Titel: Die Toten von nebenan
Autorin: Olivia Monti
Originaltitel, 296 Seiten
ISBN: 978-3991309062
Euro: 27,10
Erscheinungsdatum: Juli 2025
https://olivia-kleinknecht.com/
Text von Olivia Monti
Von 2014 bis 2022 habe ich mich um meine
pflegebedürftige Mama gekümmert. Warum tust du so etwas, fragten so einige
FreundInnen? Einfach, weil ich sie liebe, gab ich zur Antwort. Ein Heim kam da
nicht in Frage. Zwei Jahre vor ihrem Tod zog ich ganz zu ihr, wieder zurück in
mein Elternhaus nach Ludwigsburg.
Ich mochte Ludwigsburg nicht besonders und auch
nicht unsere Gegend, sobald ich kein Kind mehr war. Ich fand sie trüb und
spießig. Noch weniger mochte ich sie, nachdem ich in meinen Zwanzigern und
Dreißigern zehn Jahre in Florenz verbracht hatte. Doch dann kehrte ich zurück,
was ich im Leben lange für undenkbar gehalten hatte, schwebten doch dieses
Ludwigsburg und die Elbinger Straße in meinem Gehirn quasi als Albtraum herum,
in den ich nie mehr zurückversetzt werden wollte.
Da ich mich intensiver um meine Mama sorgte,
wenn ich räumlich von ihr hunderte Kilometer getrennt wohnte, und Sorgen einen
sehr schmerzhaft plagen können, blieb mir gar nichts anderes übrig, als im
fortgeschrittenen Stadium ihrer Hilflosigkeit wieder zu ihr zu ziehen. Sie bei
mir zu haben, im selben Haus, war ungemein beruhigend. Auch wenn sie in den
letzten Jahren nichts mehr sprach, genoss ich doch immer wieder, neben ihr zu
sitzen, genoss ich, dass sie noch da war. Schreiben konnte ich überall, meine
Lebenspartner lebten schon lange nicht mehr und Kinder, wenn ich sie denn
gehabt hätte, wären vermutlich selbständig. Von daher stand dem Umzug nach
Ludwigsburg nichts entgegen. Die Umgebung, nach wie vor öde in meinen Augen,
verwandelte ich für mich, indem ich die vielen leerstehenden Häuser und
Wohnungen mit Geschichten möblierte. Ich schrieb einen Roman über die Elbinger
Straße, die angrenzenden Straßen, über das gesamte Viertel. Im Roman treten
sowohl die dort Lebenden als auch die Toten auf, die ehemals dort lebten. -
Fiktive und reale Charaktere sind gemischt, wobei ich den realen zumeist nur
einen Anklang an den Namen entliehen, ihnen im Übrigen fast alles angedichtet
habe. -
Das Viertel hat sich bereits während des
Schreibens für mich zu meinem Vorteil verändert. Inzwischen gehe ich an den
Häusern mit guten Gefühlen vorbei, weil dort meine Figuren wohnen, sympathische
und weniger sympathische …, etwa die tote Frau Meilner, früh Witwe, die weder
zu ihrem Mann, noch zu ihrem Sohn je eine Beziehung hatte. Ihre ebenso
verstorbene Nachbarin Fräulein Kanter, alte Jungfer, schwärmerische Sekretärin
des Rektors einer Grundschule. Die verschiedenen Schwestern Henne, die mit
ihrer Mutter ein Handarbeitsgeschäft führten und zu Lebzeiten stramme Nazis
waren. Der noch lebende Dr. Krepp, wissensdurstiger Chemielehrer, das
griechische Rentnerpaar Mitsozakis, das nun das Henne-Haus bewohnt, die junge
syrische Familie Kahlifa, die in Fräulein Kanters Wohnung eingemietet ist und
so einige mehr.
Als Frau Löffler sich nach einem Fahrradunfall
auf den Heimweg macht, hat sich ihr Wohnviertel tiefgreifend verändert. Überall
trifft sie auf längst verstorbene Nachbarn. Bald stellt sie fest: Sie selbst
ist eine der Toten.
Das Dasein nach dem Tod ist behaglich. Die
meisten bewohnen ihre alten Häuser und führen ihre gewohnten Routinen fort.
Doch alles verändert sich, als Herr Tober ins Viertel zieht und die Toten dazu
anstachelt, die Lebenden aus dem Viertel zu vertreiben, um ihre Häuser wieder
ganz für sich zu beanspruchen.
Es ist jetzt im Viertel, zumindest auf einer
Metaebene, etwas los, sogar viel los. Es ist richtig aufregend geworden. Ich
habe mir das Viertel wieder angeeignet, zu meinem Viertel gemacht. Und es war
leichter, die nervenaufreibenden Jahre an einem Ort zu verbringen, den man
nicht am liebsten verleugnet, sondern erneut als Zuhause annimmt.
Meine Mama verstarb am 30. April. 2022. Auf
ihrem Grabstein steht OMNIA VINCIT AMOR (Die Liebe siegt über alles).

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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