Autorin: Liv Strömquist
Originaltitel: Kunskapens
frukt
Verlag: avant-verlag
ISBN: 978-3945034569
Euro: 19,95
Veröffentlichungsdatum: März
2017
Seiten: 140
Serie: nein
Come in: Tausch
Inhalt/Klappentext
In Der
Ursprung der Welt zeichnet die Autorin Liv Strömquist die Kulturgeschichte der
Vulva nach - von der Bibel bis Freud, vom unbeholfenen Biologieunterricht bis
hin zur aktuellen Tamponwerbung.
Sie
bedient sich des Mediums Comic, um in sieben Episoden auf nonchalante und
scharfsinnige Art die noch immer geltenden patriarchalen Machtverhältnisse in
Frage zu stellen und bestehende Probleme pointiert zu benennen.
Die
studierte Politikwissenschaftlerin Liv Strömquist ist nicht nur eine umtriebige
Künstlerin, sondern auch eine über die Grenzen der schwedischen Comic-Szene
hinaus viel beachtete Stimme, die ihre politische Haltung und das soziologische
Interesse zu feministischen und popkulturellen Phänomenen in den Fokus ihres
Schaffens stellt. In ihren beliebten TV- und Radioformaten geht sie mit
bissigem Humor und vernichtender Kritik gegen bestehende gesellschaftliche
Machtstrukturen an.
Bereits
kurz nach Erscheinen stand Liv Strömquists Werk auf meiner Wunschliste,
verschwand dann jedoch aufgrund des Preises leider recht schnell davon. Als ich
es nun in einer Tauschbörse ergattern konnte, war ich nicht nur sehr erfreut,
sondern auch ziemlich überrascht. Denn es handelt sich bei „Der Ursprung der
Welt“ um ein Comic.
In
diesem beschäftigt sich die Schwedin mit dem, was gemeinhin als „das weibliche
Geschlecht“ gilt und arbeitet sich dabei zeitlich an der Historie hoch. Dabei
steht aber nicht die Frau oder die weibliche Sicht auf die Thematik im
Blickpunkt Strömquists, sondern die männliche. Laut der Autorin ist es nie
fehlendes Interesse der Männer an diesem Thema gewesen, das zu vielen
Problemen, Scham und Ausgrenzung geführt hat, sondern ZU VIEL. Dies erläutert
sie sehr anschaulich an sieben Männern, die auf recht abenteuerliche Ideen
betreffs Frauen, ihren Vulvas oder weiblichen „Besonderheiten“ kamen. Diese
nachzuweisen gelang ihnen nur selten, aber aus ihren Behauptungen wurden
„Wahrheiten“, die leider auch heute noch nachwirken. Die Abbildung der Vulva in
etwa hat sich in etwas Schamhaftes, etwas Verbotenes gewandelt, das es
auszuschließen gilt. Sie wurde auch im zwanzigsten Jahrhundert noch ausgegrenzt
und teilweise sogar als etwas Abnormales gesehen. Mir ist selbst nie
aufgefallen, dass auf der Plakette, die die NASA 1972 auf einer Raumsonde anbrachte,
um diese ins All zu schießen und anderen Lebensformen von unserer Existenz zu
berichten, zwar ein korrekt dargestellter nackter Mann inklusive
Geschlechtsteil abgebildet ist, aber das bei der Frau völlig anders ist. Da
fehlt nämlich ein kleiner Strich. Angeblich hätten die Gestalter Angst gehabt,
dass eine Zeichnung mit Vulva von der Leitung nicht genehmigt würde. In einer
Mission, in der es genau darum ging! Strömquist kann sich dann auch einige
Seitenhiebe in Form von ihr gezeichneten Aliens nicht verkneifen, die kaum bei
uns angekommen (dazu diente die Mission ja), so enttäuscht darüber sind, dass
sie nie Kontakt aufnehmen.
Die
Autorin geht aber auch auf eine Urzeit ein, in der die Menschen das alles wohl
einmal anders sahen. Das muss aber lange vor den heute bekannten Hochkulturen
gewesen sein, fünfstellige Jahreszahlen zeigen Höhlenmalereien oder von
Menschenhand geformte Figürchen (nein, nennt sie bitte nicht „Venus“). Die
Vulva wie auch Vorgänge im weiblichen Körper haben unsere Vorfahren wohl einst
stark (positiv) bewegt – wenn man dazu die ersten Beobachtungen rund um die uns
umgebenden Himmelskörper hinzudenkt und wie diese mit dem Zyklus
zusammenhängen, braucht es nicht viel Phantasie, um in die dazugehörende
Gesellschaft einzutauchen. Originale Abbildungen belegen Strömquists
Erläuterungen.
Woran
ich mich erst gewöhnen musste, war die teils sehr stark auf lässig und fresh
gemachte Erzählweise. Das sollte wohl Witz schaffen, um die oft sehr ernste
Thematik aufzulockern. Wäre gar nicht notwendig gewesen. Zum einen wirkt das
meiste davon vermutlich nur in mündlicher Form. Zum anderen „lockern“ die
erzählten Fälle von ganz allein auf. All dieser Quatsch, der das Leben von
Frauen brandgefährlich gemacht hat und nun hoffentlich bald von neuen
Erkenntnissen wiederlegt werden kann, so dass sich nicht mehr so viele Frauen
an der Vulva (schönheits-)operieren lassen wollen. Sigmund Freuds best buddy
Wilhelm Fließ in etwa, der glaubte, die Nase der Frauen sei mit deren
Geschlechtsorganen verbunden. Das musste eine dieser Frauen, die wegen
Regelschmerzen zu Freud kam, mit einem entstellten Gesicht bezahlen. Auf so
etwas kommt doch nicht einmal ein Komiker.
„Der
Ursprung der Welt“ leistet sehr wertvolle Aufklärungsarbeit für Männer und
Frauen und unterhält dabei noch großartig. Man ist immer wieder versucht, dies
als fiktives Werk anzusehen, doch Strömquist hat alle Aussagen mit Quellen
unterlegt. Obwohl es schnell gelesen ist – leider manchmal mit recht kleiner
oder verschnörkelter, kaum zu entziffernder Schrift – lädt es geradezu zu
weiteren Nachforschungen ein. Ausgesprochen gelungen!
Liv Strömquist, geboren
1978 in Lund, Schweden, ist eine der einflussreichsten feministischen
Comiczeichnerinnen.
Die studierte Politikwissenschaftlerin
zeichnet regelmäßig für unterschiedliche schwedische Magazine und Zeitungen.
Ihre Buchveröffentlichungen befassen sich mit sozialen Fragen mit einer
Bandbreite an Referenzen von Popkultur bis zur Bibel. Ihr Titel „Der Ursprung
der Welt“ befasst sich mit der gesellschaftlichen Tabuisierung von Menstruation
und der Vulva. Quasi eine Kulturgeschichte der Vulva - von der Bibel bis Freud,
vom unbeholfenen Biologieunterricht bis hin zu aktueller Tamponwerbung.
Liv Strömquists Gesellschaftskritik
beruht auf Fakten und kombiniert unbändige Freude an Sprachwitz und berechtigte
Wut mit ihren ausdrucksstarken Zeichnungen.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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