Dienstag, 14. August 2018

Die Frau, die liebte - Janet Lewis

Titel: Die Frau, die liebte
Autorin: Janet Lewis
Originaltitel: The wife of Martin Guerre
Verlag: Dtv
ISBN: 978-3423281553
Euro: 18,00
Veröffentlichungsdatum: März 2018
Seiten: 136
Kein Serientitel
Come in: Tausch









Janet Lewis, die bereits 1998 verstarb, hat sich in den 1940er Jahren einem der bekanntesten Justizfälle Frankreichs angenommen und literarisch umgesetzt. Der Stoff wurde 1982 mit Gérard Depardieu ("Die Wiederkehr des Martin Guerre") und 1993 mit Jodi Foster ("Sommersby") verfilmt , hat aber leider dennoch keine Übersetzung ins Deutsche bewirkt. Dieser Umstand wurde im März 2018 behoben; im Original ist Lewis' Leistung längst anerkannt, in Deutschland ist sie leider bisher unentdeckt geblieben.

Die zwölfjährige Bertrande, Tochter eines Großbauern im Frankreich des 16. Jahrhunderts wird mit dem gleichaltrigen Martin verheiratet - ein Zweckbündnis, um die jahrelange Fehde zwischen den Familien zu beenden. Schon auf der Hochzeitsfeier kneift sie der Ehemann gehörig, ein Zeichen für die Zukunft, denn ein netter, umgänglicher Kerl ist er nicht. Einige Jahre später zieht Bertrande dann zum Ehemann und dessen Familie, gottesfürchtige, fleißige Leute und findet ihren Platz. Besonders nach der Geburt des sehr geliebten Sohnes, scheint alles perfekt. Doch Martin Guerre ist eigensinnig, stürmisch im Wesen und handelt entgegen dem Willen seines Vaters - ein Frevel, denn noch ist dieser Herr des Hauses. Aus Furcht will Martin wenige Wochen aus der Gegend verschwinden, bis sich der Zorn des Älteren abgekühlt hat. Es werden viele Jahre, acht um genau zu sein, daraus. Aber der Mann, der wiederkehrt, scheint verändert. Ja, er sieht Martin, der nur ein Junge war und nun erwachsen ist, sehr ähnlich, aber er ist verständig, freundlich, gerecht. Etwas, das nicht zum alten Martin passen will. Bertrande befallen Zweifel, ob dieser gutaussehende Mann an ihrer Seite auch wirklich der ihre ist. Ist er es nicht, versündigt sie sich an allem, woran sie immer geglaubt hat. Als sich Zweifel und Indizien mehren, strengt die selbstbewusste Frau einen spektakulären Prozess an.

Dtv hat ein sehr dünnes Büchlein mit einem Allerweltstitel veröffentlicht, das nur auf über hundert Seiten kommt, weil noch ein Nachwort von Judith Hermann hinten angefügt wurde. Wer zugreift sollte sich daher klarmachen, dass es sich nicht um einen klassischen Roman handelt. Es sind Momentaufnahmen, treffend und sehr bildlich, die ineinandergreifen und sich zu einer Erzählung zusammenfinden. Lewis ist es dabei nicht nur gelungen, eine sehr dichte Atmosphäre einzufangen, die zu Ort und Zeit hervorragend passt, sie baut auch gekonnt einen Spannungsbogen auf, der zufriedenstellend ausläuft. Eine Verfilmung jedenfalls kann daneben nur verlieren.

Bertrande und ihre Gefühlswelt wird von außen betrachtet, dennoch gelingt es, ein Bild der jungen Frau vom Mädchen hin zur in sich gefestigten Frau, die Jahre allein einen Hof führen musste, zu zeichnen. Ihre Zweifel, ihre inneren Nöte werden anschaulich gezeigt, wenn es auch oberflächlich verbleibt. Aus heutiger Sicht vermutlich unverständlich, weshalb sie den charmanten, gutaussehenden und sie auf Händen tragenden Mann quasi verrät, doch gelingt es der Autorin, deutlich zu machen, wie sich das Leben im 16. Jahrhundert vom heutigen differenziert: Moral, Religion und Alltag bedingten ein Weltbild, das sich deutlich vom unsrigen unterscheidet. Und ganz nebenbei die Frage, ob sie dem "Fremden" vetrauen kann - besonders das trägt Bertrande um, was Lewis sehr lebendig schildert.

Für Kenner von "Sommersby" wird es keine Überraschungen geben, jene Leser aber, die die Story noch nicht kennen, werden am Ende vermutlich überrascht sein. Zu wissen, dass dies einst wirklich geschehen ist, macht nur einen der vielen Reize von "Die Frau, die liebte" aus.
Die Erzählung ist übrigens nur eine von dreien, in denen historische Kriminalfälle von Janet Lewis näher betrachtet werden.



Janet Lewis (1899 - 1998) wurde in Chicago geboren und lebte zumeist in Kalifornien. Früh begann sie, Gedichte zu veröffentlichen. Zusammen mit ihrem Mann, dem Dichter Yvor Winters, war sie ihr Leben lang politisch streitbar und aktiv, vehemente Kriegsgegnerin und Fürsprecherin der Indianer und Schwarzen. Mit ›Die Frau, die liebte‹ griff Janet Lewis einen der berühmtesten Justizfälle Frankreichs auf und schuf den fulminanten Auftakt zu ihrer Trilogie um strittige Justizfälle. Gleichwohl ist sie in Europa bis heute völlig unbekannt.

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