Seit einiger Zeit frage ich mich immer mal wieder, ob mit mir etwas nicht stimmt. Ich lese nun von Natur und Erziehung gegeben sehr viel. Aber nur ganz, ganz selten gefällt mir noch, was ich lese. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Das Thema spricht mich nicht an, die Sprache ist grausig, Aufbau und Plot der Handlung beweisen, dass der Autor keine Ahnung von dem hatte, was er da eigentlich tun sollte.
Dann aber gibt es jene Bücher, die mich überraschen. Die müssen dann noch nicht einmal super geschrieben sein. Sie gefallen mir einfach. Leider ist das nur selten der Fall. Und ich frage mich wirklich, ob ich zu kritisch geworden bin mit den Jahren.
Man sagte mir, ich solle mich einfach darauf einlassen, aber tut man das denn nicht automatisch, wenn man zu einem Buch greift? Sogar dann, wenn man „gezwungen“ ist, dieses zu lesen? Hält man nicht den Atem an, wenn der Held seine ersten Schritte auf dem Parkett der Bühne macht? Wenn er die ganze Welt umarmen will, gegen Drachen oder Dämonen kämpft, Liebe und Hass empfindet oder einfach nur „gut“ oder „schlecht“ in seinen Kalender schreibt, für die Art des Tages, den er gehabt hat? Klar, manchmal seufze ich schon beim Lesen eines Klappentextes. DAS soll mich erwarten? Aber erfahrungsgemäß entwickelt jede Geschichte ihre ganz eigene Dynamik und versetzt mich als Leser damit in eine nur für sie typische Schwingung. Die Ultraschallwellen kann keiner sehen, sie wirken nur vom Buch zu mir und von mir zum Buch.
Die kleine Ratte Firmin (Sam Savage) frisst ganze Seiten eines Buches, bis sie bemerkt, dass sie lesen kann. Aber schon zuvor lagen ihr einige schwerer im Magen, als andere. Sie waren einfach nicht ihr Geschmack.
Wenn man mich fragt, ob mir etwas geschmeckt hat, dann sage ich auch mal ganz offen, wenn es nicht so war. Grüne Bohnen sind mir einfach verleidet worden und Bananen vertrage ich nicht. Das finden die Leute ganz normal. So wie Vegetarier oder Nicht-Alkoholtrinker. Aber wenn jemand offen sagt, dass ihm ein Buch nicht gefallen hat, dann muss der Kritiker mit Kritik rechnen.
Nun, damit kann ich leben. Jeder Mensch hat seine eigene Meinung und das ist auch gut so. Aber bin ich zu kritisch geworden, zu anspruchsvoll oder gibt es wirklich nur noch wenige Autoren, die es wirklich drauf haben?
Man sagte mir, Kritik wolle gelernt sein. Das stimmt. Aber jeder hat mal klein angefangen, Kritiker wie Autoren. Und nicht selten sind beide eins. Da kann es durchaus vorkommen, dass sich ein Kritiker in der Wortwahl vergreift und sich ganz allgemein zu weit aus dem Fenster lehnt. Ist das nicht normal, wenn man lernt? Sind Fehler da nicht vorprogrammiert? Und ist das nicht bei Autoren das gleiche?
Aber neben jedem Kritiker (der negative Aspekte nennt) gibt es auch mindestens einen Fan. Hält sich das die Waage, dann ist es gut. Steigt eines von beiden zu sehr nach oben, dann ist das schlecht. Jedes gute Werk muss auch jemanden haben, der es kritisiert. Das zeigt nur, dass derjenige sich mit dem Geschriebenen auseinandergesetzt hat. Gibt es niemanden, der das tut, ist es der Text vielleicht gar nicht Wert, dass man über ihn nachdenkt. Kritiker und Fans sind nun von Natur aus wie Feuer und Wasser. Und ich wette, jeder Leser dieses Textes kann aus dem Stehgreif mindestens zwei oder drei Werke nennen, bei denen sich die Geister scheiden. Sogar der eigene.
Man sagte mir, neben der Biografie eines Autors, brauche es auch eine Biografie eines Kritikers. Auch das stimmt sicherlich. Jeder Schritt im Leben bringt eine eigene Meinung hervor, nur die Menschen ohne eine solche sind verloren. Bedingt diese aber das Gefallen und Nichtgefallen eines Textes? Und wenn ja, muss das automatisch etwas Schlechtes sein?
Die bekanntesten Kritiker sind im allgemeinen solche, die sich nicht an die Vorgaben halten. Das ist bei Autoren im übrigen nichts anderes. Natürlich muss man die Regeln erst einmal kennen, um sie zu brechen, das Handwerk gehört dazu. Aber wenn eine „Rezension“ eines Hobbykritikers aussieht wie die andere, der Aufbau sich gleicht, Punkt für Punkt eines unsichtbaren Protokolls abgehakt wird, vergeht dem Leser des Lesers schnell die Lust. Das war früher in der Kulturszene, als es noch kein Internet gegeben hat, nicht anders. Allerdings wurde den Kritiken – und da hießen sie noch so, heute nennt man das ja „Rezensionen“ – auch viel mehr Platz eingeräumt. Sowohl in ihrer Wichtigkeit (will man das so nennen), als auch rein formal der Wortwahl folgend.
Weltbild ist mit 300 Zeichen noch gut dabei, der LoveLetter lässt seinen Rezensenten noch 200-250 und im Büchermagazin können es nicht mehr als 100-150 sein, auch wenn ich das nicht nachgezählt habe. Genau das ist aber unheimlich kompliziert. Die eigene Meinung in so wenigen Worten finden, die sich den Platz 50:50 mit einer Kurzinhaltsangabe teilen müssen. Wie viel Raum bleibt da noch?
Die Regeln engen ein, zumal sie nicht nur in der Längenbegrenzung bestehen.
Ich kritisiere das Kritisieren. Soweit ist es schon gekommen.
Nachdem ich den Inhalt meiner – doch recht wirren – Gedanken nicht in 150 Zeichen zusammenfassen konnte, folgt nun meine eigene Meinung:
Ich lese viel. Und mit den Jahren ist es immer mehr geworden, so dass ich mehr Auswahl an Gefallen und Nichtgefallen in mir trage. Ich bin älter geworden, meine Meinung und meine Ansichten haben sich mehr als einmal um 180 Grad gedreht, ohne dass ich jemals an irgendeinen Ausgangpunkt zurückgekehrt wäre. Ich verändere mich und so verändert sich auch der Markt. Was in meiner Kindheit up to date war, ist heute veraltet und vergessen. Die wenigen guten Bücher heißen nun „Klassiker“ und hätten sich das wohl kaum zu träumen gewagt. Die meisten guten Bücher sind allerdings in der Masse der neutralen oder schlechten untergegangen. Es ist Glück, etwas zu finden, dass gefällt. Und was mir gefällt, muss Dir nicht auch gefallen. Das ist gut so, darum gibt es so viel Auswahl.
Ich wünschte nur, jemand könnte mir eine Liste zusammenstellen mit Büchern, die mir garantiert gefallen, damit ich nicht so oft die Nieten ziehe. Aber wer sollte diese Liste machen, wenn nicht ich selbst?
In diesem Sinne: kritisiert, seid offen und wachsam, werdet erwachsen, wandelt euch und genießt, was geboten wird.
Dann aber gibt es jene Bücher, die mich überraschen. Die müssen dann noch nicht einmal super geschrieben sein. Sie gefallen mir einfach. Leider ist das nur selten der Fall. Und ich frage mich wirklich, ob ich zu kritisch geworden bin mit den Jahren.
Man sagte mir, ich solle mich einfach darauf einlassen, aber tut man das denn nicht automatisch, wenn man zu einem Buch greift? Sogar dann, wenn man „gezwungen“ ist, dieses zu lesen? Hält man nicht den Atem an, wenn der Held seine ersten Schritte auf dem Parkett der Bühne macht? Wenn er die ganze Welt umarmen will, gegen Drachen oder Dämonen kämpft, Liebe und Hass empfindet oder einfach nur „gut“ oder „schlecht“ in seinen Kalender schreibt, für die Art des Tages, den er gehabt hat? Klar, manchmal seufze ich schon beim Lesen eines Klappentextes. DAS soll mich erwarten? Aber erfahrungsgemäß entwickelt jede Geschichte ihre ganz eigene Dynamik und versetzt mich als Leser damit in eine nur für sie typische Schwingung. Die Ultraschallwellen kann keiner sehen, sie wirken nur vom Buch zu mir und von mir zum Buch.
Die kleine Ratte Firmin (Sam Savage) frisst ganze Seiten eines Buches, bis sie bemerkt, dass sie lesen kann. Aber schon zuvor lagen ihr einige schwerer im Magen, als andere. Sie waren einfach nicht ihr Geschmack.
Wenn man mich fragt, ob mir etwas geschmeckt hat, dann sage ich auch mal ganz offen, wenn es nicht so war. Grüne Bohnen sind mir einfach verleidet worden und Bananen vertrage ich nicht. Das finden die Leute ganz normal. So wie Vegetarier oder Nicht-Alkoholtrinker. Aber wenn jemand offen sagt, dass ihm ein Buch nicht gefallen hat, dann muss der Kritiker mit Kritik rechnen.
Nun, damit kann ich leben. Jeder Mensch hat seine eigene Meinung und das ist auch gut so. Aber bin ich zu kritisch geworden, zu anspruchsvoll oder gibt es wirklich nur noch wenige Autoren, die es wirklich drauf haben?
Man sagte mir, Kritik wolle gelernt sein. Das stimmt. Aber jeder hat mal klein angefangen, Kritiker wie Autoren. Und nicht selten sind beide eins. Da kann es durchaus vorkommen, dass sich ein Kritiker in der Wortwahl vergreift und sich ganz allgemein zu weit aus dem Fenster lehnt. Ist das nicht normal, wenn man lernt? Sind Fehler da nicht vorprogrammiert? Und ist das nicht bei Autoren das gleiche?
Aber neben jedem Kritiker (der negative Aspekte nennt) gibt es auch mindestens einen Fan. Hält sich das die Waage, dann ist es gut. Steigt eines von beiden zu sehr nach oben, dann ist das schlecht. Jedes gute Werk muss auch jemanden haben, der es kritisiert. Das zeigt nur, dass derjenige sich mit dem Geschriebenen auseinandergesetzt hat. Gibt es niemanden, der das tut, ist es der Text vielleicht gar nicht Wert, dass man über ihn nachdenkt. Kritiker und Fans sind nun von Natur aus wie Feuer und Wasser. Und ich wette, jeder Leser dieses Textes kann aus dem Stehgreif mindestens zwei oder drei Werke nennen, bei denen sich die Geister scheiden. Sogar der eigene.
Man sagte mir, neben der Biografie eines Autors, brauche es auch eine Biografie eines Kritikers. Auch das stimmt sicherlich. Jeder Schritt im Leben bringt eine eigene Meinung hervor, nur die Menschen ohne eine solche sind verloren. Bedingt diese aber das Gefallen und Nichtgefallen eines Textes? Und wenn ja, muss das automatisch etwas Schlechtes sein?
Die bekanntesten Kritiker sind im allgemeinen solche, die sich nicht an die Vorgaben halten. Das ist bei Autoren im übrigen nichts anderes. Natürlich muss man die Regeln erst einmal kennen, um sie zu brechen, das Handwerk gehört dazu. Aber wenn eine „Rezension“ eines Hobbykritikers aussieht wie die andere, der Aufbau sich gleicht, Punkt für Punkt eines unsichtbaren Protokolls abgehakt wird, vergeht dem Leser des Lesers schnell die Lust. Das war früher in der Kulturszene, als es noch kein Internet gegeben hat, nicht anders. Allerdings wurde den Kritiken – und da hießen sie noch so, heute nennt man das ja „Rezensionen“ – auch viel mehr Platz eingeräumt. Sowohl in ihrer Wichtigkeit (will man das so nennen), als auch rein formal der Wortwahl folgend.
Weltbild ist mit 300 Zeichen noch gut dabei, der LoveLetter lässt seinen Rezensenten noch 200-250 und im Büchermagazin können es nicht mehr als 100-150 sein, auch wenn ich das nicht nachgezählt habe. Genau das ist aber unheimlich kompliziert. Die eigene Meinung in so wenigen Worten finden, die sich den Platz 50:50 mit einer Kurzinhaltsangabe teilen müssen. Wie viel Raum bleibt da noch?
Die Regeln engen ein, zumal sie nicht nur in der Längenbegrenzung bestehen.
Ich kritisiere das Kritisieren. Soweit ist es schon gekommen.
Nachdem ich den Inhalt meiner – doch recht wirren – Gedanken nicht in 150 Zeichen zusammenfassen konnte, folgt nun meine eigene Meinung:
Ich lese viel. Und mit den Jahren ist es immer mehr geworden, so dass ich mehr Auswahl an Gefallen und Nichtgefallen in mir trage. Ich bin älter geworden, meine Meinung und meine Ansichten haben sich mehr als einmal um 180 Grad gedreht, ohne dass ich jemals an irgendeinen Ausgangpunkt zurückgekehrt wäre. Ich verändere mich und so verändert sich auch der Markt. Was in meiner Kindheit up to date war, ist heute veraltet und vergessen. Die wenigen guten Bücher heißen nun „Klassiker“ und hätten sich das wohl kaum zu träumen gewagt. Die meisten guten Bücher sind allerdings in der Masse der neutralen oder schlechten untergegangen. Es ist Glück, etwas zu finden, dass gefällt. Und was mir gefällt, muss Dir nicht auch gefallen. Das ist gut so, darum gibt es so viel Auswahl.
Ich wünschte nur, jemand könnte mir eine Liste zusammenstellen mit Büchern, die mir garantiert gefallen, damit ich nicht so oft die Nieten ziehe. Aber wer sollte diese Liste machen, wenn nicht ich selbst?
In diesem Sinne: kritisiert, seid offen und wachsam, werdet erwachsen, wandelt euch und genießt, was geboten wird.
Hallo Karin,
AntwortenLöschenda hast Du aber viel Glück! Ich lese, bevor ich ein Buch kaufe, auch immer viele Rezis und informiere mich über das jeweilige Buch. Aber trotzdem sind Nieten dabei.
Spontan kaufe ich nur die preiswerten Bücher (Mängelexemplare ;) ). Da hält es sich die Waage. "Marsha Mellow und ich" war so ein Buch und das hat mir sehr gut gefallen.
Aber bei den presiwerten Büchern ärgere ich mich auch nicht so stark, wenn mal eine Niete dabei.
Was ist Dein geheimnis? *g
Hallo zusammen,
AntwortenLöschen>Spontankäufe mache ich auch eher selten.
Schade eigentlich, denn gerade bei Spontankäufen habe ich Schriftsteller entdeckt, die mir so gefallen haben, dass ich hinterher alle ihre Bücher gelesen habe.
Meine liebste Methode um an neue Bücher zu kommen ist übrigens dass ich meistens Leute, die ich neu kennen lerne, nach ihrem derzeitigen Lieblingsbuch frage. Das ist in Hinblick auf das Buch, aber besonders auch auf die Person, die es mir empfohlen hat spannend.
Ciao
Baghira
Ich glaube nicht, dass du zu kritisch bist, Soleil. Ich glaube, der Markt wird immer größer und unübersichtlicher, die Verlage geben immer weniger Geld für die Produktion aus, und die (nicht professionellen) Rezensenten, die in Foren, bei Amazon usw. die Bücher beurteilen, sind oft einfach nicht kritisch genug. Manchmal hab ich den Eindruck, viele Leser versuchen auf Teufel komm raus, selbst dem übelsten Machwerk noch irgendwas Positives abzugewinnen, was die eklatanten Mängel aufwiegen kann.
AntwortenLöschenMit anderen Worten: Ich ziehe ebenfalls viele Nieten, obwohl ich viel recherchiere. Am besten fährt man wohl damit, sich nur auf ausgewählte Meinungen zu verlassen – von Leuten, deren Geschmack man kennt bzw. mit deren Geschmack man einigermaßen übereinstimmt und denen man eine kritische Auseinandersetzung mit dem Buch zutraut.
Hallo Baghira,
AntwortenLöschensollte ich Dich übersehen haben? Das tut mir leid!
Spontankäufe kann ich mir schlicht und ergreifend nicht leisten. Darum informiere ich mich immer mehrmals über ein Buch, ehe ich es kaufe. Und um nicht in Gefahr zu kommen, gehe ich an Buchläden immer ganz schnell vorbei *gg
Die meisten Leute, die ich kenne, lesen vielleicht drei Bücher im Jahr und dann meist Krimis. Das ist so eine Krankheit geworden, dass alle immer Krimis und Thriller wollen. Na gut, meine eigene Mutter auch, da will ich mal nicht rummosern ;) Ich jedenfalls mag das Genre nicht so gerne...
Aber ich will es trotzdem gerne mal versuchen. Zumindest vorablesen.de hat mir schon viele schöne Bücher beschert, die ich von selbst nie gelesen hätte. (Auch wegen dem meist stolzen Preis.)
Danke Dir und auf bald!
LG
soleil
Hallo Irina,
AntwortenLöschenoh ja, der Markt. *seufz "Groß" ist dafür ja schon lange kein Ausdruck mehr *g Und na ja, in Zeiten wie diesen, die ja alle Bereiche und nicht nur die Autoindustrie betreffen (warum schiebt man den Verlagen nicht mal was zu?), muss jeder sehen, wo er bleibt.
Und die grausige Wahrheit ist wohl, dass die kleinen, seltenen Perlchen sich nicht so gut verkaufen, wie 08/15 Unterhaltung.
Ich finde die Überlegung: nicht kritisch genug, sehr gut. Daran habe ich noch gar nicht gedacht!
Ich verlasse mich auch gerne auf Meinungen von Leuten, von denen ich weiß, dass sie den gleichen Geschmack haben. Aber in den Genres, auch die ich momentan stehe (Fantasy, Liebesroman --> mochte ich vor wenigen Jahren gar nicht *gg) gibt es so wenige Leute, die zugeben, dass sie es lesen. Die Ahnung haben. Die älter sind als zwanzig. *seufz
Danke für deinen Besuch und Deine anregenden Gedanken!