Dienstag, 26. Oktober 2021

Ausgeliefert: Amerika im Griff von Amazon - Alec MacGillis

 


Titel: Ausgeliefert: Amerika im Griff von Amazon

Autor: Alec MacGillis

Originaltitel: Fulfillment. Winning and Losing in One-Click America

Verlag: ‎ S. FISCHER

ISBN: ‎ 978-3103974560

Euro: 26,00

Veröffentlichungsdatum: März 2021

Seiten: 448

Serie: nein

Come in: vom Verlag

 

 

 

Inhalt/Klappentext
In seinem großen Gesellschaftsporträt der USA zeigt der preisgekrönte Investigativjournalist Alec MacGillis, dass es vor allem der Großkonzern Amazon ist, der die Spaltung Amerikas vorantreibt. Amazon sorgt dafür, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich immer weiter öffnet, während immer weniger Menschen zu den Gewinnern gehören. In monopolartigen Verhältnissen akkumuliert Amazon immer mehr Reichtum und Macht und Jeff Bezos, schon jetzt der reichste Mann der Welt, profitiert weiter von der wachsenden Ungleichheit.

In einer 10 Jahre umspannenden investigativen Recherche, die ihn von Washington nach Seattle, nach San Francisco, Baltimore und Ohio führte, hat MacGillis die Einzelschicksale, die Amazon prägt, zu einem Porträt der amerikanischen Gesellschaft verwoben. Er war in Columbus, Ohio, wo Amazon Steuern erlassen werden, obwohl der Warenhausbetreiber den Durchschnittslohn in der Region senkt. Und er war in Seattle, wo das gigantische Amazon Headquarter die Lebenskosten in die Höhe treibt und die einst pulsierende Black Community nahezu gänzlich verdrängt hat.

»Ausgeliefert« ist mehr als das Porträt Amazons. Es ist das Porträt der Vereinigten Staaten von Amerika, die immer mehr unter den Schatten Amazons geraten. MacGillis zeigt eindringlich, wie sehr die Macht der Großkonzerne den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den USA bedroht – und er lässt uns ahnen, was uns in Europa unmittelbar bevorsteht, wenn es uns nicht gelingt, die Macht Amazons zu beschränken.

 


Meinung

Im Oktober 2020 hat jemand aus Indonesien meinen E-Mail-Account und damit meinen Amazon-Account gehackt. Er ist für vierstellig einkaufen gegangen, hat aber auch an ein kleines Geschenk für mich gedacht. Die Sache ist gut ausgegangen, alles wurde storniert und mein Account bereinigt, die Passwörter erneuert etc. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich jedoch schon darüber nachgedacht, ob eben dieser Account überhaupt sinnvoll und/oder notwendig ist. Immerhin haben wir genug deutschsprachige Dokus, die uns erzählen, was genau Amazon als Arbeitgeber, als Konzern, im Staat und im Alltag bedeutet.

„Ausgeliefert“ ist eine Zusammenstellung von einzelnen kleinen Geschichten und Kurzbiografien, die uns allen klarmachen sollten, was zukünftig dank Megakonzern (und Amazon ist nicht der einzige!) auf uns, unsere Lebensweise, unseren Alltag und letztendlich unser gesamtes Leben zukommen kann. Leider schreibt der Autor äußerst langwierig und –weilig, so dass es oft Zähne zusammenbeißen heißt. Doch es lohnt sich, wenn auch erst im letzten Drittel. Dann nämlich fügen sich all die kleinen Bausteinchen zusammen, die der Autor sehr zäh vor uns ausgebreitet hat. Allerdings hat er an jeden gedacht. An Privatpersonen ebenso, wie an (Klein-)Unternehmen, an Bildung, an Diversität, an Urbanität, an (fehlende) Steuer, Politik uvm. Es ist ein wirklich allumfassendes Bild einer Gesellschaft, in diesem Fall der amerikanischen, die der Autor zeigt. Allumfassend und sehr erschreckend.

Neben kurzen historischen Diskursen der letzten knapp fünfzig Jahre, bis hin zur Entstehung Amazons (die Garagenstory, die nicht ganz so war, wie wir denken), hin zur Veränderung an den Standorten, die Amazon für sich aussucht. Wie es eben diese Städte und Regionen quasi knebelt, nur im Hauptsitz Washington und keinem anderen der fast fünfzig Bundesstaaten Steuern zahlt – und was das für Auswirkungen hat. Wie sich (ehemalige) Politiker für einen Jobwechsel hin zu Amazon entscheiden. Was Kleinunternehmen und Geschäfte vor Ort für eine Veränderung erfahren, wenn die Heuschrecke bei ihnen ankommt. Wer sich in den letzten Jahren für ein reales Bild Amerikas interessiert hat, ist an den Bildern der in Übermaßen vorhandenen Menschen, die in Zelten auf dem Bürgersteig campieren/leben nicht vorbeigekommen. Ihre Anzahl hat erschütternde Ausmaße angenommen. Wie und warum, ist in diesem Buch nachzulesen. Sicher nicht ein alleiniger Grund(e), aber mit ein Hauptverursacher.

Auch die mediale Berichterstattung ist eher durchwachsen zu nennen. Ist der Eigner Amazons nämlich nicht damit einverstanden, kauft er mal eben flugs eine ganze Zeitung auf. Durch die vielen in Insolvenz gegangen Geschäfte vor Ort haben die regionalen Zeitungen oft keine Anzeigenkunden mehr (über die sich die Zeitungen/Magazine finanzieren) und müssen ebenfalls erst abbauen und dann schließen. Wo nicht genug Journalisten vorhanden sind, kann nicht ausreichend recherchiert und schon gar nicht (angemessen) darüber berichtet werden. Übrigens ein Problem, das Deutschland längst erreicht hat. Was dann bleibt, ist eine überregionale Berichterstattung, die zum einen die vielen kleinen Regionalitäten nicht aufgreifen (können) und zum anderen vermutlich nicht ganz so unabhängig sind, wie wir es alle gern hätten.

Was es heißt, bei und für Amazon z. B. im Lager zu arbeiten, wird ebenfalls anschaulich anhand der Geschichten zweiter Mitarbeiter geschildert. Während Corona ist es nicht einfacher geworden.

Es gibt sie aber, jene, die sich versuchen, gegen den Konzern stark zu machen. Manchmal sind das Privatpersonen, manchmal sogar (regionale) Politiker. Was man aber mit so viel Geld, wie der Konzern es besitzt (so viel, dass die meisten nicht einmal in der Lage sind, es sich vorzustellen), machen kann, schildert der Autor ebenfalls nachvollziehbar. Das nennt sich dann gern Gegenkampagne. Ich möchte nicht näher darauf eingehen, das muss man selbst gelesen haben. Aber auch das ist ein Punkt, weshalb ich mich dafür einsetze, dass wir alle Quellen nutzen sollten, auch jene, die vielleicht nicht auf unserer Wellenlänge liegen und vor allem die, die man versucht uns auszureden. Wir brauchen ein allumfassendes Bild, um uns unvoreingenommen eine Meinung zu bilden. Denn sonst ist es ganz schnell die Meinung, die jemand möchte, dass wir sie haben. Und doch, die Beeinflussung ist immer und überall da – niemand ist dagegen gefeit.

Das sind nur wenige Beispiele aus dem Buch und es ist schwer es angemessen und kurz darzustellen. Ich weiß nach dem Lesen eines genau: Das alles sind zwei kleine Klicks doch gar nicht wert! Das Problem ist nicht allein der Konzern, ist nicht allein die Politik. Wir sind alle selbst daran schuld. So genau, wie wir aufs „Klima“ schauen und jeden einzelnen von uns ins Gebet nehmen, so genau sollten wir es bei den großen Konzernen, den Giganten, die tun, was immer sie wollen, machen. Bestellt Eure Bambuszahnbürste nicht über Amazon! Bei Büchern wird ja immer öfter dazu aufgerufen, sie lokal zu kaufen. Es muss wohl nicht erwähnt werden, was Corona plus Lockdowns für einen immensen Schaden angerichtet und wie reich sie die digitalen Konzerne gemacht haben.  Ich schaue mir die Anbieter z. B. bei Amazon genau an und wenn sie eine eigene Homepage besitzen, bestelle ich grundsätzlich über diese, nicht den Konzern.

Es ist aufwühlend, was MacGillis den Lesern zeigt. Zwar leider recht zäh zu lesen, aber dranbleiben lohnt sich. Was am Ende zu tun ist, fehlt leider. Die Macht dieser Giganten ist nicht mehr berechenbar. Wir selbst sind der Schlüssel, doch müssten wir das Problem erst einmal erkennen – und dann gegen den inneren Schweinehund ankämpfen, wo es doch so einfach geworden ist, etwas zu bestellen (und meistens noch, das wir eigentlich gar nicht brauchen). An dieser Stelle sei erwähnt, dass Amazon längst nicht mehr ein reines „Kaufhaus“ ist. Sie bieten in etwa riesige Datenspeicher an, die auch von der Regierung genutzt wird/werden kann. An dieser Stelle seien die Bücher von Edward Snowden und Eric Dolatre erwähnt, die immer wieder vor der unkontrollierten Digitalisierung warnen. Wenn die Daten dann in der Hand eines Konzerns liegen, der schon jetzt kaum noch zu kontrollieren ist …Wer immer noch nicht genug Herzflattern hat, sollte bedenken, welchen Bereich sich Amazon relativ neu herausgesucht hat: Lebensmittel. In den USA gibt es bereits Lebensmittelmärkte, die ausschließlich von Amazon betrieben werden (inkl. "intelligenter Warenkorb").

„Ausgeliefert: Amerika im Griff von Amazon“ liefert in jedem Fall Denkansätze, die jeden von uns aufhorchen lassen sollten.

 

Alec MacGillis hat als Reporter für »Washington Post«, »Baltimore Sun«, und »New Republic« geschrieben, wo er heute als Chefredakteur tätig ist. Sein 2017 veröffentlichter Artikel über Jared Kushners fragwürdige Immobiliengeschäfte hat ihm den »Polk Award« eingebracht.

MacGillis wuchs in Massachusetts auf und lebt heute mit seiner Familie in Baltimore. Die Recherche für »Ausgeliefert« hat ihn über ein Jahrzehnt begleitet. Auf seiner Reise hat er mit zahlreichen Menschen gesprochen: mit der zunehmend bedrohten Black Community in Seattle, einem Investor in San Francisco, einem Kartonhersteller in Ohio u.v.m.

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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