Als seine Teenie-Mutter ihn in einem Trailer zur Welt bringt, ist sein Vater bereits tot. Sie kommen leidlich zurecht, bis sie stirbt. Mit elf Jahren kommen Damon ins Führsorgesystem – und überlebt nur knapp.
Titel: Demon Copperhead
Autorin: Barbara Kingsolver
Originaltitel: Demon Copperhead
Verlag: dtv
ISBN: 978-3423283960
Euro: 26,00
Veröffentlichungsdatum: Februar 2024
Seiten:864
Serie: nein
Come in: vom Verlag
Inhalt
Da(e)mon kommt in einem Trailer in den Wäldern
Virginias zur Welt. Seine Mutter ist noch ein Teenager, sein Vater bereits tot.
Sie kommen leidlich zurecht, es ist eine rohe Welt, aber seine Mutter bemüht
sich. Doch als sie einen neuen Mann kennenlernt und heiratet, zerbricht auch
das Wenige, was er hat. Er ist elf, als seine Mutter stirbt. Es beginnt eine
Leidenssinfonie an Pflegestellen und desinteressierten oder vollkommen
überarbeiteten Sozialarbeitern. Erst als Demon es anpackt, kommt Bewegung ins
Spiel. In seiner letzten Pflegefamilie scheint es ihm gut zu gehen. Er passt
sich an, geht wieder zur Schule und blüht auf. Bis das Schicksal erneut
zuschlägt.
Meinung
Die erste Hälfte überzeugt komplett, so lange, bis Damon zu seiner letzten Station gelangt. Ab hier beginnt sich das Geschehen leider fürchterlich zu ziehen. Zum einen ist es absolut vorhersehbar geworden, was passieren wird – und wie die Autorin alles aufzulösen gedenkt. Zum anderen geschieht plötzlich so gut wie nichts mehr.
Aber von Anfang an: Demon wird von einer Junkiemutter geboren, die ihn nicht an die Großmutter abgibt, sondern ihr Leben in den Griff zu bekommen versucht. Das gelingt ihr gar nicht mal so schlecht. Sie haben kaum Geld und der Junge wächst in der Natur auf, aber es gibt keine gewissen Substanzen und alles ist sauber. Doch dann kommt ein Mann ins Spiel, der keine Lust auf Ziehvater hat und nach der Hochzeit sein anderes Gesicht zeigt. Das in-den-Griff-gekriegte-Leben schwindet, die Mutter greift wieder zu, um der Realität zu entschwinden. Und so wird auch ihr Kind ein Pflegefall, so wie auch sie einst aufwuchs.
Damon ist noch sehr jung, hat sich jedoch schon eine eigene Sicht auf die Welt und seine Rolle darin zurechtgebastelt. Er schlägt sich durch; ein echtes Kind aus der Wildnis Virginias. Unglaublich, wohin es Pflegekinder verschlagen kann, da es kaum Plätze für sie gibt. Tabakfarmer, die billige Lohnkräfte brauchen. Familien, denen das Geld ausgeht und die das Pflegegeld einstreichen wollen, ohne sich um den Jungen zu kümmern, der sich im Haushaltsraum auf die Erde legen muss.
Es wird anschaulich geschildert, ergreifend, auch wenn vielleicht Klischee mitliest. Da es aber viele Höhen und Tiefen gibt und Damon sich zudem zu einem trotz allem liebeswerten Charakter entwickelt, fliegt Seite um Seite vorbei.
Dann hält er es nicht mehr aus und bastelt sich aus einer Idee etwas zurecht, das ihn zu einer vermögenden Familie – Vater und Tochter – bringt, die seiner Großmutter einen Gefallen schuldet. Ab hier scheint sich alles zu drehen. So viel Glück hat ein wirkliches Pflegekind vermutlich nie. Zudem ist Damon sehr intelligent und kann all das in der Schule Versäumte rasch aufholen, was nicht sehr an der Wirklichkeit dran ist. Talentiert im künstlerischen Bereich ist er auch noch – und zudem gibt es einen Lehrer, der ihn deswegen besonders fördert. Zusammen mit gutem Aussehen und Erfolg im sportlichen Bereich der Schule stehen Damon dann alle Türen offen. Es war einfach too much und vielleicht auch ein bisschen weit hergeholt. Seite um Seite zog sich immer stärker, der Sog war verschwunden. Im letzten Drittel konnte ich mich nur noch zum Querlesen aufraffen und fand genau das Ende vor, das ich bereits vermutet hatte. Ich vermute, dass die Autorin trotz ihrer Recherche kein Ende schreiben wollte, wie eben so ein Leben eines Pflegekindes fast zwangsläufig enden muss. Sie wollte es positiver halten. Aber das war so weit ab von der Realität, dass es ihr nicht gut gelungen ist.
Dennoch: Ich bin jedem Autor dankbar, der sich Themen wie Armut, Drogensucht, Pflegekinder und Co. heraussucht und es der Gesellschaft näherbringt. Das sind leider stark vernachlässigte Themen, die viel stärker ins Augenmerk gerückt werden sollten. Auch in Deutschland sind wahnsinnig viele Menschen davon betroffen.
„Demon Copperhead“ war sicherlich nicht einfach für die Autorin. Schon die Recherche muss ihr einiges abverlangt haben. Sie hat ihre Figur anfangs super getroffen, sie später aber zu stark gedreht, bis beinahe ein anderer dabei herausgekommen ist. Kein Roman, der mal eben so zwischendurch gelesen ist. Starke Nerven gehören dazu. Aber wer sich darauf einlässt, wird zumindest am Anfang voll belohnt. Eine Geschichte, die mitreißt.
Barbara Kingsolver, 1955 geboren, hat Romane, Gedichte, Essays und ein Memoir verfasst, die in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet wurden, u.a. mit dem Pen/Faulkner Award, dem Orange Prize for Fiction, dem Women's Prize for Fiction und dem Pulitzer-Preis. Sie wurde mit der National Medal of Humanities geehrt und ist Mitglied der American Academy of Arts and Letters. Aufgewachsen in Kentucky, lebt sie heute mit ihrer Familie auf einer Farm in Virginia.
Da hast du eine sehr ausführliche Rezension geschrieben.
AntwortenLöschenIch denke auch, dieses Buch zu schreiben war eine große Herausforderung. Demon hat den Drogenentzug erfolgreich absolviert. Talente hat er. Seine Mutter hat ihn nicht vor dem Stiefvater beschützt. Und dennoch war es der Leidensweg, der ihm das Leben gerettet hat. Ich dachte mehr wie einmal, er wird es nicht packen. Seine Oma hat ihn nach seinen Fehltritten nicht mehr unterstützt. Im Nachhinein denke ich, auch das war richtig. Das mit Dori war sehr traurig. Aber das war wirklich voraus zu sehen. Insgesamt ein tolles Buch mit ein paar Längen.
Hallo Gisela,
Löschenschön, dass Du mal reingeschaut hast. :)
Oja, das ist ein sehr mitreißendes Buch, das uns beide beeindruckt hat, wie es scheint. :) Mit 864 Seiten ein ziemlicher Ziegelstein, aber sehr lesenswert.
LG
Daniela