Autorin: Basma Abdel Aziz
Originaltitel:
Verlag: Heyne
ISBN: 978-3453320468
Euro: 14,99
Veröffentlichungsdatum: April
2020
Seiten: 288
Serie: nein
Come in: vom Verlag
Inhalt/Klappentext
Ein
nicht näher benanntes Land im Nahen Osten: Seit der Niederschlagung der
Revolution brauchen die Bürger für jede noch so kleine Kleinigkeit in ihrem
Leben – sei es die Überweisung zum Arzt oder die Erlaubnis, Brot zu kaufen –
die Genehmigung des Staates. Um die zu erhalten, müssen sie sich vor einem
riesigen Tor anstellen, das angeblich jeden Tag nur einer gewissen Anzahl an
Anträgen stattgibt. In Wirklichkeit aber öffnet sich das Tor niemals, und die
Schlange der Menschen, die in der glühenden Hitze warten, wird länger und
länger, ihre Verzweiflung immer größer. Und doch will keiner von ihnen die
Hoffnung aufgeben, dass das Tor eines Tages aufgehen wird ...
Das
Tor ist neu, irgendwie über Nacht entstanden, eine neue Mischung aus
Bürokratie, Diktatur und Überwachung. Das Tor ist alles, denn ohne es geht
nichts. Die Schlange aus den unterschiedlichsten Menschen der Gesellschaft, die
sich davor aufgereiht hat, wird immer länger. Sie warten, denn alle haben ein
Anliegen, ohne jenes es nicht weitergehen kann. Doch das Tor öffnet sich nicht
– und Gerüchte entstehen, werden zu Mutmaßungen und zu Verdächtigungen. Und
mitten drin die einzelnen ausgewählten Charaktere, die ein sehr breit
gefächertes Bild einer fiktiven arabischen Welt aufzeigen sollen. Und immer
wieder das Tor, das zu wissen scheint, was vor sich geht, das lenkt und
vertuscht.
Man
sieht, einfach macht es die Autorin ihrer Leserschaft nicht. Und obwohl das
Werk gelungen ist, braucht es jedwedes Stehvermögen, um bis zum Ende
durchzukommen. Das liegt vor allem daran, dass die Autorin alles nur
nacherzählt (in kurzen, knappen Sätzen) und keinerlei aktive Szenen gestaltet.
Es stockt mit jeder fortschreitenden Seite mehr und nur sehr beherzte Leser
vermögen es, nicht vorzublättern oder Seiten zu überspringen. Denn gleichzeitig
arbeitet Abdel Aziz auch mit Bildern, die zu verstehen als Europäer nicht immer
ganz einfach ist. Wer sich jedoch die Mühe macht, dranzubleiben und über eine
zumindest mäßige politische und kulturelle Bildung verfügt, wird schnell
merken, was die Autorin hier geschaffen hat. Sie greift allerhand Themen auf,
die sozialkritisch zu betrachten sind, verliert aber nie den Sinn für ihre
Erzählung. Vieles wirkt unglaublich, manches abstrus, einiges recht düster.
Dass Abdel Aziz jedoch nicht nur fabuliert und philosophiert, sondern aus
realen Ereignissen schöpft, macht ihr Werk nur umso besser.
Die
Übersetzung direkt aus dem Arabischen ist gelungen, die Übersetzerin auch eine
der bekanntesten für Arabisch-Deutsch. Mir sind nur zwei Dinge bei der
nachträglichen eigenen Recherche aufgefallen. Im Werk gibt es den „Mann im
Dschilbab“, aber ein solches Kleidungsstück für den Mann (eben nur für die
Frau) scheint es nicht zu geben. Ich dachte zunächst an dieses bodenlange
Gewand, das manche Männer in arabischen Ländern tragen (Kaftan). Ein Dschilbab
ist jedoch ein Obergewand, das Kopf und Oberkörper bedecken soll. Handelt es
sich um einen Übersetzungsfehler oder soll das so? Des Weiteren kommt nur ein
einziges Mal das Wort „Allah“ vor, in allen anderen Fällen ist es „Gott“. Das
erschien mir nicht passend und das gleich aus mehreren Gründen.
„Das
Tor“ ist keine leichte Lektüre, lohnt aber in jedem Fall. Von einer dystopisch
totalitären Welt, undurchsichtigen Befehlen und Weisungen, strengen
ideologischen, religiösen, geschlechtlichen und gesellschaftlichen Anschauungen
und genug Parallelen zu unserer Zeit und Welt ist alles vorhanden.
Basma Abdel Aziz wurde
1976 in Kairo, Ägypten, geboren. Sie arbeitet als Künstlerin, Schriftstellerin
und Psychiaterin, wobei sie auf die Behandlung von Folteropfern spezialisiert
ist. In ihrer Heimat setzt sie sich unermüdlich für den Kampf gegen
Unterdrückung und Verletzung der Menschenrechte ein. Für ihr literarisches
Schaffen wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet. Die Autorin lebt in Kairo.
Interessant, die unterschiedlichen Cover hier zu zeigen. Wie bist Du an sie gekommen? Interessant auch, dass ich in diesem Fall nachvollziehen kann, dass für den deutschen Titel nicht "Die Schlange" verwendet wurde, sondern "Das Tor", was ich gleichfalls passend ist.
AntwortenLöschenDass "Allah" durch das neutralere Wort "Gott" ersetzt wurde (wenn das im Original nicht auch schon so war, wer weiß?), dürfte sicherlich an der deutlich empfindsameren Natur der Muslime liegen, wenn der Name Gottes in einem in ihren Augen nicht rechten Licht steht. Dem Buch ist ja durchaus an allem Ecken und Kanten anzumerken, dass die Autorin provozieren möchte, ohne irgendwem direkt auf die Füße zu treten.
Wenn Du Lust zum stöbern hast.
Viele Grüße
Frank
Hallo Frank,
Löschenwillkommen im Blog!
Ich habe das originale Cover (also das arabische) gesucht und bin auf die anderen Cover aufmerksam geworden. Das vorherige deutsche Cover mit dem orangen Auge war es, das mich einst auf das Buch aufmerksam gemacht hat (und das ich immer noch favorisiere). Ich glaube aber, dass das jetzige als Verkaufsargument vielleicht doch die bessere Wahl ist. Übrigens heißt es im Original wohl sogar "Die Warteschlange", aber stimmt, es passt beides. :)
Nun, das Wort kommt ja nur einmal, dafür aber in einer Wortzusammenfügung vor, die zumindest in Europa für ziemlich viel Empfindsamkeit sorgt. Wie es im Original ist, kann ich leider nicht sagen, gibt es dort zwei Wörter für "Gott"? Vielleicht ist es auch die Entscheidung des deutschen Verlages gewesen, wer weiß.
Danke, ich schaue schon regelmäßig vorbei ;-)
LG
Daniela
Ja, im Englischen heißt es ja auch Queue - ich hadere ja oft mit den deutschen Lokalisierungen, aber in diesem Fall find ich die auch gelungen. Ich glaub aber nicht, dass der Verlag Einfluss auf die Wortwahl genommen hat und ich habe keine Ahnung, ob es im Arabischen auch eine Unterscheidung zwischen Allah und Gott gibt. Interessante Fragestellung :)
LöschenStimmt. Ich bin mit dem deutschen Titel allerdings auch sehr einverstanden. Und nun, wie viele Worte haben wir für "Gott"? ;-)
LöschenIch habe geforscht und tatsächlich ist "Allah" die Übersetzung für Gott im Allgemeinen, also nicht nur für den islamischen, sondern auch für den christlichen oder jüdischen oder wen es da sonst noch so gibt. Es dürfte sich demnach um einen Fehler im Buch handeln, wenn dort noch Allah zu finden ist, da ja schon durchgängig von Gott die Rede ist.
LöschenIch glaube nicht an einen Fehler, es ist ja die Wortzusammensetzung an dieser Stelle, um die es geht. Und mit Gott würde die nun wieder nicht funktionieren, da das zweite Wort ebenfalls nicht übersetzt wurde.
LöschenAnsonsten sehr interessant. :) Ich gebe zu, so etwas interessiert mich sehr, so dass ich mich daran "festbeißen" könnte. :)