Titel: Weltendiebe
Autorin: Ju Honisch
Books on Demand, 642 Seiten
ISBN: 9783753480329
Preis: 20,99 EUR
E-Book: 6,99
https://www.juhonisch.de/
Es ist immer schwierig, wenn man ein Buch schreibt, das nicht ins „Kästchen“ passt. Wir sind ein Volk der Dichter und Denker, aber auch der Definierer und pedantischen Zuordner – immer alles schön ordentlich auf seinen Platz und dann abgestaubt. Es gibt Kategorien und Unterkategorien und Unter-Unterkategorien von fantastischer Literatur, und es lässt sich trefflich streiten darüber, ob ein Buch Urban Fantasy ist, Steampunk oder Historical Fantasy, High oder Low Fantasy, Portal-Fantastik (Weltenwechsel), Science Fiction gar oder Endzeitroman ‑ als ob das irgendetwas zum Verständnis eines Buches beitragen würde.
Nichts hassen Verlage mehr als Bücher, die sich
diesen Kategorien entziehen oder gleich mehreren zugeordnet werden können.
Welches Schlagwort soll man da eingeben, welchen griffigen Begriff den
Verlagsvertreter*innen mit auf den Weg geben, und wo sollen Buchhandlungen oder
Büchereien das Buch einordnen? Da veröffentlicht man es doch am liebsten erst
gar nicht.
„Weltendiebe“ ist so ein Buch, das sich nicht einfach zuordnen lässt, ein wenig unbequem quer zu allem sitzt. Es spielt im Hier und Jetzt (Urban Fantasy), hat aber auch einen Handlungsstrang, der 1952 (Historical Fantasy) spielt, und einen, der in einer fernen Zukunftsdimension (Portal Fantasy, SF etc.) angesiedelt ist. Drei Handlungsstränge gibt es also.
Fangen wir mal mit dem frühesten an: 1952 in München. Der Krieg ist vorbei, aber noch in den Köpfen. Wer in diesem Jahr nicht aus russischer Gefangenschaft zurück zurückkommt, der bleibt verschollen. Die Nachkriegszeit mündet in die schicken 50er Jahre und hin zum Wirtschaftswunder, von dem aber nicht alle gleichermaßen profitieren. In diesem Jahr ist Marion gerade sechzehn Jahre alt. Ihre Mutter wartet auf die Heimkehr des längst verschollenen Gatten und hat sich nach und nach immer weiter von der bitteren Realität entfernt. In dieser Situation trifft Marion auf einen Mann, der so ganz anders ist als all die Herren, die sie kennt: freier, forscher, unverklemmt, doch auch seltsam unbedarft, was das Verständnis für diese Welt und ihre Regeln angeht. Die Gefahr, die er darstellt, erkennt sie nicht.
Marion ist heute eine alte Frau und lebt mit ihren verwaisten Enkeltöchtern. Als die ältere der beiden mit dem Büro in just das Haus zieht, in dem Marion 1952 das Unerklärliche erlebte, versucht sie, Anne zu warnen, ohne jedoch genau zu erläutern, wovor. Wer würde ihr schon glauben, dass Fremde aus Wänden, ja aus anderen Welten kommen? So weiß Anne nicht, welche Gefahr ihr droht, als sich die Geschehnisse zu wiederholen beginnen.
Denn aus einer fernen Zukunft springt erneut ein Weltendieb ins Hier und Jetzt. Er benutzt ein Dimensionstor in dem alten Haus und wird von einem mörderischen Vollstrecker verfolgt. Dieser muss die Integrität der Sphären bewahren, koste es, was es wolle – und seien es die Leben der Menschen in dieser, unserer Welt. Denn das Durchschreiten der Dimensionstore ist verboten, absolut tabu. Eingeweihte haben jedoch die Fähigkeit, an den Schwachstellen unserer Wirklichkeit einzubrechen, um sich zu holen, was sie wollen.
Die Welt der anderen ist unsere eigene in einer – von eventuell mehr als einer – möglichen Zukunft. Der Rest der Menschheit hat das Wissen um Technik und Wissenschaft verloren und hält deren Übrigbleibsel für Magie: so auch die Dimensionsreise. Hier gibt es keine Raumschiffe, keine glatt spiegelnde Zukunftsvision, keine Rechte für die, die nicht zu den Eliten gehören. Die Welt ist grausam, und ihre Weltenwanderer sind es nicht minder.
Es hat mir Spaß gemacht, mich mit den frühen 50er Jahren auseinanderzusetzen. Es ist kein Setting, das in der Fantastik oft benutzt wird. Marion hat Schwierigkeiten, die heute nicht mehr in den Köpfen sind: kaum aufgeklärt, keine Verhütung, Angst vor einer übermächtigen – männlichen – Welt, die ein „Mädchen“-Bild hat, das keine Ausrutscher duldet.
Auch die Welt von Lesmoyan und Kerder hat mir in der Gestaltung, wenn nicht Freude, dann doch den zweifelhaften Spaß am logischen Weiterdenken beschert. Zeugt eine Welt (wie in China oder Indien üblich) am liebsten nur männliche Nachkommen, werden Frauen zur Minderheit. Gibt es kein übergeordnetes Gefüge, das Rechte aber auch Pflichten definiert, wird das Recht der Rücksichtslosesten triumphieren. Verankert man erstrebenswerte Tier-Eigenschaften per Genmanipulation in Menschen, wird man irgendwann Chimären erhalten, die den Genpool nicht bereichern, sondern bedrohen. Wird Technik immer komplexer und automatisierter, doch gleichzeitig auch immer leichter in der Anwendung, werden die Anwender sie irgendwann nicht mehr als Technik begreifen oder weiterentwickeln können. Es war Arthur C. Clarke, der sagte: „Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“
1952 – Jetzt – Irgendwann im Irgendwo
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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