Eine gelungene Übersicht der verschiedenen Sprachfamilien der Indigenen Nordamerikas, mit zugehörigen Sprachen und Beispielen.
Titel: Indigene Sprachen Nordamerikas: Ein kleiner Sprachführer durch die wichtigsten Indianersprachen in den USA und Kanada
Autoren: Martin Krueger und Robert Götzenberger
Originaltitel
Verlag: TraumFänger Verlag
ISBN: 978-3948878214
Euro: 16,90
Veröffentlichungsdatum: März 2022
Seiten: 140
Serie: nein
Come in: Kauf
Inhalt/Klappentext
„Die Sprache ist der Schlüssel zur Welt.“
(Wilhelm von Humboldt)
Wer die Völker der Welt verstehen will, wird
erkennen, dass dies nur über die Sprache geht. Nur mit ihr erschließen sich
Denkweise, Kultur und Lebensweise eines Volkes. So erleben wir, dass es
bestimmte Ausdrücke in einer Sprache gar nicht gibt, dagegen andere Wörter
gleich in vielen Variationen vorhanden sind. Allein diese Tatsache lässt uns
erkennen, wie wichtig bestimmte Dinge in einer Kultur sind. Im vorliegenden
Buch führen die Autoren in die wichtigsten indigenen Sprachen Nordamerikas ein
und zeigen deren Unterschiede auf. Sie listen auf, welche Sprachen akut vom
Aussterben bedroht sind und wie viele Sprecher es noch gibt – Auswirkungen der
Boarding Schools und Residential Schools, in denen Indianerkindern das Sprechen
ihrer Sprache verboten wurde. Zur Verdeutlichung haben die Autoren für viele
indigene Sprachen einen kleinen Dialog erstellt, der dem Leser anschaulich
beweist, wie unterschiedlich die einzelnen Sprachen sind. „Indianisch“ gibt es
also nicht!
Eine spannende Einführung, die auch über
Klischees und indianische Etikette aufklärt.
Meinung
Manchmal ist es Zufall, der einen Leser zum
Buch bringt. Obwohl ich alles, was mit Sprachen zu tun hat, lese, bin ich erst
kürzlich auf dieses Exemplar gestoßen, das einen umfassenden, leider recht
kurzen, Überblick über die „wichtigsten Indianersprachen in den USA und Kanada“
bietet. Wer weiß, was noch in den Kleinverlagen unseres Landes darauf wartet,
entdeckt zu werden. Es lohnt ein intensiver Blick.
Es handelt sich nicht um einen Sprachführer, der eine oder mehrere Sprachen vermitteln will. Das ist ein bisschen unglücklich vom Buchumschlag ausgedrückt, da der Autor auch Lakota unterrichtet. Darum geht es nicht. Es handelt sich vielmehr um eine ausführliche, kurze Übersicht über die Sprachfamilien und deren Verbreitung. Da wären: Algonkinsprachen, die Irokesen-Sprachfamilie, Muskogee, die siouanische Sprachfamilie, uto-aztekische und ein Streifzug durch die kleineren Sprachen.
Zunächst jedoch folgt nach einem Vorwort eine Einführung und Erklärung dazu, wie es kommen konnte, dass manche Sprachen bereits ausgestorben oder davon bedroht sind. Bekannt hier sicher, dass viele Kinder der Indigenen ihren Familien weggenommen und in Internate gesteckt worden sind, wo man sie zwang, ihre Sprache und Kultur zu vergessen und beides neu zu erlernen. Darum werden manche Sprachen heute nur noch von sehr alten Menschen gesprochen. Die Regierung hat vor einigen Jahren Sprachschulen initiiert, in denen eben jene Sprachen neu unterrichtet werden. Alles, was damit zu tun hat und zu welchen neuen Formen das führt, darin geben die Autoren einen Einblick.
Eine kleine Anmerkung sei erlaubt. Im Vorwort kritisiert Krueger, dass die meisten Deutschen nur die alten Winnetou-Filme kennen würden und durch diese ein falsches Bild bekommen hätten. So gäbe es nicht nur eine „Indianersprache“, wie es auch keine „Europasprache“ gäbe. Das ist richtig, nur zählt er selbst am Ende etliche Filme mit Indigenen Nordamerikas auf, in denen auch deren originale Sprachen verwendet würden. Nicht alle Zuschauer und/oder Liebhaber des Films, besonders auch wenn sie jüngeren Datums sind, sind so geistig unbeweglich. Und genau deswegen greifen sie vermutlich auch zu diesem Sachbuch. Darum gern etwas weniger Vehemenz und mehr Vertrauen in die Zukunft.
Die Kapitel zu den jeweiligen Sprachfamilien und ihren dazugehörigen Sprachen (pro Stamm) sind recht kurz. Sie beginnen oft mit einem grauen Kasten, in dem einige Beispielsätze in Deutsch, gefolgt von der jeweiligen Sprache (auch mithilfe indigener Sprecher übersetzt), angezeigt werden. Es gibt oft auch eine Karte, damit der Leser sehen kann, wo die jeweiligen Sprachen in Nordamerika angesiedelt waren. Dazu folgen allgemeine Informationen zu Stamm und Umgebung und natürlich dazu, wie die Sprache klingt und gesprochen werden sollte. Dazu werden alle zur Verfügung stehenden Zeichen benutzt, in etwa Apostrophe.
Interessant ist, dass kein Indigener je schlicht gesagt hätte: „Der Vogel auf dem Baum.“ Sondern stets gleich die jeweilige Art benannt: „Der Specht sitzt auf der Weide.“ Auch was die Aussprache betrifft, ist Genauigkeit angesagt, denn bereits kleine Fehlerchen können den gemeinten Sinn verändern. Wer hat gewusst, dass der „Anorak“ und der „Parka“ indigenen Ursprungs sind?
Es folgen Kapitel mit allgemeinen Informationen, in etwa zur Gebärdensprache der Prärie-Indianer, den Code Talkern im Ersten und Zweiten Weltkrieg und wie und wer einst zuerst die indigenen Sprachen erforscht und aufgeschrieben hat (viele deutschstämmige dabei).
Das Buch ist ein Hardcover mit Lesebändchen und mit einigen kleinen Illustrationen versehen. Es bietet einen guten Überblick, vor allem für Neueinsteiger (wie mich) und räumt tatsächlich mit ein paar Klischees auf. Unterhaltsam und Informativ. Gern weiterempfohlen.
Martin Krueger, geboren 1958 in Berlin, Lehramtsstudium Deutsch/Englisch, lebt und arbeitet als Sprachdozent, Buchautor und Übersetzer in seiner Geburtsstadt. Er beschäftigt sich seit 45 Jahren mit nordamerikanischen Indianersprachen und -kulturen, insbesondere der Sprache der Lakota. Er ist Autor diverser Bücher über Lakotasprache, veröffentlichte Artikel in Fachzeitschriften wie dem Magazin für Amerikanistik und hat für den TraumFänger Verlag mehrere Bücher veröffentlicht.
Robert Götzenberger, Jahrgang 1967, wohnhaft bei Augsburg, Bayern, studiert seit über vierzig Jahren verschiedene Kulturen nordamerikanischer Indianer. Sein besonderes Interesse gilt der heutigen Situation der amerikanischen Ureinwohner und den indigenen Sprachen. Intensiver beschäftigt er sich mit der Sprache der Lenape (Delaware). Er arbeitet als freier Mitarbeiter beim TraumFänger Verlag.
Hi Daniela, das klingt sehr interessant. Dass die indigenen Sprachen teilweise ausgestorben sind, aus den von dir genannten Gründen, darüber habe ich auch schon viel gelesen, und ich finde, das ist ein Verbrechen, das da an den indigenen Völkern verübt wurde.
AntwortenLöschenUmso hoffnungsvoller ist es, dass es nun Sprachschulen gibt, die das alles quasi wieder gut machen sollen. Kann man nur hoffen, dass es gelingt und nicht allzu viel von der indianischen Kultur auf der Strecke bleibt.
Danke für deine ausführliche Rezension.
Liebe Grüße
Susanne
Hallo Susanne,
Löschenist es auch :) Wenn Du wirklich interessiert bist, kann ich Dir das Buch nur wärmstens empfehlen. Mir hat es gut gefallen und ich habe es mir gern ins Regal gestellt. Würde gern mehr davon lesen. :)
LG und danke fürs Vorbeischauen
Daniela