Literaturnobelpreis 1928, Band 2. Norwegen im 14. Jahrhundert. Kristin ist mit dem Mann ihrer Wahl verheiratet, doch es nicht der Traum, auf den sie gehofft hat. Der Alltag holt sie schnell ein.
Titel: Kristin Lavranstochter: Die Frau
Autorin: Sigrid Undset
Originaltitel: Kristin Lavranssdatter: Husfrue
Verlag: Alfred Kröner Verlag
ISBN: 978-3520622013
Euro: 24,00
Veröffentlichungsdatum: Oktober 2021
Seiten: 549
Serie: Kristin Lavranstochter 02
Come in: vom Verlag
Inhalt
Norwegen im 14. Jahrhundert. Kristin
Lavranstochter, der ehemalige Wildfang, hat sich ihre Ehe mit dem älteren Erlend
Nikulaussohn ertrotzt. Doch sie geht schwanger in die Ehe und nicht allen
gefällt dies. Auf dem Hof ihres Mannes gab es lange keine regulierende Hand,
alles ist verwahrlost und er versteht es nicht einmal. Zudem muss sich Kristin
um zwei uneheliche Kinder ihres Mannes kümmern. Während er sich in die Politik
zurückzieht, bleibt sie allein mit den Problemen des Alltags. Erst als er
verhaftet wird, finden beide wieder zueinander. Doch vielleicht ist es bereits
zu spät.
Meinung
Die Handlung schließt beinahe nahtlos an und wird sich über viele Jahre ziehen, die aber so rasant und spannend zu verfolgen sind, dass sie kaum ins Gewicht fallen. Es ist kaum zu glauben, aber Undset hat einen noch besseren Nachfolger geschrieben. Der historische Roman, der zur Zeit von Magnus Erikssohn, König von Norwegen und Schweden spielt, bietet keine Schlachten oder Gemetzel, jedoch großes Wissen der Zeit und Lebensweise Norwegens im 14. Jahrhundert seitens der Autorin und eine in ihrer Zeit und Welt gezeigte starke Frau.
Als Kristin auf den Hof ihres Mannes gelangt, findet sie diesen äußerst vernachlässigt vor. Vorräte sind verdorben, das Vieh nicht richtig versorgt, die Dienerschaft ist fragwürdig zusammengesetzt, kennt einige Arbeiten nicht und kann diese so nicht ausführen und widerspricht zudem. Es wird Jahre dauern, ehe alles instandgesetzt ist und die Mitglieder des Hofes anständig versorgt werden können. Hier hilft Kristin, dass sie stets ihren Vater begleiten und ihm quasi über die Schulter schauen durfte.
Erlend hilft ihr indes überhaupt nicht. Er, der sich nie um Derartiges kümmern musste, hat keine Ahnung, was er seiner jungen Frau alles aufbürdet. Leichtfertig nimmt er es hin und bringt zudem seine beiden Kinder, die aus einer sehr zweifelhaften unehelichen Beziehung stammen, zu ihr. Obwohl sie mit dem älteren Jungen gut zurechtkommt, kann sie das von Erlend stark verhätschelte Mädchen nicht leiden.
Kristin, die streng christlich erzogen wurde, leidet zudem darunter, dass sie schwanger in die Ehe gehen musste. Zwar ist noch wenig zu sehen, aber das wird sich bald ändern und jeder kann es nachrechnen. Sie empfindet dies als große Bürde, da es ihren Ruf und auch den des Kindes schädigen kann. Es wird ewig dauern, ehe sich dieser erste Sohn in die Welt gekämpft hat. Es folgen etliche Söhne, bis es schließlich sieben sind, und doch lässt Erlend sie immer wissen, dass er gern noch eine Tochter gehabt hätte, vor allem als die eine, die er hat, im Charakter so unstet wird, dass man sie fortschicken muss. Für ihre Kinder wird Kristin vieles auf sich nehmen und wie eine Kriegerin für sie kämpfen.
Undset schildert erneut mit großem Wissen und Geschick die Zeit, in der Kristin lebt. In die Natur zieht es die inzwischen gestandene Frau kaum, ihr Leben läuft die meiste Zeit auf dem Hof ab, schon allein die zahlreichen Schwangerschaften verhindern das Reisen. So bekommt sie leider auch ihre Eltern nicht sehr oft zu Gesicht. Sitten und Gebräuche werden deutlich, das Leben auf dem ländlichen Hof, das Kochen, eine Sitzordnung bei Tisch – all das und noch mehr machen das Lesen zu einem wahren Genuss.
Schon nach diesem ersten Sohn zeigt sich, dass sich Kristin und Erlend deutlich unterscheiden. Die stille, ernste Kristin und der leichtfertige Mann geraten öfter einmal aneinander, ohne dass er verstehen würde, was genau ihren Unmut erregt. Sie ist zudem sehr gläubig, während er dies eher locker handhabt, so bleibt die gegenseitige Achtung, auch bei aller Liebe, auf der Strecke. Da er dem hohen Adel abstammt, muss er etliche Verpflichtungen politischer Natur erfüllen. Doch auch hier ist er oft zu gutgläubig und leichtfertig, was Neider auf den Plan bringt. Als es in der Ehe stärker zu kriseln beginnt, scheint es eine andere Frau auf ihn abgesehen zu haben.
Am Ende ist es die Familie, die Kristin zur Seite steht, als es kaum noch jemanden gibt, den sie um Hilfe bitten kann. Ausgerechnet ihr ehemaliger Verlobter, der nun mit ihrer Schwester verheiratet ist, setzt sich für ihren Mann ein.
Es ist faszinierend, wie sehr es der Autorin gelingt, ihre Handlung ausgewogen zu gestalten. Es zieht sich an keiner Stelle und das leicht Spröde aus dem Vorgänger scheint sich komplett aufgelöst zu haben. Die Erzählung fließt sauber vorbei, ist hervorragend durchdacht und recherchiert, zudem atmosphärisch dicht geschrieben. Alle Charaktere besitzen Ecken und Kanten, nicht immer sind sie dem Leser sympathisch, aber genau das macht sie zu fassbaren und echten Figuren, die eben auch falsche Entscheidungen treffen und dann damit leben müssen.
„Kristin Lavranstochter: Die Frau“ zeigt Kristins mittlere Lebensjahre. Kein guter Stern über ihr und ihrer Ehe, vermutlich kein Happy End und genau deswegen faszinierend zu verfolgen. Die starke Frau kann in jeder Hinsicht beweisen, was in ihr steckt. Eine bewegende Geschichte, die den Leser mitnimmt und nicht mehr loslässt.
Kristin Lavransdatter:
1. Kristin Lavranstochter: Der Kranz
2. Kristin Lavranstochter: Die Frau
3. Kristin Lavranstochter: Das Kreuz
Sigrid Undset (1882–1949) gilt als eine der größten und einflussreichsten Schriftstellerinnen Norwegens. Ihre zeitgenössischen Romane Frau ›Marta Oulie‹ und ›Jenny‹ wurden wegen ihrer allzu selbständigen jungen Heldinnen zum Skandal. Als engagierte Antifaschistin stand Undset ganz oben auf der Roten Liste der Nazis und nach der Besetzung Norwegens konnte sie sich nur durch eine lebensgefährliche Flucht auf Skiern durch das Gebirge retten. Sigrid Undset wurde 1928 »vornehmlich für ihre kraftvollen Schilderungen des nordischen Lebens im Mittelalter« mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Außer ›Kristin Lavranstochter‹ schrieb sie die Erfolgsromane ›Olav Audunssohn‹, ›Viga-Ljot und Vigdis‹, ›Ida Elisabeth‹, ›Das glückliche Alter‹ und viele andere mehr.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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