Donnerstag, 10. April 2025

Geht so - Beatriz Serrano

 

Marisa arbeitet in einer Madrider Werbeagentur – und erträgt ihr Leben nur mit Antidepressiva. Als ihr Chef ein Teambuilding-Wochenende plant, muss sie sich ihren Ängsten stellen.

 

 


Titel: Geht so
Autorin: Beatriz Serrano
Originaltitel: El descontento
Verlag: ‎Eichborn
ISBN: ‎978-3847902126 
Euro: 22,00
Veröffentlichungsdatum: März 2025
Seiten: 240
Serie: nein
Come in: vorablesen.de

 

 

 

Inhalt
Marisa arbeitet in einer Madrider Werbeagentur in leitender Position. Sie kleidet sich schick und gibt ihr gutes Gehalt gern aus. Mit ihrem Nachbarn verbindet sie eine lose Beziehung, die auch intim werden kann. Nach außen ein gutes Leben für eine Dreißigjährige. Doch Marisa erträgt ihren Alltag nur mit Antidepressiva und übermäßigem Social-Media-Konsum. Sie hasst ihren Job und täuscht alles nur vor. Als ihr Chef ein Teambuilding-Wochenende plant, muss sie sich ihren Ängsten stellen. Aber was will sie eigentlich vom Leben?

 

 


Meinung
„Geht so“ wurde aus dem Spanischen übersetzt und dort zu einem Hit. Die Autorin hat mit ihrer Protagonistin den perfekten Querschnitt einer jungen Frau um die dreißig in der westlichen Welt gefunden. Sie hat ein normales Elternhaus, gute Bildung, blieb dann jedoch in irgendeinem Job hängen, der nicht ihren Fähigkeiten entspricht und den sie nicht mag, den sie aber wegen des Geldes nicht kündigen kann. Ein Bullshit-Job eben. Marisa ist zudem noch introvertiert und sozial ziemlich isoliert. Die meisten Beziehungen kennt sie nur noch „von früher“ und über Social-Media-Kanäle. Die meisten Kollegen mag sie nicht recht, schaut zuweilen auch ein wenig auf sie herab. Nur die eine, die vor einem Jahr verschied, mit der, dachte sie, habe sie einen echten Draht. Was genau eigentlich ihre Jobbeschreibung ist, weiß sie nicht, aber sie weiß, wie man „Büro spielt“. Das schildert Serrano mit so viel Wortwitz, dass es ein Vergnügen ist, Seite um Seite vorbeifliegen zu sehen. Sie trifft es genau auf den Punkt, vermischt mit viel Kritik und beißender Schärfe. „Ich lade eine der Powerpoint-Präsentationen herunter. Als ich sie öffne, verliere ich sofort jeden Lebenswillen.“ (S. 117) Sie täuscht mehr vor, als eigentlich dahintersteckt und das mit sehr viel Professionalität. Ihre Arbeit erledigt sie dann in einer Stunde, weil sie sich schlicht inspirieren lässt, sei es aus dem Internet oder von (noch) motivierten Studenten, vor denen sie einen Gastkurs abhalten soll. Ihr Alltag besteht jedoch aus Antidepressiva und jeder Menge Filmchen in youtube. Beides soll sie betäuben, ihr dabei helfen, nicht auch den letzten Lebenswillen zu verlieren.

Marisa spielt viel vor – bis genau das eben nicht mehr geht. Ihr Chef setzt ein Wochenende, bestehend aus zwei Tagen zur Teambildung an. Und Marisa soll darüber hinaus auch noch einen Workshop abhalten: Wie man am besten kreativ ist. Bis es aber so weit ist – und der Klappentext erzählt im Prinzip leider die gesamte Story – dauert es eine ganze Weile. Dies ist keine sehr handlungsgesteuerte Erzählung, hier geht es um die Person Marisa und ihr Innenleben. Ohne sie und ihren Gemütszustand zu kennen, kann das Wochenende nicht funktionieren, deswegen nimmt sich die Autorin Zeit, ehe es überhaupt kommt. Und es kommt gewaltig. Man muss schon einen etwas abgedrehten Humor haben, dann aber ist das Buch genau das Richtige!

Am Ende – Achtung, ab hier Spoiler! – jedoch hat die Autorin den letzten Kniff nicht richtig hinbekommen. Natürlich gibt es eine Art Happy End, auch wenn das nicht ohne großen Knall abläuft. Doch es bleibt zu viel offen. Die Kollegen haben gecheckt, was an dem Wochenende abging, aber haben sie auch herausgefunden, dass Marisa dahintersteckt? Ihr Nachbar, mit dem sie manchmal intim verkehrte, wollte nicht mit ihr in den Urlaub fahren, soll aber nun als Familie gelten? Ebenso wie die ehemals beste Freundin, die sie ein Jahrzehnt nicht gesehen und nur flüchtig wiedergetroffen hat? Und der Unfall, das Fehlen einiger Gliedmaßen … was genau möchte die Autorin damit sagen? Sie hätte ihrer Protagonistin irgendeine Art Anstoß zum eigenen Verändern ihres Lebens geben sollen, dann wäre das ein Hit. Aber so wird es abstrus bis unglaubhaft und kann am Ende noch nicht einmal mit Tiefe glänzen. Nichtsdestotrotz eine gelungene kleine Erzählung, die viel auf den Punkt bringt, hervorragend geschrieben, authentisches Innenleben einer fiktiven, aber unfassbar echt wirkenden jungen Frau von heute.

 

Ähnliche Titel (mit Feminismus, Angstzuständen, Depressionen, Bullshit-Jobs, etc. und der Frage, was man vom Leben eigentlich will im modernen Leben von heute):

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Beatriz Serrano, geboren 1989, studierte Journalismus an der Complutense Universität in Madrid und schrieb für Medien wie BuzzFeed, Vanity Fair, GQ, Harper's Bazaar oder Vogue. Derzeit arbeitet sie für El País. Zusammen mit dem Schriftsteller Guillermo Alonso ist sie Host des Podcasts Arsénico Caviar, der 2023 mit dem Ondas-Preis als bester Gesprächspodcast ausgezeichnet wurde. Beatriz Serrano lebt in Madrid.

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