Titel: Das ferne Licht der Sterne
Autorin: Laura Lam
Originaltitel: Goldilocks
Verlag: Knaur
ISBN: 978-3426527009
Euro: 16,99
Veröffentlichungsdatum: Juni 2021
Seiten: 384
Serie: nein
Come in: vom Verlag
Inhalt/Klappentext
In einer nahen Zukunft steht die Erde kurz vor
dem endgültigen Kollaps. Einen anderen bewohnbaren Planeten zu finden, ist die
letzte Chance fürs Überleben der Menschheit. An diesem Projekt arbeiten die
Biologin Naomi Black und ihre Adoptivmutter, die visionäre Tech-Pionierin
Valerie, praktisch Tag und Nacht.
Doch als Valerie durch eine politische Intrige
von der Mission ausgeschlossen werden soll, überschlagen sich die Ereignisse:
Naomis Mutter kapert das Raumschiff und startet gemeinsam mit ihrer Tochter und
drei weiteren Wissenschaftlerinnen zu einer ungewissen Reise ins Weltall.
Bald kommt es an Bord zu ersten Zwischenfällen,
und Naomi muss erkennen, dass jemand ein tödliches Geheimnis verbirgt. Und dass
sie und Valerie möglicherweise nicht dasselbe Ziel verfolgen.
Meinung
Es ist nicht ganz einfach, meine Gedanken zu dieser Geschichte zu notieren, weshalb die Rezension auch nicht frei von Spoilern sein kann. Wer das Buch noch lesen möchte, sollte hier mit dem Lesen aufhören.
Dass ich mit dem aktuellen Zeitgeist nicht gut kann, ist kein Geheimnis. Durch aber genau diesen hat sich der geneigte Leser erst einmal viele Seiten lang zu wühlen. Obwohl das Geschehen knapp vierzig Jahre in unserer Zukunft liegt, katapultiert die Autorin die Figuren irgendwie in die Fünfziger und Sechziger zurück. Frauen haben kaum mehr Rechte, obwohl ihnen immer noch Bildung zugestanden wird. Die NASA hat klammheimlich (?) immer mehr die Frauen aus ihren Programmen ausgeschlossen und ähnliche Projekte, an denen dort gearbeitet wird, torpediert. Das schließt das Weltraumprogramm ein. Der Klimawandel hat in den wenigen Jahren die Erde fast unbewohnbar gemacht, vom All aus sieht sie nicht mehr blau und grün aus, sondern braun mit einigen wenigen grünlichen Fleckchen. Familien bestehen aus nur einem Kind, denn alle darüber werden besteuert. Überhaupt scheint alles zusätzlich besteuert zu werden – und zwar ohne, dass es etwas gebracht hätte. Vor allem das Denken der Menschen hat sich nicht geändert, was natürlich am „alten weißen Mann“ liegt (Zitat), der in den höheren Schichten immer noch das Sagen hat, sowohl in der Politik als auch z. B. in der NASA (der Präsident heißt übrigens Cochran).
In dieser Situation hat Valerie in einer abgelegenen Ecke der Welt heimlich eine Rakete gebaut. Sie plant, mit ihrer Ziehtochter und drei weiteren Frauen mit dieser zu einem Raumschiff zu fliegen, dieses zu kapern und sich zu einem neuen erdähnlichen Planeten, der nur wenige Jahre zuvor im Sonnensystem entdeckt wurde, aufzumachen. Sie wollen dort die Ersten sein, zwar wenige Jahre darauf gefolgt von einer weiteren Mission, vermutlich komplett männlich besetzt, aber ihnen dennoch voraus, da ein neues Lager errichtet und eigene Forschungen betrieben.
Die fünf Frauen ziehen es durch, erreichen das Raumschiff und fliegen mit diesem los. Ihr einziger Kontakt zur Erde ist Evan, der Sohn von Valerie und Ziehbruder von Naomi. Offizielle Mitteilungen gibt es auch, die wenigsten sind erfreulich. Auch die Presse hat sich einspannen lassen und lässt kaum ein gutes Haar an den Frauen. (Wie übrigens andere Frauen reagieren, wird komplett totgeschwiegen.) Die jedoch beeindruckt das zunächst wenig. Alle haben ihre Aufgabe. Naomi in etwa zieht Pflanzen, um den Energiebedarf der Crew aufzupeppen und zu decken.
Das erste Problem, vor dem alle stehen, taucht auf, als sie entdecken, dass die Zweitmannschaft, selbstredend alle Männer, in Kryokapseln stecken. Mit so vielen zusätzlichen Personen reichen aber die Ressourcen vermutlich nicht. Nach einem kurzen Unglück sieht es so aus, als würden die Männer – einer von ihnen ist Naomis Ex – ohnehin nicht überleben. Der Dialog zwischen den Frauen, der sich entspinnt, muss ausgehalten werden. Zwar haben einige Zweifel, aber der Tenor lautet: Wenn es andersherum wäre, würden sie nicht zögern uns zu töten (weil wir Frauen sind). Da hatte ich mit einem Mal alle älteren Filme und Bücher vor Augen und Ohren, vor allem jene (und das sind fast alle), in denen es stets hieß: Frauen und Kinder zuerst – wohlgemerkt nicht in den Tod – und wo das als Idealbild auch so durchgezogen wurde. Ältere SF-Werke hätten an dieser Stelle zumindest einen moralischen Dialog daraus gemacht oder es zumindest moralisch aufgearbeitet. Darauf verzichtet Lam leider komplett. Die Männer werden entsorgt, keiner weint ihnen eine Träne nach und das bis zum Ende. War schließlich unabdingbar. Ob man vielleicht wenigstens einen … nichts.
Als ich mich kurz darauf fragte, ob man in einem feministischen SF nicht auch ein paar weibliche Dinge angehen sollte (etwas, das der moderne Feminismus generell nicht gerne tut, wie es scheint), stellte sich heraus, dass Naomi schwanger ist. Denn ich vermute, dass es reichlich wenig Untersuchen darüber gibt, ob und wie Frauen (und ihr Zyklus) das All erleben (ob wir uns im All überhaupt fortpflanzen könnten, etc.). Keine Sorge, menstruieren muss niemand, wie sie das geregelt haben, wird aber leider auch nicht gesagt. Es dauert eine Weile, in denen immer mal wieder Kapitel aus der Vergangenheit Naomis eingeflochten werden, in denen angedeutet wird, dass der entsorgte Ex der Vater sein könnte. Allerdings stellt sich dann heraus, dass es Evan ist, denn beide haben nach Jahren, in denen die kühle Valerie eine Art Konkurrenz zwischen beiden angestachelt hat, herausgefunden, dass sie sich schon immer geliebt haben. Valerie duldet die Schwangerschaft, immerhin sollen ohnehin neue Kinder auf dem neuen Planeten zur Welt kommen. Das allerdings ist zu diesem Zeitpunkt noch ein Geheimnis.
Naomi, die heimlich Kontakt zu Evan hat, zweifelt immer stärker an ihrer Entscheidung. Und als ersichtlich wird, dass Valerie eigene Pläne verfolgt, hat sie die perfekte Entschuldigung, um zurück zur Erde, besser gesagt zurück zum Vater ihres Kindes, zu fliegen. Die Gründe sind recht verworren, es überschlagen sich ein paar Begebenheiten. Wichtig ist nur, dass Valerie eine neue Gesellschaft auf dem neuen Planeten errichten wollte. In künstlichen Gebärmuttern sollten tiefgefrorene Embryonen von ausgewählten Elternpaaren zur Welt kommen, die dann nach Valeries Vorstellungen geformt werden sollten („Bildung“, Erziehung in der Schule etc.). Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass diese ziemlich extremistisch sind. Ein eiskalter Schauer über den Rücken inklusive, wenn man die Parallelen zu unserer Welt zieht. Und Naomi scheint nicht zu stoppen zu sein. Um sicher zu stellen, dass ihnen wirklich niemand folgt, hat sie ein Virus im Labor entworfen, das vor allem Ältere tötet, und es auf der Erde freigesetzt. Wer überlebt, hat andere Probleme, als ihnen ins All zu folgen. Naomi wird klar, dass sie Valerie stoppen muss. Die Frau, die man als Mann wohl größenwahnsinnig genannt hätte.
Die Ereignisse in der Crew sind spannend erzählt. Ein bisschen Klischee ist immer dabei, wenn in etwa die russischstämmige Frau sich auf Valeries Seite stellt. Aber gut, da sind wir wohl alle einfach zu sehr von Hollywood geprägt worden und immerhin sieht sie ihren Fehler ein.
Das Ende entschädigt für den Anfang. Allerdings verwirrt es auch. Was genau die Autorin mit dem Buch aussagen möchte, ist mir leider nicht klar – auch nach Tagen, ehe ich diese Rezension schreibe. Naomi hat kaum mehr andere Gedanken, als zu Evan zurückzukehren, das übrigens erst, seit sie von ihrer Schwangerschaft weiß und sich für das Kind entschieden hat. Auf Höhe des Mars hätte sich alles entschieden (Sinnbild für?).
Sie kehren also zurück und nehmen alle gemeinsam, Frauen und Männer zusammen, die Probleme in die Hand. Es wird besser. Valerie hat Jahre im Gefängnis verbracht. Ihr Traum ist gestorben. Oder doch nicht. Als Naomis Tochter ein Teenager ist, sie und Evan haben noch ein weiteres adoptiert, denn seit dem Virus gab es zahlreiche Waisen, stehen alle zusammen auf eben diesem neuen Planeten, der offenbar schon erschlossen und bebaut wurde und entlassen Valeries Asche ins All. Man hat also in knapp fünfzehn Jahren geschafft, was in den vorangegangenen vierzig nicht möglich war. Wie wird leider nicht gesagt. Meint Lam, dass wir erst unsere Probleme lösen müssen, ehe wir sie mit auf andere Welten schleppen? Meint sie, dass wir nur gemeinsam an den Problemen arbeiten können und uns nicht mehr gegenseitig aufhetzen lassen sollten? Ich hoffe es sehr, denn da bin ich ganz bei ihr.
Der Originaltitel lautet übrigens „Goldlöckchen“. Ich kenne das Märchen nicht und die Nacherzählung wirkt befremdlich, wenn ich es in Bezug zu dieser Geschichte setzen sollte. Einzig beim „Goldlöckchen-Prinzip“ klingelt es. Zwei Extreme und Goldlöckchen dazwischen; die perfekte Mitte. Allerdings begann die Geschichte einst nicht mit einem goldgelockten Mädchen, das benutzt hat, was anderen gehörte, obwohl sie es selbst besaß, sondern einer alten Frau, die mutwillig alles zerstört hat.
Ich weiß nicht, was Laura Lam mit ihrer Geschichte aussagen wollte. Der Anfang ist zwar klischeebeladen und damit ein wenig unglaubhaft. Allerdings verfügt sie über eine flüssige und angenehme Art zu schreiben, so dass es flott vorwärts geht. Ein bisschen lähmend wirken die Erinnerungskapitel, aber das kann überlesen werden. Für jene, die sich für die aktuelle Ideologie interessieren, sicher sehr lehrreich, insbesondere was Valerie und ihre Sichtweise anbelangt. Ansonsten nur etwas für Leser, die ohne Abenteuer, mit wenigen Konflikten und einer Menge Klischees, aber einem riesengroßen Zeigfinger auskommen können. Das All und generell SF spielen nur eine untergeordnete Rolle, logo.
Bestsellerautorin Laura Lam wuchs in Kalifornien auf und lebt heute in Schottland. Neben ihrer Arbeit als Schriftstellerin unterrichtet sie Creative Writing an der Edinburgh Napier University. Ihr Roman »Das ferne Licht der Sterne« ist ein dystopischer Thriller, der gekonnt gesellschaftliche und politische Themen miteinander vereint und dabei eine düstere, aber am Ende hoffnungsvolle Zukunftsvision schafft.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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