Literaturnobelpreis 1930. Carola Kennicott heiratet 1912 einen Arzt aus einer erzkonservativen Kleinstadt und scheitert an der dortigen Gesellschaft.
Titel: Die Hauptstraße
Autor: Sinclair Lewis
Originaltitel: Main Street
Verlag: BoD
ISBN: 978-3755749929
Euro: 12,79
Veröffentlichungsdatum: Februar 2022
Seiten: 386
Serie: nein
Come in: vom Verlag
Inhalt
Carola Milford, aus gutem Hause, wenn auch früh
Waise geworden, arbeitet nach dem College zwei Jahre als Bibliothekarin, als
sie ihren Mann kennenlernt und heiratet. Als Carola Kennicott zieht sie 1912
mit ihm in das kleine Örtchen Gopher Prairie im mittleren Westen. Mit dem
Wunsch, etwas zu bewegen, lädt sie die Gesellschaft zu sich ein, initiiert
Theaterstücke und andere kulturelle Veranstaltungen. Doch in der Provinz ist
Veränderung nicht gern gesehen. Als es auch in ihrer Ehe kriselt, verlässt sie
die Kleinstadt. Doch wird sie damit glücklich sein?
Meinung
Das Cover übrigens passt nicht so ganz, denn der Roman erschien im Original erstmals im Jahr 1920, Carola wuchs vor dem ersten Weltkrieg auf. Die „Main Street“ war daher vermutlich noch nicht befestigt und so relativ modern aussehend, wie hier dargestellt.
Lewis macht in den ersten Sätzen klar, dass die „Main Street“ praktisch überall liegen könnte, er sich aber dieses kleine Örtchen für seine Gesellschaftskritik ausgesucht hat. Dabei zeigt er bravourös, wie gut er in Menschen hineinsehen kann und wie feinsinnig er das Zusammenspiel in der Gesellschaft aufzuzeigen vermag.
Carola wird zunächst gemächlich als Figur eingeführt, ihr Werdegang seit dem College gezeigt und gekonnt dargelegt, mit welchem Charakter der jungen Frau der Leser es zu tun bekommt. Scharfsinnig, wenn auch recht naiv und träumerisch, mit dem Willen, die Welt zu verändern, ohne zu wissen, wie damit zu beginnen wäre. Die meisten Männer können ihr kein Interesse entlocken, bis Dr. Kennicott daherkommt. Später ist fraglich, was genau sie zu ihm gezogen hat, da scheint sich Carola aber selbst nicht mehr sicher zu sein. Schließlich zieht sie zu ihm in die kleine Stadt, die ihr zunächst freundlich gesinnt ist. Sie gehört zur oberen Gesellschaftsschicht, das ist noch klar getrennt, die sozialen Unterschiede sind teilweise erheblich. Sie gestaltet das Haus um, dem bis dato die Mutter ihres Ehemannes vorstand und richtet es modern und im japanischen Stil ein. Sie lädt zu Empfängen ein, bei denen es wichtig ist, was gesagt wird, was man trägt und dass es unterhaltsam bleibt. Ihr gelingt alles. Doch dann steckt ihr jemand, dass hinter ihrer Hand getratscht wird. Sie sei zu offen, zu modern, habe seltsame Ansichten … sie achtet aufs Geld, aber es ist wichtig, dass bei bestimmten Kaufleuten gekauft wird, wo es auch mal teurer werden darf. Sie bezahlt ihr Dienstmädchen, das aus Skandinavien stammt und mit ihren Leuten außerhalb der Stadt in einer Art Slum lebt (Einwanderer!), zu gut und ist nett zu ihr. Carola ist verunsichert, da ihr jeder gegenüber freundlich auftritt. Sie zweifelt an sich.
Das alles ist vergnüglich, aber sehr, sehr zäh mitzuverfolgen. Lewis schildert alles davon bis ins kleinste Detail. Das ist zwar einerseits faszinierend, andererseits jedoch auch recht enervierend für heutige Leser. Ein bisschen Stehvermögen gehört also leider dazu. In der vorliegenden Ausgabe wurde zudem leider eine sehr kleine Schrift ohne nennenswerten Zeilenabstand auf reinweißem Papier verwendet. Da es in deutscher Übersetzung auch Ausgaben in zwei Büchern/Teilen gibt, kann errechnet werden, dass viel Text vorliegt. Wer beim Lesen schnell ermüdet, sollte unter Umständen über eine andere Ausgabe nachdenken.
Carolas Zweifel und innere Unsicherheiten werden klar gezeigt. Sie versucht Anschluss bei den Skandinaviern zu finden, die jedoch schnell in der neuen Heimat ankommen und sich anpassen wollen. Sie verliebt sich, begreift aber, dass es zu nichts führen wird. In der Ehe läuft es schlecht und sie findet niemanden, bei dem sie Anschluss suchen könnte. Sich selbst anzupassen, fällt ihr schwer.
Der Autor fasst ein paar gesellschaftliche und soziale Themen (nicht nur) seiner Zeit an, die viele Bürger umgetrieben haben. Obwohl der Verlag einst geringe Erwartungen an den Roman hegte, verkaufte sich dieser mannigfaltig. Lewis hat den Nerv seiner Zeit getroffen. Obwohl er vieles satirisch bis komisch darstellen wollte, hält sich der Text damit zurück, wenn es auch einiges zu entdecken gibt, notfalls zwischen den Zeilen.
„Die Hauptstraße“ ist trotz teilweise zäher Längen eine unterhaltsame Geschichte einer Frau, die die Welt verändern möchte, aber letztendlich an den konservativen Strukturen von dieser scheitert bzw. sich letztendlich an diese anpasst.
Sinclair Lewis (1885-1951), geboren in einer Kleinstadt in Minnesota, studierte in Yale und arbeitete als Journalist und Lektor in New York, San Francisco und Washington. Seit dem Erfolg seines Romans «Main Street» konnte er von der Schriftstellerei leben. 1926 erregte er großes Aufsehen mit seiner Ablehnung des Pulitzerpreises, der ihm für seinen Roman «Arrowsmith» zuerkannt worden war; 1930 erhielt er als erster US-Amerikaner den Literaturnobelpreis.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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