Freitag, 15. Oktober 2021

Kochen ohne Strom - Das Notfallkochbuch - Die 50 besten Rezepte für Alltag, Camping und Notfall

 


Titel: Kochen ohne Strom - Das Notfallkochbuch - Die 50 besten Rezepte für Alltag, Camping und Notfall: Mit wichtigen Tipps zu Stromausfall, Vorratshaltung, Wasserversorgung u.v.m.

Autor (Hrsg.): Bundesamt für Bevölkerungsschutz

Originaltitel

Verlag: ‎ Bassermann

ISBN: 978-3809445159

Euro: 9,99

Veröffentlichungsdatum: September 2021

Seiten: 152

Serie: nein

Come in: vom Verlag

 

 

 

Inhalt/Klappentext
Katastrophenhelferinnen und -helfer wissen es: Vorbereitung ist die beste Vorsorge! Deshalb haben das BBK, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, sowie wichtige Hilfsorganisationen einen großen Rezeptwettbewerb gestartet: Kochen ohne Strom, ohne frische Lebensmittel, mit möglichst geringem Wasserverbrauch und auch für Kocheinsteiger geeignet. Für dieses Buch wurden daraus die 50 besten Rezepte ausgewählt. Dazu gibt es die wichtigsten Infos und Tipps der Fachleute für den bestmöglichen Umgang mit der Notfallsituation.

 

Meinung


Im Oktober 2019 las ich den Roman „Blackout“ von Marc Elsberg. Dort brechen eines Tages im Februar alle Stromnetze in Europa zusammen und der Autor berichtet, was jedem Einzelnen von uns geschehen kann. Denn nicht nur kann man im Fahrstuhl steckenbleiben, es kommt ebenfalls kein Wasser mehr aus dem Hahn oder in der Toilette, Nahrungsmittel haben nicht mehr alle – und schon gar nicht in den großen Städten – ausreichend im Haus. Sie lassen sich zudem nicht erwärmen. Die Industrie liegt brach, es kann nicht mehr getankt oder geheizt werden. (…) Der Protagonist vermutet einen Hackerangriff (der offenbar tatsächlich sehr leicht durchzuführen wäre) und versucht, das Schlimmste zu verhindern und den Strom wieder einzuschalten. Das Buch ist wie ein typischer Blockbuster aufgebaut und liest sich rasch weg, wenn es leider nie lange genug bei einzelnen Figuren verbleibt, um mehr in die Tiefe zu gehen.

Kurz nach dem Lesen bestellte ich mir den „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“, der jedem Bundesbürger vom Bundesamt für Katastrophenschutz und Katastrophenhilfe kostenlos zugeschickt wird.

Die orangefarbene Broschüre ist leider etwas vage gehalten, gibt allerdings erste Anhaltspunkte dafür, wie man sich auf den Ernstfall vorbereiten sollte. Und das könnte eine Menge sein, von Stromausfall über Wasser hin zu Feuer oder Schnee und Eis. Ich begann ebenfalls zu recherchieren, was zu tun ist, wenn kein Wasser mehr vorhanden ist – in den größeren Städten gibt es sog. Notfallbrunnen, deren Standort und Funktionsweise man kennen sollte (und um deren (fehlende) Wartung wir uns alle Gedanken machen sollten). Ich plante zu allem drei einzelne Blogbeiträge – und verwarf sie dann. Geht das nicht zu sehr in Richtung „Verschwörungstheorie“, fragte ich mich. Aber dann legte wenig später ein Virus den gesamten Planeten lahm und spätestens, als ich im April in Quarantäne saß, wurde mir klar, wie real und wichtig die Hinweise auf eine ausreichende Bevorratung sind.

 

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat nun zusammen mit dem Bassermann Verlag das Buch „Kochen ohne Strom“ herausgebracht. Dazu ist ein Wettbewerb veranstaltet worden, bei dem „kreative und krisentaugliche Gerichte“ gesucht und knapp fünfzig zusammengetragen worden sind.

Das Buch beginnt zunächst mit einem Informationsteil. Warum wurde dieses Buch geschrieben, wer war daran beteiligt. Was käme auf eine Familie zu, sollte ein Stromausfall eintreten. Hier ist der Roman von Elsberg wesentlich realistischer und denkt um einiges weiter, wer sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigen möchte, sollte – natürlich auch zu Unterhaltungszwecken – nicht an diesem vorbeigehen.

Sehr nützlich sind die Hinweise der Feuerwehr, denn um Wärme zu erzeugen oder Gerichte zu kochen, werden vermutlich Alternativen zum Strom gesucht und das bedeutet offenes Feuer. Es schließen sich Kapitel an, wo die Besonderheiten von Haustieren und (kleinen) Kindern beschrieben werden. Schließlich geht es ums Einmachen oder darum, was zu tun ist, wenn kein Wasser mehr aus dem Hahn kommt.



Prinzipiell scheint also alles da zu sein. Warum ist dieses Buch dann trotzdem völlig sinnlos und im Ernstfall nur für die empfohlene Feuerstelle im eigenen Garten geeignet?

„(…) Dennoch vollbrachte sie (Anmerk.: die Fachjury) es, mithilfe eines aufgrund der Pandemielage eigens entwickelten kontaktlosen Auswahlverfahrens alle 348 den Teilnahmebedingungen entsprechenden Beiträge anhand von drei zentralen Kriterien zu beurteilen: Kreativität, Machbarkeit und Nachhaltigkeit.“ Eben die drei Dinge, die im Ernstfall am wichtigsten sind. Die Wohlstandsblase hat einen absolut im Zeitgeist liegenden, diversen und vor allem vegetarisch/veganen Ratgeber verfasst, der sich leider nicht an der Realität eines Großteils der Bevölkerung orientiert und außer einer hübschen Aufmachung nichts zu bieten hat. Dass er von einem offiziellen Bundesamt herausgebracht wird, ist umso erschreckender. Selbst Leser, die sich noch nie mit dem Thema auseinandergesetzt haben, werden keine nützlichen Hinweise finden, wenn die Erwähnung der einzelnen zu beachtenden Unterthemen sehr wohl wertvoll sein kann, sollte man selbst noch nie daran gedacht haben. Leider geht aber keines der sehr kurzen Kapitel in die Tiefe. Besonders von „Geheimrezepte der Vorratshaltung“ habe ich mir einiges versprochen (da ich nur eine kleine Wohnung habe), aber es wird aus einem fast endlosen Blabla nur über die Natur von Hamstern dazu hingeleitet, was man nicht tun sollte (und selbst das nicht genau). Aber was zu Bevorraten wäre und eben wie, wird nicht klar gesagt. Alles, was zu lernen ist, dass ein Erwachsener 2200 kcal am Tag benötigt und man daher nach der Formel: 2200 kcal x 10 Tage x Personenanzahl rechnen solle. Die späteren Rezepte sprechen dann leider eine sehr deutliche Sprache. Diese Vorräte hat vermutlich niemand – und wenn dann nicht in der komplett benötigten Zusammenstellung und Anzahl – im Haushalt. Die Jury hat offensichtlich ein Faible für Kichererbsen, denn diese sind in fast allen Gerichten enthalten. Und für gewisse Geschichten, die unterstreichen, wie weltoffen, vegan und divers sie sind. Menschen, die über wenig Haushaltsgeld verfügen, gehen definitiv leer aus.


Kidneybohnen, Kakao, Honig

Das Bild setzt sich bereits im Ratgeberteil zusammen, denn die meisten Autoren gehen offenbar von Menschen aus, die in Häusern mit Garten leben. Dabei wohnt inzwischen ein erheblicher Teil der Bevölkerung (übrigens weltweit!) in großen Städten. Diesen nahezulegen, sie sollten zum Kochen raus auf die Wiese gehen, ist zu kurz gedacht, vor allem, weil es eine solche nicht in allen Kiezen gibt. Abgesehen davon dürfte der Koch ganz schnell von dutzenden weiteren Personen umringt sein, die ebenfalls Hunger haben und dann muss er wohl wirklich „kreativ“ werden, wenn er satt werden will.

Wie genau übrigens eine Kochstelle anzulegen ist oder wie ein Gasbrenner benutzt wird, ist nicht im Buch aufgeführt. Man solle das im Internet recherchieren – vorbeugend, versteht sich. Da vor einigen Jahren unweit von mir ein junger Mann ohne große finanzielle Mittel dachte, er könne in seiner kleinen Wohnung mit einer Gaskartusche kochen (Strom war für ihn zu teuer), was zu einer gewaltigen Explosion geführt hat, die das gesamte Haus (mit elf Stockwerken) unbewohnbar machte, hätte ich gerade hier mehr Ansatzpunkte erwartet. Selbst auf einem Balkon ist es wahnsinnig gefährlich, der junge Mann hatte keinen. Man muss nicht Einstein sein, um zu erahnen, dass in so einem Fall keinem mehr zu helfen ist, wenn die Feuerwehr nicht mehr ausrücken kann. Nur warum wird das nicht klar benannt? Elsberg ist auch in diesem Fall sehr viel weiter …


Soll mit der Hand vermengt werden - davon rate ich dringend ab!

Auch die Bevorratung von Wasser – ohne dieses Element hält es kein Mensch lange aus – richtet sich an jene mit viel Platz. Immerhin, hier scheint jemand an die Bevölkerung gedacht zu haben, die in Wohnungen lebt. Diese sollten „kreativ werden“ um das Wasser unterzubringen, z. B. indem man es als eine Art Möbelstück verwendet. Es braucht also Nerven und auch einiges an Stehvermögen, um das Buch im Ganzen durchzulesen.

Ohne Wärmequelle lassen sich die meisten Rezepte nicht zubereiten. Die wenigen klingen weder nahrhaft noch essbar. Das für mich am ekelhaftesten klingende Rezept davon habe ich versucht nachzustellen und mich genau an das Rezept (in einer kleiner berechneten Menge) gehalten. Was nutzt so ein Rezept, wenn es ohnehin nicht lange genug im Magen ist, um verdaut zu werden (denn es ist so widerlich, wie es klingt)? Und warum sollte man eine Art Menü zaubern oder wie in diesem Fall „vegane Schokotrüffel“? Als Leser ist es nur schwer, sich des Eindrucks zu erwehren, die Herausgeber hätten den Ernst der Lage nicht erkannt und hielten den Notfall für eine Art Spiel.


Brei hält nicht, ohne in Kakao gewälzt zu werden.

Für mich ist das Buch ein Zeichen für alles, was dieser Tage schiefläuft. Dabei denke ich vor allem an die von der Autorin Fang Fang erwähnte „Negativauslese“, die sich gerade in der Politik immer stärker herausschält. Zudem hat ein Großteil der in der Politik Beschäftigten keinen Einblick in das Leben der eigenen Bevölkerung und deren Sorgen und Nöte, da sie selbst völlig anders leben und leben können. Nicht selten sind die entsprechenden Personen nie selbst körperlich tätig gewesen und können daher schlicht gewisse Themen und Unterthemen nicht angemessen durchdenken und reflektieren. An einem realen Alltag geht dieses Buch meilenweit vorbei. Und es ist erschreckend! Nicht nur wird die meisten Zutaten so und in der Zusammenstellung niemand zu Hause haben. Sie kosten auch oft ein bisschen mehr, was eine erhebliche Anzahl Personen von diesem Buch ausschließt. Beschreibung und Tipps sind nicht für die Normalbevölkerung geeignet. Die ersten Stunden und/oder Tage nach Stromausfall (und wir hoffen alle, dass dieser nicht länger als zehn Tage andauern wird!) werden gar nicht richtig berücksichtigt, wenn Kühlschrank und –fach ausfallen und diese Lebensmittel (sofort) gegessen oder anderweitig haltbar gemacht werden müssen. Die Rezepte in diesem Buch umfassen nur länger haltbare Lebensmittel. Der öfter erwähnte Hinweis, man solle jetzt ohne Notfall recherchieren und sich das Wissen darum, was dann zu tun sei, aneignen, um es später parat zu haben, ist daher am nützlichsten. Allerdings können Jahre vergehen, ehe das Wissen abgerufen werden muss, daher wäre eine Art Auffrischung – gerade wenn es um den Bau von Feuerstellen u. ä. geht – in Buchform hilfreich gewesen. So muss der Leser sich dieses mit Anleitungen etc. aus dem Internet quasi selbst zusammenstellen. Und wozu dann dieses Buch? Rezepte, deren Zutaten zu teuer sind oder nicht in allen Haushalten vorrätig, die zudem einer Art Partyzusammenschnitt folgen (Suppen, Vorspeisen, Fingerfood etc.), zeigen die Grundhaltung von Herausgeber und Jury deutlich auf. Es gibt etliche Bücher zum Thema, die vermutlich alle treffender sind. Immerhin „Kochen ohne Strom“ ist wirklich hübsch aufgemacht, nur eben inhaltlich ohne Konsistenz. Wie es der Zeitgeist dieser Tage so vorgibt.

Irritierend ist das Werbeplättchen für einen Campingbackofen, der für 10% Nachlass erworben werden kann. Aber selbst das passt zu diesem kuriosen Machwerk. Finger weg! Aber informiert Euch über das Thema, es kann im Ernstfall überlebenswichtig sein!


Widerlich im Geschmack. Unbrauchbar.

Das Buchprojekt „Kochen ohne Strom“ ist ein gemeinsames Projekt des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie der folgenden Bonner Hilfsorganisationen und Institutionen: Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe, Malteser Hilfsdienst, Technisches Hilfswerk, Feuerwehr und Rettungsdienst der Stadt Bonn.

2 Kommentare:

  1. Hab mich gerade sehr über Deine Rezension amüsiert!

    Diese Untergangsszenarien sind ja gerade in aller Munde und irgendwie springt scheinbar gerade jeder auf diesen Zug auf. Ich habe auch gerade ein Hörbuch über plötzlich nicht mehr vorhandenes Trinkwasser gehört.

    Tatsächlich gibt es immer mehr Menschen mit Notfallrucksäcken und ähnlichem, so dass man sich schon "komisch" fühlt, wenn man genau diesen nicht zuhause gepackt stehen hat.

    Umso erfrischender war da gerade Deine Rezension. Vielen Dank dafür!

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    1. Hallo und schön, dass Du mal wieder reinschaust. :)
      Na ja, ob es unbedingt Untergangsszenario sein muss, weiß ich nicht. Und bitte nicht verwechseln mit den ganzen Klimakatastrophenbüchern. Wobei ... Viele denken nicht daran, was passiert, wenn wie vor einigen Jahren ein strenger Winter kommt, Schnee auf Strommasten eben diese zusammenbrechen lässt und kleinere Dörfer plötzlich zwei Wochen lang ohne Strom dastehen. Oder wie in diesem Jahr das große Wasser. Das muss noch nicht mal in der am meisten betroffenen Region sein, etwas weiter weg gab es das auch in kleinerem Maße und da waren alle Zugänge zur Ortschaft überspült, keiner kam weg (auch nicht zum einkaufen). Hier in Berlin saß ein ganzer Stadtteil vor gar nicht allzu langer Zeit zwei Tage ohne Strom da. Oder ich im April von einem Tag auf den anderen zwar mit Strom, aber in Quarantäne. Ein paar Vorräte zu Hause zu haben, schadet nicht. Und ich kenne tatsächlich Leute, die haben gerade mal eine angerissene Packung Nudeln da, weil sie eher Essen gehen/bestellen oder jeden Tag einkaufen gehen. Oder warum auch immer. :) Darum halte ich das Thema tatsächlich für wichtig und nicht für ein Science-Fiction-Szenario.
      Notfallrucksack geht mir dann auch zu weit ;-) aber alle wichtigen Papiere griffbereit zu haben, habe ich auch im April gemerkt, ist Gold wert (gerade auch für Angehörige). Wenn man die dann erst suchen muss ... also einfach vorbereitet sein, falls ... - und hoffen, dass nie etwas geschieht.
      In der Hinsicht hat vermutlich das entsprechende Bundesamt, zumindest was dieses Buch angeht, auch nicht ganz den Ernst der Lage erkannt. Und im Ernstfall kann das Leben kosten, weshalb mich dieses Buch auch so wütend gemacht hat. Kam vielleicht ein bisschen durch :)

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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