Dienstag, 21. September 2021

Die notwendige Revolution: Er ist der Erfinder des Big-Data-Modells – und kämpft gegen die digitale Überwachungswirtschaft. Ein Insiderbericht - Eric Dolatre

 


Titel: Die notwendige Revolution: Er ist der Erfinder des Big-Data-Modells – und kämpft gegen die digitale Überwachungswirtschaft. Ein Insiderbericht

Autor: Eric Dolatre

Originaltitel

Verlag: ‎ Ariston

ISBN: 978-3424202212

Euro: 22,00

Veröffentlichungsdatum: März 2021

Seiten: 336

Serie: nein

Come in: vom Verlag

 

 

 

Inhalt/Klappentext
Kaum einer kennt das Geschäft mit unseren Daten so gut wie er: Eric Dolatre ist einer der Gründer des erfolgreichsten europäischen Mailanbieters und Erfinder des datenbasierten Businessmodells von GMX, der »benutzerprofil-abhängigen Werbung«. Mit Sorge sieht er, wie aus Globalisierung und Digitalisierung eine weltweite Überwachungswirtschaft entstanden ist, die all unsere Lebensäußerungen in viel höherem Maße kontrolliert und steuert, als wir ahnen. Das Geschäft mit den Daten ist zum Geschäft mit den Menschen geworden, dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Höchste Zeit, der Macht der Internetkonzerne Grenzen zu setzen, denn nicht alles, was ein Geschäft verspricht, darf auch ein Geschäft sein! Eric Dolatre plädiert für einen zivilen digitalen Ungehorsam, er fordert klare Regeln von der Politik – und als Unternehmer geht er die US-Giganten frontal an und setzt auf ein seriöses, sicheres Modell: eine verschlüsselte europäische Kommunikationsplattform, die wir heute nötiger brauchen denn je zuvor.

Der Report eines Insiders, der enthüllt, wie weit die Überwachung durch die Datenkonzerne bereits fortgeschritten ist – und der demokratischen Werten und Grundsätzen wieder zur Geltung verhilft.

 

Meinung
Dolatre hat einen wunden Punkt getroffen, nicht nur bei mir, sondern bei uns allen. Wer Edward Snowden gelesen (und verstanden) oder noch im Ohr hat, wird an Dolatres Werk nicht vorbeikommen. Nicht nur hat er einen wahren Page Turner im Bereich Sachbuch geschrieben, er schildert viele Dinge, die man ahnte, aber nicht für bare Münze genommen hat. Die Entwicklung diverser „Verschwörungstheorien“ oder aus für fiktiv gehaltenen Filmen und Serien aus dem Bereich Science Fiction ist bereits weiter fortgeschritten, als wir alle es wohl wahrhaben wollen.

Das Buch beginnt zunächst mit einer Vorstellung von Dolatres Leben, seine Kindheit und Jugend, die recht bewegt waren, seine ersten Schritte in der digitalen Welt. Für mich neu, dass unsere E-Mails offenbar schon immer abgescannt worden sind, wenn es darum ging, die für uns passende Werbung zu generieren. Schreiben wir in etwa an jemanden, wir würden gerade Kekse backen, dann wird uns Werbung für Backzutaten, Kochschürzen oder Schneebesen angezeigt. Dass man so ein Modell, Dolatre war einst (so um die 2000er) an deren Idee und Umsetzung beteiligt, auch für ganz andere Dinge nutzen kann, darauf kamen diverse Leute sehr schnell. Hat sich tatsächlich noch niemand gewundert, dass er im www genau die Werbung angezeigt bekommt (z. B. in einem Social-Media-Account), die genau auf ihn zugeschnitten ist? Seien es Lebensmittel, Kleidung, Duschbad und Co? Oder darüber, woher das www weiß, dass man gerade in Laden X einkaufen war und nun dessen Werbung  oder Rabattcoupons angezeigt bekommt?

Dolatre schildert sehr anschaulich, wie das alles einst begonnen und wie es mittlerweile ausgenutzt und übertrieben angewendet wird. Gesetze, die sich für den Schutz der Bürger einsetzen, gibt es entweder nicht oder sie reichen nicht weit genug. Eine europäische DSGVO ist im Grunde nutzlos, wenn die meistgenutzten Systeme wie Facebook und Co. ihren Sitz anderswo auf der Welt haben – und sich eben nicht zu den Gesetzen in den jeweiligen Ländern bekennen.

Der Autor plädiert dahingehend immer wieder an uns, die Nutzer, dass wir lernen, verantwortungsbewusster mit uns und unseren Daten umzugehen. Dass wir mehr hinterfragen und auch das Kleingedruckte lesen. Heute ist es fast unmöglich, auf eine Seite zu kommen und nicht zunächst den Hinweis auf Cookies vorgesetzt zu bekommen, ehe man zum eigentlichen Inhalt vorstoßen darf. Doch schon hier ist zu erkennen, wer es ehrlich meint und wer nicht. Denn wenn es keinen „Ablehnen“-Button gibt, muss dieser erst umständlich gesucht werden. Aber selbst dann ist er oft nicht zu finden. Das ist Absicht! Denn wer Cookies ablehnt, kann nicht in die Statistik einbezogen werden. Dazu gehört übrigens auch, welche Seiten noch besucht werden. Ich habe alle Cookies auf meinem PC gelöscht und musste alle Seiten neu freischalten. Das ist unheimlich aufwendig! Dass es einem aber oft so schwer gemacht wird, hat System, denn wer hat als Nutzer schon Lust, lange herumzusuchen? Da ist es doch einfacher, auf „Alle annehmen“ zu klicken und seine Ruhe zu haben … davor warnt Dolatre eindringlich. Und wer sein Buch gelesen hat, wird das nie wieder so handhaben. Daten sind das neue Gold unseres Zeitalters und die großen Konzerne haben absolut keine Hemmungen, sich diese auch ungefragt zu besorgen. Was glauben Sie, fragt Dolatre, wie viele Mikros in Ihrem Handy verbaut sind? Man sollte meinen eines oder höchstens zwei. Die Frage haben sich einige Experten ebenfalls vor einer Weile gestellt und sind trotz Auseinanderbauen nicht darauf gekommen, die Antwort lautete dann: So um sieben rum. Sieben! Wozu so viele? Wer hört da was mit? Auch in unseren Autos sind mittlerweile mehrere Mikrofone verbaut, wohlgemerkt nicht als Telefonleitung … Schon gewusst, dass die meisten Fernseher heutzutage eine Kamera vorne dran haben? Ein Paar, das sich vor dem Fernseher liebevoll einander zuwandte, konnte sich dies später im www ansehen. Wer da mitgefilmt und es hochgeladen hat, bleibt ungewiss, der Fernseher jedoch war gehackt worden.

Auch in Sachen Apps hat Dolatre keine guten Neuigkeiten zu vermelden. Heutzutage läuft ja quasi alles über das Handy. Frauen, die ihren Menstruationskalender in einer App führen, Gesundheits-Apps, auf denen alle eigenen intimen Daten vermerkt werden. Und wer weiß, was noch. In Zeiten von Corona konnten diverse Apps heruntergeladen werden, die eine Nachverfolgung ermöglichen sollten. Wer ist wann wo gewesen und mit wem aufeinandergetroffen? Sollte ein Handy so etwas wissen? Das tut es im Übrigen auch ohne App. Wovor Dolatre jedoch warnt ist, sich gewisse Corona-Warn-Apps herunterzuladen, gerade auch aus dem Ausland, denn mit diesen lädt man sich automatisch Spähsoftware herunter, das sei vom Hersteller/Entwickler genauso geplant und könne nicht vom Nutzer ausgeschlossen werden.

Als eine Freundin vor ihrer anstehenden Geburt kürzlich noch mal mit ihrem Mann ein Wochenende allein in Tschechien verbringen wollte, änderte sich dessen Coronastatus überraschend. Kaum eine Stunde als sie zurück in Deutschland waren, erhielten sie beide auf ihr jeweiliges Handy überraschend eine SMS, was nun zwecks Corona ihre nächsten Schritte zu sein hatten, denn sie seien ja über die Grenze zu Tschechien gekommen.

Dolatre warnt eindringlich davor, was Handys heute bereits vermögen und wer was erfährt, wenn wir es stets mit uns führen – und das werden die meisten.

Und dann gibt es jene, die bereitwillig alles, aber auch wirklich alles von sich selbst ins Internet tragen. Die sich und ihre nächste Umgebung filmen oder fotografieren, die nicht nur Namen erwähnen, sondern frei von der Leber weg erzählen. Dabei, so Dolatre, reiche es aus, wenn jemand Vor- und Zunamen plus Geburtsdatum kenne, damit lasse sich bereits Schindluder treiben. Und erzählt von einigen Fällen. Und wer hat nicht noch in den Social-Media-Accounts seinen Beruf oder Ähnliches vermerkt?

Es ist ein recht pessimistisches Werk, denn Dolatre berichtet auch von einigen wenigen, die sich für eine verbesserte Politik einsetzen möchten – und woran diese immer wieder scheitern. An dieser Stelle sei an unseren Gesundheitsminister erinnert und seine Aktion, als er alle Gesundheitsdaten der Bundesbürger für wer weiß wen freigegeben hat …

„Die notwendige Revolution“ ist ein aufrüttelndes Buch, sehr unterhaltsam und anschaulich geschrieben und das von jemandem, der es wissen muss und auch mal aus dem Nähkästchen plaudert. Danke, Herr Dolatre dafür!

Auch von mir die Warnung, nicht zu leichtfertig mit den eigenen Daten umzugehen. Die Digitalisierung bringt nicht nur Vorteile mit sich. Was man als Einzelner tun kann, beschreibt Dolatre am Ende seines Buches. Leider ist es nicht besonders viel. Und wenn ich an meine Großtante denke, die sich kürzlich mit Mitte sechzig ihr erstes Handy mit den Worten gekauft hat, es ginge einfach nicht mehr ohne, ist die weitere Entwicklung abzusehen. Wenn wir nicht lernen hinzusehen und stärker aufzupassen, wird das Ganze ziemlich nach hinten losgehen. Ganz besonders für alle, die nach uns kommen; das wird schlimmer als jeder Klimawandel es jemals könnte! Wer glaubt, ich übertreibe, der lese dieses Buch. Und alle anderen bitte auch.

 

 

Eric Dolatre, geboren 1963, ein »Digital Native« seit 1984, gehört zu den Internetpionieren der ersten Stunde. Nach Stationen beim Verlag Markt+Technik und beim neugegründeten Magazin »PC Professionell« von Ziff Davis gründete er 1997 gemeinsam mit Karsten Schramm GMX, eines der ersten deutschen Webportale überhaupt.

Thilo Komma-Pöllath, geboren 1971, ist freier Journalist und Buchautor (»Die Akte Hoeneß«); er betreibt in München ein Redaktionsbüro und schreibt u.a. für »Süddeutsche Zeitung Magazin«, »FAZ am Sonntag«, »Stern« und »Focus«. Seine thematischen Schwerpunkte reichen von Kultur und Medien bis Sport. Für seine Arbeit wurde er u.a. mit dem Laureus Medien Preis ausgezeichnet.

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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