Titel: Madame 60a
Autorin: Henriette Valet
Originaltitel: MADAME 60 BIS
Verlag: Das Kulturelle Gedächtnis
ISBN: 978-3946990628
Euro: 24,00
Veröffentlichungsdatum: Februar 2022
Seiten: 232
Serie: nein
Come in: vom Verlag
Inhalt/Klappentext
Das Hôtel-Dieu, im Schatten der Pariser
Kathedrale Notre-Dame, nimmt seit Jahrhunderten mittellose Schwangere auf, die
kurz vor der Entbindung stehen und nicht wissen, wohin. Es ist ein Mikrokosmos,
der die Gesellschaft unter Extrembedingungen spiegelt - und doch weiß man wenig
über die konkreten Bedingungen, das Erleben an diesem vielfach tabuisierten
Ort. In den Jahren um 1930 betritt eine junge Frau dieses Heim. In den
überfüllten Saal wird, zwischen die Nummern 60 und 61, ein weiteres Bett
geschoben: 60a. Henriette Valets Roman Madame 60a begleitet die namenlose, aber
nummerierte Protagonistin bis zur Geburt ihres Kindes und zur Entlassung aus
dem Hôtel-Dieu. Wir sehen die Routinen und Schmerzen, die Gehässigkeit und
Verzweiflung der Frauen, aber auch ihre Freimütigkeit und ihren Zusammenhalt.
Die Niedertracht der Situation, in die sie geraten sind, konzentriert die
Niedertracht einer ganzen Gesellschaft. Valets Beobachtungen sind
unbestechlich, ungeschönt, aber Madame 60a gestattet sich selbst keine Verbitterung:
Gegen die Unterdrückung der Frauen ebenso wie gegen deren Resignation erhebt
sie eine wütende und ergreifende Anklage.
Meinung
Die Autorin schafft es meisterlich, das Leben der einfachen Leute im Leben der Frauen und Mädchen zu spiegeln. Eine ist Dienstmädchen, aber mit ihrem Maurer trotz unehelich doch stark in Liebe verbunden. Ein anderes Dienstmädchen hat weniger Glück, kein Mann und die Herrin gibt vor, dass sie wieder zur Arbeit kommen könne, aber nur ohne Kind (wegen dem Fehltritt). Eine Ehefrau, die bereits zahlreiche Kinder hat, aber kein Geld, um Schwangerschaft und Geburt durchzustehen. Ein junges Mädchen, das kaum wusste, was geschieht und plötzlich schwanger war. Andere, die von den Eltern verjagt wurden oder auf der Straße leben … Es ist eine bunte Mischung zusammengekommen. Die Frauen teilen sich in kleinere Grüppchen, sitzen aber doch alle im gleichen Boot, ohne dass es ihnen so recht bewusst wird. Es ist nicht „der Mann“ oder die „Männerwelt“, die in meinen subjektiven Augen vordergründig angeklagt wird. Es sind Umstände, die die Väter/Erzeuger ebenfalls nicht steuern können, einige finden sich damit ab und bleiben dennoch menschlich, andere nutzen, was sich ihnen bietet. Es ist der Kapitalismus, der für das Unglück der Frauen sorgt. Jene, die alles zu haben scheinen – Frauen mit Geld bringen ihre Kinder zu Hause und unter hygienischen Umständen zur Welt – und jene, die nichts bis gar nichts besitzen und trotz harter Arbeit auch nie etwas Nennenswertes besitzen werden. Und Erstere, die sich, um sich bei Gott „freizukaufen“, eben Almosen stiften.
Es ist schwer, sich von den Zeilen von Valets Geschichte zu lösen, es fliegt Seite um Seite vorbei. Eine Erzählung, die auf den ersten Blick schlicht wirkt, sich aber stetig erweitert und einen Blick auf eine Gesellschaft freigibt, die aus rein weiblicher Sicht erzählt und ohne Zeigefinger auch angeklagt wird. Dennoch aber auch die Stärke der Frauen betont, wenn leider nicht alle ohne neue Not aus der Situation hervorgehen.
Danke an den Verlag, der dieses wichtige Stück Zeitgeschichte übersetzt und veröffentlicht hat.
Henriette Valet (1900-1993) wird in Paris in bescheidenen Verhältnissen geboren. Sie wächst in der Auvergne auf, wo sie beginnt, als Telefonistin zu arbeiten, ehe sie 1924 zurück nach Paris zieht. Dort findet sie Anschluss an linke Intellektuellen- und Künstlerkreise. Für Arbeiter- und Gewerkschaftszeitschriften schreibt sie sowohl journalistisch als auch literarisch. Ihr erster Roman, Madame 60a, erscheint 1934 bei Grasset. 1936 heiratet sie den marxistischen Philosophen und Soziologen Henri Lefebvre, mit dem zusammen sie den Roman Le mauvais temps (Grasset 1937) schreibt. Nach dem Weltkrieg spielt man in Paris ein Theaterstück von ihr, danach verliert sich ihre literarische Spur. Sie stirbt 1993 in Paris.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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