Titel: Junge mit schwarzem Hahn
Autorin: Stefanie vor Schulte
Originaltitel
Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3257071665
Euro: 22,00
Veröffentlichungsdatum: August 2021
Seiten: 240
Serie: nein
Come in: vorablesen.de
Inhalt
Der elfjährige Martin ist der einzige
Überlebende eines Familiendramas und lebt allein mit seinem schwarzen Hahn. In
seinem Heimatdorf wird er gemieden, wenn auch zu den niedersten Arbeiten
herangezogen. Als ein reisender Maler für ein Altarbild beauftragt wird,
begleitet Martin ihn danach. Er lernt nicht nur die Welt außerhalb des Dorfes
kennen, er macht sich ebenfalls auf, den Verbleib der verschwunden Kinder, die
von mysteriösen schwarzen Reitern entführt wurden, aufzuklären. Dabei erfährt er
auch viel über sich selbst.
Meinung
Das vergleichsweise dünne Büchlein, welches an
einem Abend locker ausgelesen ist, weiß auf eine ganz eigene Art zu
unterhalten. Dabei ist es aber leider nicht ganz einfach dahinterzukommen, was
die Autorin mit ihrer Geschichte aussagen möchte. Denn die zugrundeliegende
Handlung ist recht profan und zudem äußerst geradlinig dargelegt.
Martin, der einen holprigen Start ins Leben hatte, nachdem der eigene Vater die gesamte Familie getötet hat, ist sympathisch, immer gefangen zwischen kindlichem, charmantem Verhalten und einer recht erwachsen wirkenden Denkweise. Ein Genie, wie es manchmal vorkommt, dem die Welt nicht gewachsen ist? Obwohl er die Geschichte nicht selbst erzählt, schaut der Leser oft mit seinem Blick auf die Geschehnisse. In einer nicht näher spezifizierten Welt, die gut ins Jahr 16xx passt, reiten alle vier apokalyptischen Reiter über das Land. Krieg, Pest, Hunger, Tod und Ausbeutung haben tiefe Spuren hinterlassen. Die Menschen sind nicht nur davon gebeutelt, sondern auch vom eigenen Aberglauben, der fehlenden Bildung und starren Regeln. Es ist also keine schöne Welt, in die Martin sich aufmacht und es wirkt, als habe die Autorin auch keine solche zeigen wollen. Irgendwie scheinen alle nur irgendwie überleben zu wollen – und das mit allen Mitteln, auch den unlauteren. Nur das Leben selbst haben sie verlernt. Martin verlässt den Maler irgendwann, weil er auch dessen inneren Kern erkannt hat und gerät an den Hof einer Fürstin, an dem sich viele seltsame Dinge zutragen. Das ist aber nicht nur der Story geschuldet, es wird alles zunehmend unverständlicher. Nicht nur fehlen einzelnen Figuren Motivationen, so dass nicht zu verstehen ist, warum sie so handeln wie sie es tun. Ihre Handlungen selbst scheinen eine Art Metapher zu sein, leider ist nicht zu verstehen wofür. Ein paar Seiten lang dreht sich dann alles im Kreis, bis einige Ereignisse aus Martins früher Kindheit aufgegriffen werden. Nur wieso sollte ein verlorener Wettbewerb seinen Vater zu seinen Taten angestachelt haben? Und das Dorf liegt entfernt, er wird doch inzwischen geschlafen haben können? Und was genau hat es mit den Kindern der Fürstin auf sich? Das war einfach nicht zu verstehen.
Am Ende scheint es auch keine Konsequenz aus allem zu geben. Martin kehrt heim. Ist er geläutert? Will er vielleicht gar nicht mehr von der Welt sehen? Oder war es tatsächlich nur das Lächeln eines Mädchens …
Wer einen tieferen Sinn sucht, muss ziemlich tief graben und es gibt keinen Garant dafür, dass sich etwas finden lässt. Aber die kurze Erzählung liest sich wirklich gut weg, wenn sie vermutlich auch nicht lange im Gedächtnis verhaftet bleibt.
Stefanie vor Schulte, 1974 in Hannover geboren, ist studierte Bühnen- und Kostümbildnerin. Sie lebt mit ihrem Mann und vier Kindern in Marburg. ›Junge mit schwarzem Hahn‹ ist ihr erster Roman.
Oh, spannende Besprechung. Ich war nach der Vorstellung durch den Verlag im Frühjahr total neugierig auf diese märchenhafte Geschichte. In den letzten Tagen nun erschienen einige Besprechungen - alle durchweg begeistert von der Sprache, den Bildern und der Geschichte. Ich selbst kam bei den bisherigen Kostproben, die ich las/hörte, noch nicht so wirklich ran an den Text, blieb aber neugierig. Du bist nun die erste, die sich kritischer zum dem Roman geäußert hat. Das nimmt das Buch von seinem Podest und ich bin gleichzeitig skeptischer als auch neugieriger auf den Roman.
AntwortenLöschenHallo und schön, dass Du mal wieder reinschaust. :)
LöschenIch bin auf eine sehr frühe Rezension aufmerksam geworden, leider weiß ich nicht mehr wo, und als das Buch bei vorablesen aufgetaucht ist, habe ich mitgemacht. Warum man es "märchenhaft" nennt, erschließt sich mir leider nicht und bei einigen anderen Besprechungen frage ich mich, ob man nicht vielleicht infrage stellen sollte, was man sonst liest, wenn dieses Buch ein (sprachliches) Highlight bildet. Nicht falsch verstehen, es liest sich sehr gut weg, ist gut gemacht und insgesamt habe ich es gerne gelesen. Aber da ist noch Luft nach oben, vor allem, wenn nicht zu verstehen ist, was ausgesagt werden soll. Dennoch: Greif zu, wenn Du die Möglichkeit haben solltest. :)
Hallo Daniela,
Löschenich glaube, die Beschreibung "märchenhaft" rührt u.a. durch die sprachlichen Bilder und weil wohl einige Lesende sich inhaltlich und atmosphärisch an "Krabat" oder Grimms Märchen erinnert fühlten.
Ich behalte das Buch auf jeden Fall im Blick und warte noch weitere Besprechungen ab - bei Neuerscheinungen sammeln sich anfangs ja zumeist die Lobeshymnen und kritischere oder ausgewogenere Meinungen folgen dann erst sukzessive.
Liebe Grüße
Kathrin
Hallo Daniela,
AntwortenLöschenich habe das Buch auch gerade beendet. Sprachlich hat es mir sehr gefallen, und die Handlung sehe ich eher gleichnishaft. Sie hatte für mich einen ausgeprägten Märchencharakter, quasi ein Märchen für Erwachsene. Vieles weist darauf hin, und ich muss sagen, die Geschichte hat mich schon ziemlich zum Grübeln gebracht. Für mich war die Kernaussage eigentlich der Sieg des Guten über das Böse. Ich habe mir ein wenig schwer getan, wie ich das Buch einordnen bzw. beurteilen soll, denn sprachlich hat es mir sehr gut gefallen. Aber es gab auch ein paar Passagen im Buch, da wusste ich nicht recht, was ich davon halten soll, beispielsweise dass ein Fluss bergauf fließt... *grübel*
Liebe Grüße
Susanne
Hallo Susanne,
Löschenah, schau an! Dann werde ich mal bei Dir nachlesen gehen. Sprachlich ist es sehr gut, aber ich sehe es weniger märchenhaft. Märchen heißt ja nicht, dass ich nichts verstehe oder dass Gleichnisse oder Metaphern eingesetzt werden, die niemand versteht. Mir gefiel es sehr bis zum Ende, daher war es für mich auch nicht einfach, das Buch einzuschätzen. Mir ist, als fehle noch etwas, als sei noch nicht alles gesagt. Etwas Profanes wie: Such die schönen Dinge im Leben (wie die Liebe), auch wenn nichts schön ist, ist mir dann zu wenig.
Aber das ist das. :) Buch ist gut zu lesen und ich würde jedem raten, es zu lesen, was nicht bedeutet, dass ich nicht auch etwas kritischer damit umgehen kann und sollte. ;-)
LG
Daniela