Freitag, 21. Mai 2021

Das Zeitalter der Einsamkeit - Noreena Hertz

 


Titel: Das Zeitalter der Einsamkeit

Autor: Noreena Hertz

Originaltitel: The Lonely Century

Verlag: HarperCollins

ISBN: 978-3749901159

Euro: 22,00

Veröffentlichungsdatum: März 2021

Seiten: 448

Serie: nein

Come in: vom Verlag

 

 

 

Inhalt/Klappentext
Auf der ganzen Welt fühlen sich die Menschen so allein, abgeschottet und entfremdet wie nie. Dies war schon vor Corona so, doch bei vielen hat der Lockdown dieses Gefühl noch einmal verstärkt.

Noreena Hertz, Professorin für Ökonomie, geht den Ursachen dieser beunruhigenden Entwicklung nach, indem sie Einsamkeit nicht nur als persönlichen , sondern als politischen Zustand begreift, dessen Folgen extreme Züge annehmen: Für ein Gemeinschaftsgefühl gehen in Japan viele ältere Frauen mittlerweile lieber ins Gefängnis, anstatt weiter allein zu Hause zu leben. Großbritannien rief als erstes Land der Welt 2018 ein »Ministerium für Einsamkeit« ins Leben. Auch in Deutschland halten zwei Drittel der Bevölkerung Einsamkeit für ein ernstes Problem.

Wie konnte es soweit kommen? Und was müssen wir tun, um wieder eine Verbindung zueinander aufzubauen? Gesellschaftsanalyse, Kapitalismuskritik und Weckruf zugleich, trifft das Buch den Nerv unserer Zeit

 


Meinung

Seit Corona ist das Thema Einsamkeit verstärkt in das Bewusstsein der Menschen gerückt. Aber es ist kein neues Phänomen, denn schon zuvor hat sich ein deutlicher Trend abgezeichnet, dem laut Noreena Hertz zukünftig verstärkt gesellschaftlich und auch politisch begegnet werden muss. In ihrem intelligenten, umfassenden Werk schildert die Professorin für Ökonomie die Entstehung, Entwicklung, Ausprägung von Einsamkeit und das weltweit. Nicht nur gesellschaftlich bahnt sich eine zukünftige Katastrophe an, auch wirtschaftlich muss mit einigem gerechnet werden. Was Einsamkeit mit uns macht und wieso in jüngster Vergangenheit nicht nur diverse Gruppen Zulauf erfahren haben, sondern auch der Umgang der Menschen miteinander immer öfter und besonders digital leidet, beschreibt Hertz sehr anschaulich. Es haben sich sogar schon erste neue Businesszweige entwickelt. In etwa ist es möglich sich eine beste Freundin zu mieten. Jemanden, der mit einem einen Kaffee trinken geht oder einfach zuhört. Früher hieß das „Gesellschafterin“, heute zahlt man um die vierzig Euro die Stunde an Rent-a-friend, um nicht allein zu einer Party gehen zu müssen oder ein paar Komplimente („Hübsches Kleid!“) zu erhalten.
Die Entwicklungen, die Arbeitsmarkt, Verstädterung und Politik begünstigt haben, waren mir dabei klar. Wohin das alles jedoch in den letzten Jahren gekommen ist, war mir neu. In etwa gibt es die sog. defensive Architektur, die es darauf anlegt, Begegnungen mit anderen Menschen zu verhindern. Das betrifft in etwa Parkbänke, die weniger geworden oder ganz abgeschafft worden sind. Sitze an Bushaltestellen, die abgeschrägt wurden, damit man zwar kurz darauf auf den Bus warten, aber sicher nicht länger verweilen kann, will man keine Rückenschmerzen riskieren. Am ärgerlichsten: Bestimmte Plätze oder Bänke haben „Stacheln“ bekommen, damit kein Obdachloser auf ihnen nächtigen kann. Was früher ein Zusammenkommen z. B. in Parks war, nennt sich heute „herumlungern“. Es werden bestimmte Lautsprecher an öffentlichen Plätzen oder auf Supermarktparkplätzen installiert, die einen Ton aussenden, den nur Jugendliche hören können, die diesen so unangenehm empfinden, dass sie sich einen anderen Platz suchen.
Doch nicht nur im öffentlichen Raum draußen haben umfassende Veränderungen stattgefunden. Auch in den meisten Büros wurde daran gearbeitet, Mitarbeiter voneinander zu separieren, vorgeblich, um deren Leistungsfähigkeit zu maximieren. Die Trennwände in Großraumbüros sind allgemein bekannt. Dass aber genau dies zu einer neuen Form von Einsamkeit und damit zu einer Leistungsschwächung geführt hat, weist Hertz anschaulich nach.
Doch nicht nur im Alltag der Menschen greift Einsamkeit um sich. Auch in der Politik fühlen sich immer weniger Bürger zu einer bestimmten Gruppe/Gruppierung zugehörig. Vor allem jene, die von Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit oder einfach ökonomischem Verlust bedroht und/oder betroffen sind, fühlen sich dadurch isoliert und einfach abgehängt. Eine Sache, die sich durch Corona sehr stark vermehrt haben dürfte!
Insgesamt ginge das Gemeinschaftsgefühl immer stärker verloren, schreibt Hertz und darin möchte ich ihr in jedem Fall zustimmen. Ihre Ausführungen sind so interessant wie treffend. In jedem Fall sei die Politik gefragt, wenn es darum ginge, nicht nur auf ein Wirtschaftswachstum zu schauen, sondern sich vermehrt auf die Bürger und ihre Befindlichkeiten zu orientieren. In den meisten Stadtvierteln kenne man sich nicht mehr (auch aufgrund vermehrter Einwanderung und der damit einhergehenden Kulturunterschiede, wie die Autorin beschreibt), Bibliotheken und Gemeindehäuser würden, oft aus finanziellen Gründen, geschlossen. Kirchen verlören ihr Klientel, damit die Bürger eine weitere Begegnungsstätte. Eben diese gingen auch durch die bereits beschriebene Architektur verloren. Dazu die neue Einsamkeit am Arbeitsplatz (sofern der noch vorhanden ist). Viele Menschen leben zudem in Singlehaushalten.
Das Problem ist da und ich sehe, was die Autorin sagen möchte. Ich stimme in allem mit ihr überein. Außer in einer Sache. Denn Hertz hat die Gruppe derer, die sich aufgrund der Vereinsamung herausbildet, näher definiert: als Rechtspopulisten und Trump-Wähler. Das ist im Übrigen keine Konsequenz bei ihr, vielmehr beginnt sie mit dieser Gruppe und Argumentation und wie es, ihrer Meinung nach, dazu gekommen ist, dass sich diese gebildet hat. Daher wäre schon fast im ersten Drittel Schluss für mich gewesen, aber ich war an den anderen Punkten interessiert, die wie gesagt, hervorragend geschildert und aufgezählt wurden. Aber als eine so umfassend gebildete Autorin zu so einem profanen Schluss zu kommen, das war in meinen Augen selbst schlicht populistisch und zudem absolut unverständlich. Die Gruppe existiert, keine Frage, aber sie dürfte wesentlich mehr Extreme enthalten als diese beiden. Natürlich kann man aufgrund des aktuellen Zeitgeistes eher ein Buch verkaufen, wenn man ihn aufgreift. Ob das allerdings sein muss, ist die andere Frage.
Wer sich für das Phänomen Einsamkeit interessiert oder generell ein paar Veränderungen der Gesellschaft, sollte zugreifen. Sehr stringent aufgebaut, argumentatorisch nachvollziehbar und mit diversen neuen Erkenntnissen. Über den Rest einfach hinweglesen.

 

Noreena Hertz, geboren 1967 in London, ist Professorin für Ökonomie. Mit ihrem Bestseller »Wir lassen uns nicht kaufen« (»The Silent Takeover«, 2001) wurde sie weltweit bekannt. Ihre Artikel erscheinen u. a. in der New York Times, The Guardian, DIE ZEIT, El País. Sie war Key-Note-Speakerin bei Google Zeitgeist, TED und dem Wirtschaftsforum in Davos; ihre Bücher wurden in 22 Sprachen übersetzt. Noreena Hertz gehört zu Großbritanniens bekanntesten Intellektuellen.

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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