Wer erinnert sich an dieses Datum oder hat
generell schon einmal davon gehört? Laut diverser Medien dieser Tage kennt es
nur jeder zweite in Deutschland. Das ist schade.
Da Bücherwürmer sich einem Thema gern
literarisch nähern, habe ich eine lose Auswahl an Büchern diverser Gattungen
zusammengestellt, die sich mit diesen wenigen Tagen beschäftigen. Schon die
Klappentexte erzählen ganz viel davon.
Zweierlei
Grün - Marita Rock
Die Zeit des Kalten Krieges. Deutschland ist
zwischen den vier Siegermächten aufgeteilt. In Berlin prallen die Systeme
aufeinander. Berlin ist Frontstadt und Schaufenster. Die Bevölkerung versucht,
das alltägliche Leben zu meistern.
Die Unruhen 1953 polarisieren die Berliner mehr
als je zu vor.
So auch die Familien Riemer und Fichte. Beide
Familien werden zerreißen, ein Teil geht in den Westen, der andere bleibt in
Ost-Berlin. Dazwischen steht Marie Christine Riemer, die nicht wählen darf,
weil sie noch ein Kind ist. Als 1961 die Mauer errichtet wird, als sichtbares
Fanal der Teilung, ist die Trennung endgültig.
Der Zwiespalt spitzt sich für Christine Riemer
im Laufe der Jahre zu, sie sucht ihren Weg, sie sucht ihr individuelles Glück.
Sie schwankt zwischen Anpassung und Ungehorsam, Gehen oder Bleiben.
Die
Plebejer proben den Aufstand: Ein deutsches Trauerspiel - Günter Grass
Am 17. Juni 1953 gingen die Bauarbeiter der
Berliner Stalinallee auf die Straße, um gegen unzumutbare Normerhöhungen zu
demonstrieren. So begann ein spontaner Aufstand aus konkretem Anlass, der
manchem Intellektuellen nicht durchdacht genug erschien. In "Die Plebejer
proben den Aufstand", der wichtigsten Theaterarbeit von Günter Grass, geht
es um Macht und Ohnmacht, um Hochmütige und Kleinmütige, um Panzer und Steinewerfer
- Themen, die nichts von ihrer Brisanz verloren haben.
Der
Tag X - Titus Müller
Das Leben der Gymnasiastin Nelly Findeisen wird
mit jedem Tag komplizierter. Es reicht nicht, dass sie ihren Vater, der vor
sieben Jahren nach Russland abkommandiert wurde, nie mehr sieht, auch ihre
Mutter wird ihr zusehends fremder. Hinzu kommt ihr Engagement in einer
kirchlichen Jugendorganisation, was im Frühjahr 1953 zum Rauswurf aus der
Schule führt. Trost könnte sie bei dem jungen Uhrmacher Wolf Uhlitz finden, der
sich in sie verliebt hat. Er will ihr helfen, legt sich dafür sogar mit seinem
Vater an, entwendet staatliche Dokumente und landet im Gefängnis. Was Wolf nur
vage ahnt: Die junge Nelly steht in einer geheimnisvollen Verbindung mit einem
russischen Spion namens Ilja, der sie mit Nachrichten über ihren verschleppten
Vater versorgt und den Austausch von Briefen mit ihm vermittelt. Wie Wolf
träumt auch Ilja von einem Leben mit Nelly – aber als sich in Berlin und Halle
die Unzufriedenheit mit dem Regime in Massendemonstrationen entlädt, hängt
ihrer aller Leben an seidenen Fäden.
Titus Müller erzählt eindringlich und packend
vom Leben der Aufbegehrenden und entfaltet authentisch und detailgenau das
Panorama eines Aufstandes, der beispielhaft wurde.
Fünf
Tage im Juni - Stefan Heym
Am Sonnabend, dem 13. Juni, um 14 Uhr sagte
Bangartz: 'Entweder du hältst dich an die Parteibeschlüsse Genosse Witte, oder
du ziehst die Konsequenzen. So einfach ist das.' Bangartz und Witte,
Parteifunktionär der eine und Gewerkschaftler der andere, sind Gegenspieler in
einem spannenden Drama, das sich im Schicksal einzelner ebenso vollzieht wie im
Zusammenstoß politischer Kräfte. Stefan Heym erzählt aus der Perspektive derer,
die das Geschehen in den berühmten 5 Tagen im Juni 1953 in Berlin mitgetragen
und mitverantwortet haben, und benutzt dafür unter Beifügung authentischer
Dokumente die Form von Stundenprotokollen, die den Leser die Vorgänge bis zum
Abend des 17. Juni miterleben lassen.
Sommergewitter
- Erich Loest
Ein großer Roman über den Volksaufstand 1953:
Mit »Sommergewitter« aus dem Jahr 2005 widmet Erich Loest dem Volksaufstand von
1953 einen großen und den ersten überzeugend realistischen Roman. Er schildert
die Schicksale unterschiedlichster Menschen während des 17. Juni. Er erzählt
von Mutigen und Mitläufern, Nachdenklichen und Nachbetern. Sie geraten mitten
hinein in die Ereignisse dieses historischen Tages, an dem eine unbedachte
Äußerung, eine leichtsinnige Unterschrift, ein übermütiger Auftritt über Knast
oder Karriere entscheidet.
Die
Streikbrecherzentrale. Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) und der 17.
Juni 1953 - Manfred Wilke
"Generalstreik" forderten am 16. Juni
1953 die Bauarbeiter in Berlin als Antwort auf die Gesprächsverweigerung der
SED-Führung über die Lohnsenkung ("Normenerhöhung"). Doch nicht der
FDGB verhinderte den Generalstreik sondern der Ausnahmezustand der sowjetischen
Besatzungsmacht. Deren Vorgehen wird in den erstmals veröffentlichten 17
Telegrammen des sowjetischen Hohen Kommissars an die Moskauer Regierung
dokumentiert. Das Buch zeigt Rolle und Bedeutung des FDGB bei der
Niederschlagung der Streiks seiner eigenen Mitglieder. Der FDGB erfüllte seine
Pflicht: Streiks in den Betrieben verhindern und Rädelsführer festnehmen.
17.
Juni 1953: Der unterdrückte Volksaufstand. Seine Vor- und Nachgeschichte - Michael Gehler, Rolf Steininger
»Der 17. Juni 1953 ist ein Schlüsselereignis in
der deutschen Nachkriegsgeschichte: Hunderttausende DDR-Bürger lehnten sich
damals gegen das SED-Regime auf – vergebens. Sowjetische Panzer walzten den
Aufstand nieder und retteten Walter Ulbricht und seine Genossen. Insofern war
dieser 17. Juni eine unvollendete Revolution, allerdings mit Langzeitwirkung.
Er wurde das Trauma der SED-Führung; seither saß ihr die Angst vor der eigenen
Bevölkerung im Nacken und bestimmte weitgehend ihre Politik, die letztlich in
den Untergang führte – trotz Mauer und Stasi. Als 1989 die Menschen erneut auf
die Straße gingen, blieben die sowjetischen Panzer in den Kasernen. Das Schicksal
der DDR war besiegelt. Die Autoren, ausgewiesene Kenner der deutschen
Zeitgeschichte, haben sich bereits in der Vergangenheit intensiv mit diesem
Thema beschäftigt. Zwei ihrer bisherigen Arbeiten werden hier – aktualisiert
und erweitert – vorgelegt. Michael Gehler vertritt die These, dass das
Scheitern des Aufstandes allen Gegnern eines Kompromisses zwischen Ost und West
nützte und jenen half, die an der Erhaltung ihrer Positionen und am Status quo
interessiert waren: Dass der Westen das »keep the Germans down« durch seinen
Gegner besorgen ließ und in Berlin zusah, wie dies geschah, ist im Fall des 17.
Juni der Machiavellismus des »roll back« gewesen. Tatsächlich wurde mit Blick
auf die kommunistische und deutsche Gefahr »doppelte Eindämmung« praktiziert. Rolf
Steininger stellt die Thesen in Form von Fragen zur Diskussion, ob der 17. Juni
der Anfang vom langen Ende der DDR war und ob die DDR nicht von ihrem Ende her
zu deuten ist. Ergänzt wird der Band um eine Reihe noch unveröffentlichter
Dokumente und Erinnerungen prominenter Zeitzeugen.
Die
Toten des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 - Edda Ahrberg u. a.
Zufällig Erschossene, willkürlich von
sowjetischen Militärtribunalen Hingerichtete, nach DDR-Recht zum Tode durch die
"Fallschwertmaschine" Verurteilte, Erschlagene: Die Toten des
Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 mit ihrem bis heute oft unbekannten Schicksal
werden in diesem Band vorgestellt.
Den Allermeisten wurde ein normales Begräbnis
im Familienkreis verweigert (mit Ausnahme der getöteten Polizisten und der in
Westberlin Beigesetzten). Sie wurden totgeschwiegen und so noch einmal getötet.
Vor dem Hintergrund der Propagandathese vom "faschistischen Putsch"
wagte bis 1989 nahezu keiner der Hinterbliebenen in der DDR, über diesen Teil
der eigenen Familiengeschichte zu sprechen.
Wo der Tod damals Lücken riss, werfen heute die
Portraits der Getöteten Schlaglichter auf Zustände und Verhaltensweisen, die
ein eindrückliches Gesamtbild ergeben von einer Zeit des Verschweigens und
Verdrängens, die in besonderer Weise bis in die Gegenwart reicht.
Wer sich ein wenig intensiver mit dem Thema
beschäftigt, wird schnell merken, dass es um mehr geht als russische Panzer,
die den Aufstand blutig niedergeschlagen haben. Um sehr viel mehr. Interessant
ist auch, wie sich Bürger und Funktionäre damals jeweils äußerten. Vergleicht
man dies mit heutigen Aussagen zu heutigen Vorgängen, könnte, ja sollte, man
aufhorchen. Denn wer die (eigene) Historie nicht kennt, ist dazu verdammt, sie
zu wiederholen. Und wer weiß, vielleicht begreifen wir heute doch noch den Mut
und die Kraft, der hinter diesem Volksaufstand gestanden haben müssen.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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