nichts dazu und wünsche ihm einen ruhigen Dienst. Die Nummer, die ich wähle, ist in der Tat die gleiche wie im März. Eine nette Schwester erklärt mir auf Nachfrage: Es geht ihm mhm tja gut. Er hat gerade allein Abendbrot (Weißbrot mit Schmelzkäse) gegessen, die Magensonde könne wohl dann morgen raus. Sauerstoff bekommt er noch, aber nicht mehr viel. Ich kippe fast hintenüber. Einige andere Sachen kann ich wohl erst am Montag mit einem Arzt – wer auch immer dann zuständig ist, das wechselt ja schneller als manche Leute ihre Socken – klären. Was meint sie mit „mhm tja“? Das geht mir lange nicht aus dem Kopf. Ich bin so fertig von und ehrlich gesagt auch mit allem, dass ich vor neun im Bett liege und die Augen zumache. Kurz vorher habe ich beschlossen, der Familie noch nichts zu sagen, das klingt alles gut, aber auch seltsam. Mache mir nichts vor, er ist wohl zu einem Pflegefall geworden.

18.04. Es ist dunkel und regnerisch, darum wache ich erst gegen zehn auf. Aber ich habe es nicht eilig, ich wollte heute mal einen Blick auf die Steuer werfen, ehe ich gar nicht mehr dazu komme. Bis zum Mittag habe ich es nicht geschafft, aber egal. Gegen vierzehn Uhr ruft meine Mutter an: Weißt du, wer gerade angerufen hat? Ja, Papa. Unglaublich! Sie gibt mir eine Nummer, die ich sofort zurückrufe. Mein Vater ist leise und sehr heiser, aber er ist es. Er klingt gut bei sich, aber das muss man abwarten. Morgen bekommt er Physiotherapie, da er noch im Bett liegt und allein keine Kraft hat aufzustehen. Leider ist bisher nur seine Badezimmertasche bei ihm, seine Reisetasche plus Handy nicht. Darauf fokussiert er sich leider sehr stark, aber das ist okay. Ich bin richtig benommen, als ich auflege. Vor ein paar Tagen dachte ich noch das Schlimmste. Ich hoffe nur, dass es weiter so gut aufwärts geht.

Ich telefoniere mich durch die Familie und habe so natürlich nicht mit der Steuer angefangen. Das ist okay, es gibt Dinge, die wichtiger sind. Abends rufe ich meinen Vater noch mal an, seine Tasche ist da, es geht ihm gut.

19.04. Ich bitte vormittags um Rückruf eines Arztes, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Die Ärztin, die am Nachmittag anruft, hat ihn erst am Morgen kennengelernt, sagt, er sei in guter körperlicher, aber nicht geistiger Verfassung. Im Laufe des Tages merke ich, dass das stimmt. Mein Vater ist zwischendurch fahrig und hat anscheinend begriffen, dass meine Mutter auch krank war. Er besteht darauf, man habe ich ihm gesagt, sie müsse ins Krankenhaus kommen und sich untersuchen lassen. Ich auch. Langsam erkläre ich ihm was vorgefallen und wie viel Zeit vergangen ist und dass wir inzwischen wieder gesund sind bzw. ich nie krank war. Bitter ist es aber schon, ihn so zu erleben. Bisher war er nur ein bisschen schusslig. Zwar meint meine Freundin, übrigens auch die Ärztin, dass man erst in einem halben Jahr sagen kann, was an Defiziten übrigbleibt, denn das kann noch eine Nachwirkung des Delir sein, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass das noch mal besser wird. In jedem Fall bereitet die Ärztin mich darauf vor, dass er ein Pflegefall sein wird. Und dass er schnell entlassen wird, denn man brauche die Betten (mit einer Lungenentzündung und kaputten Nieren!). Ich frage wohin denn. Na, nach Hause. Ich bin perplex, da ist nichts für so einen Fall vorbereitet, meine Mutter noch nicht ganz genesen. Für eine Reha komme er nicht infrage, seine kognitiven Fähigkeiten würden das nicht zulassen. Er ist noch bettlägerig, obwohl er heute in einem Pflegestuhl gesessen hat. Ich befürchte, wir müssen ihn erst einmal in eine Kurzzeitpflege geben, um das weitere Vorgehen besprechen und in die Wege leiten zu können. Werde meine Quarantäne einen Tag vorher abbrechen (müssen). Der Test aus der Apotheke ist sehr unangenehm, zeigt aber ein negatives Ergebnis. Am Abend macht ihn auch meine Mutter und ist ebenfalls negativ. Erste Schritte, von dem, was nun zu klären ist, hat meine Freundin mir gesagt, ich hätte gar nicht gewusst, wo ich anfangen soll.

Auf so etwas kann man sich wohl nie vorbereiten.

20.04. Morgens gegen zehn bei meiner Mutter. Sie ist noch nicht wieder voll da, recht schwach, aber ansonsten gut drauf. Wir sortieren die Papiere meines Vaters, öffnen die Post, die bis dato aufgelaufen ist. Der Brief vom Amtsgericht ist eingetroffen, ich darf das also offiziell tun. Wir kochen etwas und machen weiter. Am Ende fliegen vier Müllbeutel in die Tonne, wir haben aber alles auf dem aktuellen Stand. Zwischendurch rief die Dame vom Gesundheitsamt bei meiner Mutter an, weil wir eigentlich erst morgen raus aus der Quarantäne sind. Ich gebe mich zu erkennen und erkläre die Lage. Sie hat viel Verständnis und fragt, ob sie offizielle Briefe fertig machen soll, dass die Quarantäne beendet sei. Wir bejahen, man weiß nie, wozu das mal gut sein könnte.

Die Uhr, die mein Vater am 01.04. bestellt hat, ist gekommen. Meine Mutter hat sie in seinen Schrank gelegt und bezahlt. Wenn er wieder zu Hause ist, freut er sich, sagt sie.

21.04. Mein Vater ruft morgens an. Ein Pfleger hat zu ihm ins Zimmer gerufen, er hätte kein Corona mehr!

Abends versuche ich über eine Stunde ihn telefonisch zu erreichen, aber er geht nicht ran. Die Erinnerung lässt mein Herz zappeln. Ich rufe das Schwesternzimmer an und bitte sie, mal gucken zu gehen. Später stellt sich heraus, dass er ungünstig gefallen ist und allein nicht mehr hochkam. Nichts weiter passiert, aber dass die das so lange nicht gemerkt haben, macht mich brummig.

22.04. Viele Telefonate, bis zu drei Stunden täglich, Ärzte, Sozialdienst, Familie. Dazwischen noch meine reguläre Arbeit, mit der ich trotz allem gut zurechtkomme. Meine Mutter will morgen Einkaufen fahren, schließe mich an. Mit den Lebensmitteln bin ich übrigens gut gefahren, auch, weil ich nicht immer Appetit hatte. Ich rufe die Schwestern auf der Station meines Vaters an und sage Bescheid, dass ich ihm  neue Sachen bringen und dass ich ihn gern sehen würde. Es ist immer noch eine Isolierstation, aber ich kenne das Risiko. Sie wirken unentschlossen, aber ich sage ihnen die Zeit, wenn ich da bin. Sollen sie mit der Info machen, was sie wollen.

Der Sozialdienst hat sich leider einige Tage Zeit gelassen, sie müsse erst in die Akte schauen, erklärt mir die Dame am Dienstag. Erst Donnerstagnachmittag ruft sie endlich zurück (dass er nun schnell raus soll, wo er negativ getestet wurde, ist mir klar. Nur wohin?). Gesehen hat sie ihn nicht. Aber immerhin einen Platz in einer Altersgeriatrie für ihn organisiert. Leider sehr weit weg, am Rand von Berlin. Da man aber vermutlich ohnehin nicht hineindarf (je nach Politiklage), ist das okay. Sie werden dort noch einmal intensiv mit ihm arbeiten, er soll wieder auf die Beine kommen. Durch das lange Liegen haben die Muskeln abgebaut und er kann sich nur im Rollstuhl fortbewegen. Das Gespräch lässt mich trotz allem frustriert zurück, da ich das Gefühl hatte, sie wolle „den Fall“ einfach an den Nächsten abschieben. Wir können nämlich weder einen Pflegegrad beantragen, noch eine Pflegeberatung nach Hause holen. Man wisse schlicht noch nicht, auf welchem Stand, einmal körperlich, einmal geistig, er nach der Reha sein wird. Durch meine Freundin – die sich auf ein riesiges Weihnachtsgeschenk freuen kann! – weiß ich aber, was für Baustellen in der Wohnung meiner Eltern wir angehen müssen. In fast vier Jahrzehnten sammelt sich ein Haufen Zeug an … Ich habe mir wohlweislich den Mai mit Arbeit freigehalten. Werde ich wohl brauchen.

23.04. Meine Mutter hat eine Tasche gepackt, die ich mir vor dem KH aus dem Auto schnappe. Habe vorher aus meinem Briefkasten den offiziellen Betreuerausweis gezogen, kann mich also sogar ausweisen. Kaufe ihm unten im Foyer noch eine Zeitung und gehe hoch. An der Station hängen immer noch Klingel und Schild, eine Schwester öffnet. Sie trägt eine blaue Haube, einen gelben Kittel und Handschuhe. Ich sage, was ich möchte und dass ich gern meinen Vater mal sehen würde, einfach um die Ecke gucken, sage ich. Dieses „mhm tja“ und das „so“ haben wahre Alpträume bei mir ausgelöst.

Die Schwester zieht mit seiner Tasche los und meint, sie muss fragen gehen. Na gut, denke ich. Mach mal. Halte die Automatiktür aber offen. Plötzlich eine bekannte Stimme hinter mir: Hallo, Dani! Das ist meine Tochter! Mein Vater kommt, in gleicher Kluft wie die Schwester eben von einer Untersuchung in einem Rollstuhl gefahren, den eine weitere Pflegerin vor sich herschiebt. Aber die ist so fix an mir vorbei, dass ich leider keine Gelegenheit habe, auf die Situation zu reagieren.

Also gehe ich einfach hinterher.

Da kommt aber schon eine andere Schwester – in der Kluft sind sie nicht voneinander zu unterscheiden – und meint, ich könne kommen. Draußen gehen Pflegepersonal, Putzkräfte und Ärzte in normaler weißer Arbeitskleidung und ohne Maske umher. Eine ältere Schwester weist mich vor dem Zimmer meines Vaters, wo man ihn schon der Haube und des Kittels entledigt hat, an, den Mantel und die Tasche im Gang zu lassen und mich ebenfalls zu kostümieren. In den Zimmern sei das Vorschrift. Ich lächle unter meiner FFP2-Maske und erkläre, dass ich ihn Wochen nicht gesehen habe und mir völlig gleich ist, wie ich aussehe. Da nickt sie und sagt: Ich sage immer, das Hübsche ist ja auch nur geschminkt. Ich lache und bedanke mich. Eine Plastikbrille hält sie mir noch hin. Haube auf, Kittel (der zwei Bänder hat, mit denen ich kurz kämpfe, immerhin sind die lang genug), Handschuhe und schon bin ich bei ihm. Er ist erst einmal stark auf seine neuen Sachen fixiert. Grüßt nur kurz und verteilt schon Anweisungen, was ich wohin packen soll. Also mache ich es und grinse in mich hinein. Er sieht gut aus, dünner zwar als vorher, aber immer noch ein kleines Bäuchlein. Mit dem Rollstuhl bewegt er sich ganz gut vorwärts, seine Füße tapsen dabei auf dem Boden vorwärts. Wir ziehen ihm ein neues Hemd an, damit ich das alte mitnehmen kann. Dazu steht er kurz auf. Ich bin beruhigt. Die Ärztin schaut noch kurz vorbei, wir plaudern, ich drücke ihn ganz fest und kämme noch seine Haare. Denn ich will vor dem Gehen noch ein Foto machen, meine Tante wartet auch auf Nachricht.

Draußen entledige ich mich der Kluft, unter der man nach einer Weile stark schwitzt, und mache besagtes Foto. Wir winken uns zu und dann bin ich wieder draußen. Ich bin so erleichtert, dass ich wie auf Wolken gehe. Meine Mutter sagt später, ich sei eine Stunde dort gewesen, kam mir gar nicht so lange vor. Wir erledigen unseren Kram, ich helfe ihr die Einkäufe nach oben zu tragen und nach dem Essen räumen wir die Küche zur Hälfte aus und wieder ein. Stolperfallen auf dem Boden gibt es jetzt keine mehr.

Abends ist es spät geworden, sie schaltet die Nachrichten ein. Es wird über das Impfen berichtet. Ach, sage ich, ich bin nach allem fast soweit doch zu sagen, ich lasse mich impfen. Fifty-fifty inzwischen. Meine Mutter verzieht den Mund. Sie sei immer noch unsicher, nach allem, was man über das Zeug so hört. Auf keinen Fall AstraZeneca. Am liebsten den Sputnik, den russischen. Ich merke an, dass die Regierung den sowieso nicht einkaufen wird, nach dem, was politisch gerade wieder falsch läuft. Doch, sagt meine Mutter, ich glaube das machen die bald. Was immer dann wichtiger ist, würde ich sagen, die Gesundheit oder die Politik. Man wird sehen. Frage mich ohnehin ob das, was mit meinen Eltern passiert ist, anders gelaufen wäre, wenn sie geimpft gewesen wären. Mein Vater hat knapp eine Woche vor meinem Geburtstag den Brief bekommen, da war er einen Tag aus dem KH raus. Das hätte ich damals nicht erlaubt, in dem körperlichen Zustand, in dem er war. Da ich der Meinung bin, dass er die Viren da bereits in sich getragen hat, war das auch eine gute Entscheidung. Jetzt dürfen wir ohnehin alle ein halbes Jahr nicht. Und dann muss man weitersehen. Vielleicht hat sich das Chaos bis dahin auch schon gelegt?

25.04. Mein Vater hat gestern alle Familienmitglieder allein angerufen. Auch mich, mehrfach sogar. Leider hat er es dann immer wieder vergessen. Was mir missfällt ist, dass er seit zwei Tagen davon berichtet, wie ruppig das Pflegepersonal mit ihm umgeht. Er kann ja nicht allein laufen und braucht jemanden, der ihn ins Bad bringt und ihm dort hilft. Gut, dass er morgen dort wegkommt.

Spätabends schaffe ich es endlich, mal diese Geriatrie zu googlen, in die er morgen am Montag kommen soll. Leider finden sich überall im www nur sehr, sehr schlechte Bewertungen. Das muss ein echter Saftladen sein und im Februar ging dort zudem noch der Norovirus um. Mir ist so schlecht, dass ich Stunden nicht in den Schlaf finde.

26.04. Ich bringe meinem Vater noch sein Portmonee mit einer Stange Geld ins KH und nehme sein Handy samt Ladeschnur mit (er erinnert den PIN nicht mehr und das Handy verlangt inzwischen die PUK). Sehen darf ich ihn diesmal leider nicht und das obwohl kein Zettel zwecks Besuchsverbot mehr an der Tür hängt. Aber durch den ganzen Stress bin ich ohnehin nicht mehr up to date, was die neuen Regelungen anbelangt und ehrlich gesagt interessiert es mich auch nicht sonderlich. Dieses elende Hin und Her bringt ganz offensichtlich gar nichts. Da, wo es nicht gebraucht wird, gibt es ein zu viel und da, wo es nötig gebraucht wird, ein zu wenig.

Bei meinen Eltern öffne ich seine Post und presse unwillkürlich die Lippen zusammen. Das Gesundheitsamt hat ihm geschrieben. Das Labor hätte ihnen übermittelt, dass er positiv getestet worden sei, er habe sich unverzüglich bei ihnen zu melden. Wenn nicht, dann nach immerhin vier (!) Paragrafen Geldstrafe bis Gefängnis. Meine Mutter murmelt etwas von nicht so hellen Kerzen auf einer Torte, während ich geschlagene drei Stunden versuche, jemanden unter den drei Nummern, die im Schreiben stehen zu erreichen. Unmöglich. Niemand hebt ab. Als ich die allgemeine Nummer wähle heißt es, ich wäre in der Warteschleife. Platz 60, Wartezeit fünfzehn Minuten. Ich lege auf. Nach den drei Stunden versucht es meine Mutter weiter und hat plötzlich eine Kollegin dran, die uns natürlich nicht weiterhelfen kann, weil sie nicht zuständig ist. Aber wenn so lange niemand rangehe, seien die Kolleginnen vermutlich nicht im Haus. So viel dazu …

Mein Vater ruft uns am Nachmittag an. Er sei gut angekommen und man habe ihm wegen dem verpassten Mittagessen noch extra ein Brötchen mit Wurst und Marmelade geschmiert. In seinem Zweibettzimmer gebe es kein Bad, nur ein Waschbecken, die Toilette sei gegenüber auf dem Flur, die sei für alle da. Aber man habe ihm einen Toilettenstuhl gebracht, da „irgend so ein Virus“ im Haus grassiere und den müsse er nun nutzen. Mein Herz sinkt in den Magen. Die Sozialdiensttante vom KH war den ganzen Tag nicht zu erreichen und ich befürchte, dass sie in den Urlaub gegangen ist. Meine Güte, was soll das? Der Mann ist dem Tod noch mal von der Schippe gesprungen, wenn er jetzt Magen-Darm kriegt, war’s das! Wenn ich das googlen konnte, wieso sie nicht?

Es sind diese Tage, die einen so unheimlich schlauchen!

27.04. Dachte ich echt, gestern wäre anstrengend gewesen? Als ich die Sozialdienstdame der Geriatrie am Telefon habe, führe ich ein eher unangenehmes Gespräch, sie hat offenbar keine Lust, beruhigt mich nicht und kann mir auch mit keinem Anliegen weiterhelfen. Am Ende versuche ich, ihr meine Sorge wegen dem Norovirus nahezubringen. Da lacht sie auf diese Weise, wenn man sein Gegenüber nicht ganz ernst nimmt, und meint, den Toilettenstuhl habe mein Vater, da er derjenige sei, der einen Keim mitgebracht habe. Ich bin irritiert. Aber er ist doch covid-negativ getestet worden. Ja, aber er habe ja einen MRSA-Keim, einen dieser resistenten Krankenhauskeime. Ich bin schlagartig still. Das ist mir völlig neu. Das muss ein Irrtum sein, sage ich. Nein, sie habe das selbst in den Unterlagen gelesen, geht an den PC und sucht dort einige Minuten scrollend – und findet nichts. Ich beharre darauf, dass es sich um einen Irrtum handelt, sie will mit der Ärztin sprechen und mich zurückrufen. Weil ich nervös bin, rufe ich die Ärztin im KH an und frage nach. Nein, er habe überall ein Minus, weil er darauf negativ getestet wurde. Auch habe man über dreißig Minuten mit den Ärzten dort am Vortag telefoniert und das sei nie erwähnt worden. Kaum habe ich aufgelegt, ist die Dame vom Sozialdienst dran. Doch, es stimme, es stehe in den Unterlagen, wenn Sie wollen, kann ich es ihnen per Mail schicken. Ich bejahe und will ihr meine Mailadresse geben, als sie zurückrudert, das ginge doch nicht. Es sei im Anmeldebogen angekreuzt und sogar umrandet worden, oben auf dem Blatt stehe noch groß „ISO“. Aber, sage ich, die andere Ärztin sagt gerade, er habe keinen Keim und zudem hätten Sie ihn doch gar nicht aufnehmen dürfen, wenn er so etwas hätte.

Ja, sagt sie, da stimme, aber der Zimmernachbar meines Vaters habe ebenfalls diesen Keim, daher habe es sich angeboten, da beide in ein Isolationszimmer gehen konnten. Die Schwestern gehen da auch nur mit Schutzkleidung hinein. Was?!, sage ich. Aber da kann er sich ja jederzeit anstecken! Mein Vater ist körperlich geschwächt, noch mehr hält er nicht aus! Das erste Mal in diesem Monat, dass ich laut werde. Kommt einfach, ich kann es nicht kontrollieren. Sie schreit zurück, sie habe damit nichts zu tun, ich solle sie in Ruhe damit lassen. Wen ich dann kontaktieren solle? Ja, die Ärztin, aber aus rechtlichen Gründen könne sie mir die Telefonnummer nicht geben. In diesem Moment nicht noch mal laut zu werden, fällt mir schwer. Mit zusammengepressten Zähnen frage ich, wie ich dann die Ärztin erreichen soll. Durch die Station, man verbinde mich weiter. Ich wünsche ihr einen schönen Tag und lege einfach auf. Gut, dass die Frau nächste Woche im Urlaub ist, mit ihr hätte ich, auch aufgrund des ersten Gesprächs, ungern noch einmal telefoniert.

Die Ärztin klingt sehr jung, ist aber wirklich nett und erklärt mir alles. Sie berichtet das Gleiche vom Anmeldebogen, den sie mir per PDF in einer E-Mail zusendet. Es stimmt, irgendjemand hat das angekreuzt, der Fehler liegt beim KH. Leider könne mein Vater nicht sofort aus der Iso rauskommen, denn inzwischen hätte er sich eventuell schon anstecken können. Man muss ihn nun dreimal negativ testen, dann kann er in ein anderes Zimmer. Auch sei mein Vater nicht covid-negativ. Da sei immer noch ein positiv, aber nur geringfügig. Das hätten sie öfter einmal, dass Genesene noch bis zu drei Monate später geringfügig positiv getestet werden würden. Sie sind aber nicht mehr ansteckend. Und genau dieser neue Test ist vermutlich an das Gesundheitsamt gemeldet worden. Ich hoffe im hinteren Teil meines Gehirns, dass das nicht als Neuansteckung gilt, konzentriere mich aber schnell wieder auf das aktuelle Geschehen. Etwa eine Stunde später ruft mich mein Vater an. Er hätte da aufgeschnappt, dass ich mit dem Arzt gesprochen habe. Und zwar als eine Schwester ihm ein Stäbchen in Nase und Mund geschoben habe, um irgendwas zu testen. Ich bin beruhigt, dass sie das getan haben (vermute aber, dass es die Ärztin selbst gewesen ist). Versuche, ihm alles zu erklären und dass er sich von seinem Zimmernachbarn fernhalten soll. Hoffentlich vergisst er es nicht gleich wieder. Immerhin ist mein Vater zufrieden mit dem Essen, das schmecke ihm sehr gut. Man hat später noch Gedächtnistraining mit ihm gemacht und sei mit einem Laufrollstuhl mit ihm durchs Zimmer gelaufen. Das macht er später auch noch allein, um in Übung zu bleiben. Anziehen und Körperpflege kann er auch selbstständig.

Ich führe an dem Tag noch mehr offizielle Telefonate und bin abends platt.

30.04. Mein Vater wurde heute das dritte Mal negativ getestet und darf nun offiziell raus. Auch den Toilettenstuhl ist er los. Das Essen schmeckt ihm hervorragend und er ist sogar einige Minuten auf einem (Steh-)Fahrrad gefahren. Im Zimmer schafft er es bereits, ohne Hilfe zu laufen. Nur das Treppensteigen heute sei zu viel gewesen, vier Stufen, mehr gingen nicht. Ich glaube, ganz so schlecht, wie in den Bewertungen gelesen, ist es dort gar nicht. Man scheint sich gut zu kümmern. Nur dass es kein Bad in den Zimmern gibt, nur ein Waschbecken, gefällt mir nicht. Da haben Gefängnisse ja mehr Standard. Allerdings müssen wir nur noch knapp eine Woche durchhalten und hoffen. Es geht immer ein bisschen mehr aufwärts, habe ich das Gefühl. Schon allein, dass er stimmlich am Telefon wieder so klingt wie vorher, ist eine Erleichterung. Geistig ist er stark vergesslich, aber das ist okay, denn das meiste weiß er noch und kann es selbst entscheiden. Für den Rest hat er jetzt meine Mutter und mich.

Läuft wieder mehr Papierkram auf als gedacht und gehofft. Allein das Amtsgericht … und eine neue Abteilung vom Bezirksamt möchte auch gern mit mir über die Betreuung sprechen. Am 15.06. per Telefon. Irgendwie auch ganz gut, die allgemeine Situation, denn ich hätte zu allem Stress sonst noch überall persönlich erscheinen müssen, oft quer durch die Stadt. So geht es offenbar nun auch per Post und Telefon. Angemeiert bin ich davon, dass man sonst nirgendwo wirklich Hilfe bekommt. Der jeweilige Sozialdienst, sowohl KH als auch Geriatrie, hat meiner Erfahrung nach nicht so unbedingt den Willen. Schwierig zudem die Situation, dass man überall von Ärzten hört: Wissen wir nicht. Können wir Ihnen nicht sagen. Muss man abwarten. Was kommt und wie wir den neuen Alltag händeln (sollen), wissen wir also noch nicht. Anträge stellen, bei denen auch eine Pflegeberatung enthalten wäre, können wir (noch) nicht. Trotzdem bin ich dankbar. Es ist nun leider passiert, aber wir sind alle noch da. Der Rest wird sich finden.

 

Ach ja. Man denkt immer, es trifft einen nicht. Und dann trifft es einen doch. Mein Vater hatte sicher viele Vorerkrankungen (Herz z.B.), aber abgesehen davon ein recht normales Leben, in dem er vielen Aktivitäten nachgegangen ist. Er ist kein „der wäre ja sowieso bald“. Auch meine Mutter kämpft noch mit Nachwirkungen. Sie hört schlechter, ringt manchmal mit dem Gleichgewicht und reagiert an manchen Tagen stark auf zu helles Tageslicht. Was von all dem in zwei Jahren und mehr noch da ist, muss man abwarten.

Das heißt nicht, dass ich nicht immer noch recht skeptisch gegenüber mancher Maßnahmen bin. Oder allem, was unter „freie Meinungsäußerung“ fällt. Und die Medien ... Nun, da ich in der Situation stecke, würde ich mir viel mehr aktive Hilfe wünschen, nicht immer nur Zahlen und Bilder von Intensivstationen, die ohnehin nur zu einer Abstumpfung geführt haben. Wir stecken in einem Dilemma. Auf der einen Seite Erkrankte, auf der anderen jene, die auch leben wollen, denen dazu aber die Möglichkeit fehlt (kein Job, kein Geld …). Gerade als Freiberuflerin verstehe ich das mehr als gut. Vielleicht sollten wir generell über eine andere Herangehensweise nachdenken, denn ein Lockdown nach dem anderen kann nicht die Lösung sein. Ich habe viel gesehen und gehört, das mir die Augen geöffnet hat. Das ganze System krankt – und zwar nicht (nur) an Corona.

Was ich sagen will: Auch wenn es uns zu den Ohren herauskommt, sollten wir die Situation nicht unterschätzen. Corona ist nicht nur Grippe! Und ich glaube nicht, dass sie einfach so verschwinden wird. Wir müssen lernen, mit der Krankheit zu leben – aber dazu muss sich grundsätzlich etwas ändern.

 

„I'm a Nurse: Warum ich meinen Beruf als Krankenschwester liebe – trotz allem - Franziska Böhler



 

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10 Kommentare:

  1. Puh, das war ja ein heftiger April für dich. Schlimm auch, wieviel Chaos da herrschte mit Informationen, Verständigungen, etc.
    Ich hoffe sehr, dass deine Eltern sich weiter erholen und du auch im Mai wieder etwas durchschnaufen kannst.
    Meine Mutter (über 70, aber sehr sportlich - hatte eine bessere Kondition als ich) war nach ihrer Erkrankung im November noch lange sehr kurzatmig, konnte kaum Stiegensteigen, geschweige denn wandern. Eine Bekannte (Mitte 40, keine Vorerkrankungen) musste beatmet werden. Es ist wirklich eine unberechenbare Krankheit.

    Eine andere Herangehensweise bräuchten wir schon seit Monaten. Und jetzt scheint erst recht niemand mehr über langfristige Strategien nachdenken zu wollen, da die Impfung als die seligmachende Lösung gesehen wird. Über ein "und was, wenn nicht" wird nicht geredet. Sehr unbefriedigend, das alles.

    Naja, aber jetzt wünsche ich dir mal von Herzen einen weniger nervenaufreibenden Mai!

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    1. Jup. Und ja, ich hätte mir klare Anweisungen gewünscht, Hilfestellungen oder einfach mal von offizieller Seite ein nettes Wort. Die eine Dame vom Gesundheitsamt möchte ich da positiv nennen, alle anderen waren schlicht gestresst. Ich glaube auch, dass in diesem Land ohne die Hausarztpraxen nichts richtig laufen würde. Und denen macht man es auch immer schwieriger.
      Danke, die guten Wünsche nehme ich gerne an. :) Bisher sieht es gut aus, aber man muss eben sehen ...
      Kurzatmig sind beide bei mir auch. Ich hoffe sehr, dass sich Deine Lieben noch weiter erholen. Niemand weiß ja offenbar so recht, warum das Virus wo und auf welche Weise wirkt.
      Ach, siehst Du. Das ist das andere Problem, das ich schon ewig anspreche: Man weiß nicht was man sagen "darf" und was nicht, ohne gleich ein Aluhütchen aufgesetzt zu bekommen. Aber das mit der "Impfung als Allheilmittel" sehe ich ähnlich. Zumal es mich zusätzlich aufregt, wie schlecht alles rund um die Verteilung organisiert ist. Das hätten die Deutschen wohl einst besser hinbekommen. Da sind wir aber auch wieder bei der Negativauslese in bestimmten Gesellschaftskreisen, die ja auch Fang Fang in ihrem Buch (übrigens für China, es ist also ein globales Problem) angesprochen hat. Meine Befürchtung ist, dass sich am grundsätzlichen Problem nichts ändern wird, weil das vermutlich auch nie angedacht gewesen ist.
      Danke, das wünsche ich mir auch :)

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  2. Liebe Daniela,
    dein Monatsbericht liest sich wie ein Krimi, und ich kann so vieles sehr gut nachvollziehen. Auch ich kann ein Liedchen singen von den ermüdenden Telefonaten, wo A einem was völlig anderes erzählt als B, und C und D haben wieder neue Varianten auf Lager. Glücklicherweise war ich selbst nicht direkt betroffen, weder gesundheitlich noch durch Quarantäne. Was du über die Medien schreibst, da sprichst du mir aus dem Herzen. Die einen verharmlosen und die anderen schüren Panik. Was fehlt, ist eine wirklich sachliche Aufklärung. Auch die Maßnahmen, mal hü und mal hott, machen das alles nicht besser. Mittlerweile weiß man ja gar nicht mehr, was gerade aktuell ist und was man glauben soll und kann. Als du das mit dem Brief geschrieben hast, wo dein Vater darauf hingewiesen wurde, er hätte sich in Quarantäne zu begeben, obwohl er zu dem Zeitpunkt schon lange im Krankenhaus war, musste ich lachen, denn so einen Brief habe ich auch bekommen. Da ich die Vorsorgevollmacht für meine Mutter habe, bekomme ich auch einen Teil ihrer Post zugeschickt, hauptsächlich Rechnungen, aber der Brief mit der Quarantäne kam auch zu mir, weil es im Pflegeheim einen positiven Fall gegeben hatte. Nur war meine Mutter zu der Zeit auch im Krankenhaus (bzw. in zwei verschiedenen Krankenhäusern), und der Brief traf am letzten Tag ihrer "Quarantäne" ein. Es ist der pure Wahnsinn, was da verwaltungstechnisch so alles abläuft. Klar sind die meisten Stellen, die in irgend einer Form beteiligt sind, überfordert, aber ich habe oft das Gefühl, sie stehen sich häufig selbst im Weg und stolpern über ihre eigenen Beine (im übertragenen Sinn).
    Es ist wirklich so, dass man sich auch fast nicht mehr seine Meinung zu sagen traut, weil man sofort in irgend eine Ecke gesteckt wird, sobald man mal nicht mit der Herde blökt. Die wahren Probleme liegen aber nicht nur an Corona, die reichen viel tiefer!
    Ich wünsche dir alles Liebe und viel Kraft und deinen Eltern gute Genesung.
    Liebe Grüße
    Susanne

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  3. Hallo Susanne,
    das sag ich Dir! :)
    Seltsam finde ich daran vor allem, wenn A, B, C und D in einem Büro sitzen. Das muss dann ja wie Stille Post sein, wenn einer was sagt, aber jeder etwas anderes versteht.
    Die Medien und ich werden uns in dieser Sache nicht mehr miteinander anfreunden. Zumal ich auch vermute, dass der Tenor (egal welcher letztendlich) so ein bisschen (pro Medium) vorgegeben ist - da muss man ja quasi beim Beitragschreiben drüber stolpern ... Da ich einige Zeit keinen Kopf und keine Zeit für Medien hatte, war ich betreffs Maßnahmen total raus. Sich da auf den neusten Stand zu bringen: schier unmöglich.
    Ach, sieh an, Du auch :))) Mich hat es ohnehin verwundert, wie man mit diesen Dingen umgeht. Wir waren hier ja recht brav, aber was ist, wenn das jemand so gar nicht einsieht? Oder nicht versteht, was man im Brief von ihm möchte? Wirklich klar formuliert sind die ja auch nicht unbedingt. Wie geht man denn im Pflegeheim in Quarantäne? Den Rest nicke ich genau so ab! Natürlich haben sie auch zu wenig Personal, aber dafür hätte es gute Lösungen gegeben, die dann allerdings von der Politik nicht umgesetzt worden sind.
    Gestern ist eine Corona-Demo am Haus meiner Eltern vorbeigefahren (ich habe sie nur gehört mit ihren Lautsprecherboxen, ich wohne ja nicht weit weg), die fuhren im Auto und hatten Transparente nach dem Motto "Macht nicht so einen Stress wegen einer Grippe!". Meine Mutter hat sich fürchterlich aufgeregt und einer Frau, die im Auto mit offenen Fenster fuhr gesagt, sie habe Corona gehabt und ihr Mann sei fast daran gestorben und die Leute sollten sich schämen. Eine Antwort hat sie nicht bekommen. Das ist defintiv auch für mich zu viel, auch wenn ich Verständnis aufbringen kann, dass die Leute angemeiert sind. Dass man jedoch mit Maßnahmen nicht einverstanden ist und warum und so viele andere Dinge, die muss man einfach sagen "dürfen". Sicherlich gibt es viele, die das nicht hören wollen, aber manches einfach hören müssen. Aber gut, da rede ich auch lange genug.
    Ich würde mir wünschen, dass wir alle das komplette System überdenken, besonders im Gesundheits- und Pflegebereich.
    Danke! Hoffentlich geht es Deiner Mutter auch bald wieder besser.
    LG
    Daniela

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    1. Liebe Daniela,
      du fragst, wie das gehen soll, Quarantäne im Pflegeheim? Bei meiner Mutter sah das so aus, dass sie nach jedem Klinikaufenthalt (sobald sie einmal im Krankenhaus übernachten musste) für zwei Wochen im Seniorenheim in einem Einzelzimmer untergebracht wurde. Da bei ihr die Altersdemenz schon fortgeschritten ist, hat sie es nicht eingesehen, wieso sie in dem Zimmer bleiben soll, und obwohl sie eigentlich nur noch im Rollstuhl saß, hat sie immer wieder versucht, aufzustehen und ist jedes Mal gestürzt. In einer Woche hat fast täglich mein Telefon geklingelt und mich das Heim über einen neuen Sturz informiert. Es war ein ständiges Hin und Her zwischen Krankenhaus und Heim und somit eine andauernde Quarantäne. Mittlerweile ist sie im Heim zurück, aber total bettlägerig. Eine nette Pflegerin hat mir in der vergangenen Woche ermöglicht, sie mal kurz durchs Fenster zu sehen und zu sprechen, und ich habe das dumpfe Gefühl, es könnte das letzte Mal gewesen sein, dass ich sie gesehen habe.
      Ja, die Pflegekräfte sind komplett überlastet, aber wie du schon sagst, da krankt das ganze System.
      Liebe Grüße
      Susanne

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    2. Hallo Susanne,
      ei-ei. Das ist heftig. Ich verstehe, dass man vorsichtig sein muss, aber sagen wir mal so: Manches macht Sinn, anderes definitiv nicht. Es tut mir immer leid, wenn ich so etwas lesen muss.
      Ich drücke Euch beiden die Daumen!
      LG
      Daniela

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  4. Oha, das war ja ein nervenaufreibender Monat bei dir. :O Ich drücke die Daumen, dass es deinem Vater bald besser geht und der Mai entspannter wird!

    In meinem Umfeld ist die Lage bisher zum Glück sehr entspannt geblieben, aber in Schleswig-Holstein sind die Fallzahlen auch generell nicht so hoch wie in anderen Bundesländern... Ich bin aber auch sehr froh, dass meine Eltern, meine Oma und meine jüngste Schwester bereits die erste Impfung hinter sich haben. Besonders bei meiner Mutter wäre eine Ansteckung sicherlich nicht gut verlaufen, da ihr Immunsystem immer noch im Keller ist (sie nimmt dauerhaft Chemo-Tabletten).

    Kann man nur hoffen, dass es irgendwann dieses Jahr wieder besser mit der Pandemie wird. Wobei ich das mit Blick auf Indien aktuell bezweifle... :/

    Liebe Grüße
    Alica

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    1. Hallo Alica,
      jup, sehr :) Danke, es geht ihm jeden Tag ein bisschen besser. Jetzt wissen wir auch, wann er endlich wieder nach Hause kommt. Da war er dann fast anderthalb Monate fort.
      Einige ältere Verwandte haben nun auch die erste Impfung. Ich frage mich immer noch, ob das wirklich hilft. Aber auch das wird man abwarten müssen.
      Hoffentlich geht es Deiner Mutter bald besser!
      Obwohl Indien auch andere Voraussetzungen hat als Deutschland. Inwiefern man da vergleichen sollte? Mir tun die Menschen dort sehr leid, aber wenn ich das richtig gelesen habe, ist Hilfe bereits unterwegs.
      Wie gesagt, ich glaube nicht, dass wir Corona "besiegen" werden, die Krankheit bleibt. Das System drumherum müsste verändert werden, aber dazu braucht es schlicht andere Herangehensweisen.
      Ich drück uns allen die Daumen!

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  5. Liebe Daniela,
    was für ein Monat, in dem alles zusammenkam. Das hätte ich euch nicht gewünscht ... dementsprechend kann ich jetzt nur sagen: ich wünsche euch alles Gute und dass der Mai besser zu euch ist!
    Das Corona kein Märchen ist und dass darüber nachgedacht werden muss wie ein Leben nach der Pandemie aussieht, sehe ich genauso wie du. Ich kann es immer gar nicht fassen, wenn ich auf Leugner oder Semi-Leugner treffe. Kommt mir immer so vor als ob man einem Fabelwesen begegnet, aber nicht auf die gute Art ...

    Liebe Grüße und alles Gute!

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    1. Hallo und schön, dass Du mal wieder reinschaust! Ich bin die letzten Wochen leider zu gar nichts weiter gekommen ...
      Mein Vater ist seit einigen Tagen zu Hause und sieht gut aus, er schafft es sogar, in der Wohnung nur mit Stock zu laufen. Die Strecken draußen am Rollator sind noch kurz, aber er ist motiviert.
      Komplette Leugner der Krankheit habe ich bisher noch nicht erlebt, nur eben jene, die glauben, das sei nicht so schlimm, außer für Vorerkrankte. Leider werden alle, die sich kritisch zeigen mit diesen in einen Topf gesteckt, was ich persönlich gefährlich finde. Denn es darf gerne mehr als eine Sichtweise geben. ;-)
      Danke Dir!

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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