Dienstag, 23. November 2021

Q: In dieser Welt ist Perfektion alles - Christina Dalcher

 


Titel: Q: In dieser Welt ist Perfektion alles

Autorin: Christina Dalcher

Originaltitel: Master Class

Verlag: Fischer

ISBN: 978-3596704538

Euro: 16,99

Veröffentlichungsdatum: Oktober 2021

Seiten: 384

Serie: nein

Come in: vom Verlag

 

 

 

Inhalt
Elena Fairchild ist seit zwanzig Jahren verheiratet, Mutter zweier Töchter und Lehrerin an einer Eliteschule. Der Wert eines Menschen bemisst sich im Q-Wert, der in regelmäßigen Tests an den Schülern bemessen wird. Silber ist Elite, Grün noch ganz okay, aber die gelben Busse bringen die Kinder an einen geheimen Ort, von dem sie nicht zurückkehren. Als Elenas jüngste Tochter Freddie durch einen Test fällt und herabgestuft wird, versucht die Mutter alles, um sie zurückzubringen. Hilfe erhält sie keine, aber sie deckt Ungeheuerliches auf.

 


Meinung

Mit dem Vorgänger „Vox“ hat die Autorin viele Leser gefunden, bei mir jedoch den Verdacht ausgelöst, sich sowohl zu sehr inspiriert haben zu lassen, als auch einer gefährlichen Ideologie zu folgen, die sie vermutlich nur wegen des höheren Verkaufswertes aufgegriffen hat.

Das, muss ich leider gestehen, trifft zumindest auf dieses vorliegende Buch zu, das darüber hinaus auch noch so schlecht geschrieben wurde, dass es mich mehr als erstaunt, dass es nicht nur in einen Verlag gefunden hat, sondern auch in mindestens eine Übersetzung.

Die Story, die die Autorin dem Leser präsentiert, ist so hanebüchen und zusammengeschustert, dass sie hinten und vorne keinen Sinn ergibt. Worauf sie hinaus will, ist ebenfalls nicht zu erkennen. Das muss in Teilen auch das ursprüngliche Lektorat erkannt haben, denn es sind in der Handlung ein paar Löcher versucht worden zu stopfen, was aber nur mäßig genutzt hat.

Elena ist seit zwanzig Jahren verheiratet, aber in letzter Zeit unglücklich. Sex gibt es keinen mehr, was sie an den letzten zwanzig Jahren zweifeln lässt – die arme Frau, der nach einem sehr bequemen Leben, just als es dieses nicht mehr gibt, auffällt, dass ihr Mann ein Monster ist. Ihr Mann, ein hoher Regierungsbeamter und Befürworter der aktuellen Q-Politik, kommt über sein schlechtes Image leider nie hinaus, er ist der Bösewicht und das in jeder Hinsicht. Er liebt nur die ältere Tochter Anne, weil sie das ist, was er als perfekt empfindet, die jüngere will er schnellstens aus dem Haus, auch wenn sie erst neun Jahre alt ist. Nette Worte gibt es für niemanden und es dreht sich endlos lange darum, dass Elena so vor sich hin leidet. Das macht leider beide zu sehr eindimensionalen Charakteren, denen zu folgen kein wahres Lesevergnügen aufkommen lässt.

Die Q-Tests selbst werden nicht näher beschrieben, aber sie scheinen aus Texten und mathematischen Aufgaben zu bestehen. Wie genau auf diese Weise herausgefunden wird, wer eine dunklere Hautfarbe besitzt oder lesbisch ist (das betreffende Mädchen hält es geheim), erschließt sich mir nicht. Ich hoffe sehr, dass die Autorin nicht andeuten möchte, dass diese Personengruppen per se nicht so clever oder gut im Lernen sind. Denn irgendwie bleiben an den silbernen Schulen nur die „weißen, privilegierten“ übrig. An dieser Stelle nicht laut aufzuseufzen, fällt schwer. Warum das mit dem Q – Elena und ihr Mann waren selbst noch Schüler – aufgegriffen wurde, da plötzlich mehr Einwanderer ins Land gekommen sind, hängt ebenfalls unzusammenhängend in der Luft.

Bei den Erwachsenen setzt sich der Q-Wert offenbar noch aus diversen anderen Dingen zusammen: immer pünktlich, wer ist Ehepartner (und gibt es überhaupt einen), Höhe des Verdienstes, …

Elenas Großmutter ist in die USA eingewandert – aus Deutschland. Sie hat die Nazis persönlich miterlebt und versucht ihre Enkeltochter mehr für das in ihren Augen falsche System zu sensibilisieren. Dazu legt sie eine Jungmädchenuniform vor sie hin, die ihr einst als BdM (Bund deutscher Mädel) gehört hat. Dass es mehr als seltsam ist, dass sie diese nicht nur aufbewahrt hat, sondern auch noch mehrere Umzüge lang, und einer davon immerhin auf einen anderen Kontinent, muss aufgefallen sein. Denn wer kein Anhänger, sondern Gegner ist, würde das wohl nicht tun. Aber warum sollte so jemand diese Uniform bei einem Garagenflohmarkt kaufen? Sicher, woher sie die Uniform hat, ist sich die Familie jedenfalls später nicht.

Während also das Mädchen in den gelben Bus steigt und Elena über ihren Jugendfreund reflektiert und dass sie wohl besser den geehelicht hätte, vergeht ein Großteil des Buches, ohne dass sich etwas bewegen noch die Welt genauer gezeigt werden würde. Seltsamerweise spielt Sex eine nicht unerhebliche Rolle bzw. die Frage Elenas, ob sie jemals wieder welchen haben würde, da sie (Achtung) über vierzig sei.

Sie entschließt sich dann, ihre Tochter zu suchen. Die gelben Busse sollen angeblich verschwinden, niemand weiß wo. Aber es schält sich dann heraus, dass die Eltern ihre Kinder regelmäßig besuchen können – sofern sie sich das leisten können. Es scheinen besondere Internate zu sein, an denen auch Lehrer lehren. Das weiß Elena plötzlich, die ja selbst Lehrerin ist. Aber zuvor dealte die Handlung eher damit, dass die Kids auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Aber wie sollte das auch geschehen? Sie sagt selbst, dass es jemanden geben müsse, der an der Kasse oder im Burger-Laden arbeite. Also kann faktisch niemand „verschwunden sein“. Wenn aber immer alle alles gewusst haben … es ist zu verwirrend und ergibt dazu noch keinen Sinn. Immerhin steht es selbst im Klappentext – wer also hier eine spektakuläre oder zumindest stimmige Aufklärung erwartet, wird sehr enttäuscht sein.

Elena schafft es, Lehrerin an einer dieser Schulen zu werden. Dort taucht überraschend der beste Freund ihres Mannes auf, der schon immer scharf auf sie gewesen ist (sie dann aber nicht mehr will, weil sie, richtig, über vierzig ist). Selbstredend ist auch er ein „Nazi“ wie er im Buche steht und damit ein ebenso flacher Charakter, von dem klar ist, wie er handeln wird und so wenig Überraschungen für die Handlung bereithält. Dass er alles ihrem Mann steckt, geschenkt. Was es mit dieser seltsamen Operation auf sich hat, hat sich mir bis zum Ende nicht erschlossen. War der Mann nicht in der Lage, diese ordentlich durchzuführen? Oder sollte die arme Frau über vierzig schlicht ihr Leben lassen, um die Welt zu retten bzw. sich opfern?

Elena hat eine gleichdenkende Spionin an der Seite, für die sie eben dieses Freund abhört. Elena, die zuvor was Männer anbelangte nichts allein hinbekommen hat, schafft es nun über mehrere Tage und Orte hinweg, ihr geheimes Material auch wirklich geheim zu halten und im richtigen Moment den richtigen Leuten zuzustecken. An dieser Stelle ist diese komplett geistlose Handlung schon so frustrierend, dass sie weder Sinn ergibt noch Spaß macht. Spätestens nach dem ersten Drittel liest man ohnehin nur weiter, weil man wissen will, wie schlecht es noch werden wird.

Mich hat dieser dilettantische Versuch eines zukünftigen Gesellschaftsmodells maßlos wütend gemacht. Das ist genau der ideologische Scheibenkleister, von dem ich nur dringend abraten kann. Wenn man so etwas anfässt, dann bitte richtig und überlegt. Dass es Bewertungssysteme bereits heute auf der Welt gibt, ist kein Geheimnis. Auf die dahinter liegende Gefahr hinzuweisen, ist sehr wichtig. Das aber bitte nur mit Grips, danke.

 

 

Christina Dalcher ist Autorin des internationalen Bestsellers »Vox«. Die Amerikanerin promovierte an der Georgetown University in Theoretischer Linguistik und forschte über Sprache und Sprachverlust. Ihre Kurzgeschichten und Flash Fiction erschienen weltweit in Magazinen und Zeitschriften, u.a. wurde sie für den Pushcart Prize nominiert. »Q« ist ihr zweiter Roman.

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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