Autorin: Fang Fang
Originaltitel:
Verlag: Hoffmann und Campe
ISBN: 978-3455010398
Euro: 25,00
Veröffentlichungsdatum: Mai
2020
Seiten: 352
Serie: nein
Come in: vom Verlag
Inhalt/Klappentext
Wuhan:
Am 25. Januar, zwei Tage nachdem erstmals in der Geschichte eine
9-Millionen-Einwohner-Stadt komplett von der Außenwelt abgeriegelt wurde,
beginnt Fang Fang, online Tagebuch zu schreiben. Eingeschlossen in ihrer
Wohnung berichtet sie vom Hereinbrechen und dem Verlauf einer Katastrophe, von
der Panik während der ersten Tage der Covid-19-Epidemie bis zu ihrer
erfolgreichen Eindämmung. Sie erzählt von der Einsamkeit, dem heroischen Kampf
des Personals in den Krankenhäusern, vom Leid der Erkrankten, dem Schmerz der
Angehörigen von Verstorbenen und der Solidarität unter Nachbarn.
Millionen
Chinesen folgen ihren Gedanken und ihren Geschichten aus dem unmöglichen Alltag
– vom Zorn über die Untätigkeit und Vertuschungsmanöver der Behörden während
der Anfangsphase der Epidemie und der Unterdrückung warnender Stimmen, bis zur
Anerkennung der wirkungsvollen Maßnahmen der Regierung in den Wochen danach.
Fang
Fang liefert einen unverstellten Blick auf die Katastrophe “von unten”, ganz
nah an den Menschen, ihren Ängsten und Nöten, aber auch ihren kleinen Freuden
und dem speziellen Wuhaner Humor selbst in dunkelsten Stunden. Zugleich wurde
ihr Wuhan Diary in China zum Gegenstand erbitterter Auseinandersetzung über den
Umgang mit kritischen Stimmen und Verantwortung – und somit über Chinas
künftigen Weg.
Meinung
Es
ist schwierig, ein solches Buch angemessen einzuschätzen. Ich muss gestehen,
dass es mir nicht gefallen hat, was allerdings auch daran liegen kann, dass ich
mir etwas anderes vorgestellt habe. Der Lesefluss stockt mit jeder Seite mehr,
bis jedwedes Stehvermögen aufzubringen ist, um das Tagebuch zu beenden.
Wirklich Neues erfährt der (deutsche) Leser nicht. Doch von Anfang an.
Am
25. Januar beginnt die Autorin Fang Fang ihr Onlinetagebuch mit den Worten:
„Ich habe keine Ahnung, ob dieser Eintrag die Leser erreichen wird.“ Sie hat
gerade ihre Tochter vom Flughafen abgeholt, als sie mitten in der Nacht im
Internet liest, dass ihre Heimatstadt abgeriegelt wird. Es ist 2020 und Fang
Fang wohnt in Wuhan (China). Die Metropole, in der rund neun Millionen Menschen
leben, gilt bisher als Ausgangspunkt des COVID-19-Virus, das inzwischen fast die
ganze Welt erreicht hat. Und plötzlich steht das Leben still. Die Bewohner
werden aufgefordert, in ihren Wohnungen zu bleiben, die Straßen werden
abgesperrt, die Lieferketten sind unterbrochen, später ist auch kein Autofahren
mehr erlaubt. Als ältere Dame mit einer Diabeteserkrankung hält sich Fang Fang
an die Vorgaben. Sie bangt um einen ihrer Brüder, der ganz in der Nähe des
inzwischen fast berühmten Fischmarktes lebt. Ab sofort verlässt die Autorin
ihre Wohnung so gut wie nicht mehr. Alles, was sie erfährt, stammt aus ihren
Verbindungen, die sie meist per Telefon oder Internet (Handy, Mail …) aufrechterhält
(vernetzt ist sie sehr gut). Und dann läuft es tatsächlich über „ich habe
gehört, dass“ oder „jemand hat mir berichtet, dass“. Präziser wird es nicht und
in die Tiefe geht es auch selten. So ist es schwierig, stetig voll dabei zu
sein und alles zu verstehen; was für jemanden vor Ort völlig natürlich ist,
muss jemand aus dem Ausland erst in einen Zusammenhang bringen (können). Nicht
immer ist das möglich. Zudem nimmt die Autorin später Bezug zu verschiedenen
Vorkommnissen zu ihrer Person – in etwa Zeitungsartikel, Kommentare unter den
jeweiligen Blogbeiträgen, etc. – auf die sie aber nicht näher eingeht (den
Inhalt in etwa) und sie nur erwähnt. Da mitzukommen, gelingt nicht immer.
Wenig
gefallen hat mir zudem die Erzählstimme; sehr sympathisch wirkt die Autorin
leider nicht. Vor allem ihre Bemühungen, als schlichte, einfache Frau aus dem
Volk zu erscheinen, wirkten mehrheitlich aufgesetzt. Sie lebt in einem
Wohnkomplex, der Künstlern und Schriftstellern vorbehalten ist, ist eine sehr
bekannte Autorin in China, erhielt auch renommierte Preise, arbeitete als
Chefredakteurin und brachte es vor der Rente zur Vorsitzenden des
Schriftstellerverbands der Provinz Hubei. Versorgt waren sie und ihre Nachbarn
immer, es wurde „Solidaritätsgemüse“ gebracht (gespendet von anderen Provinzen),
Masken (deren Preis in astronomische Höhen geklettert war, gespendet von im
Ausland lebenden Chinesen), Nachbarn brachten ab und zu Dinge/Nahrungsmittel
vorbei und als sie erwähnte, dass ihr das Insulin ausgehe und sie unsicher sei,
ob sie ins Krankenhaus gehen solle, reagierten ihre Leser sofort hilfreich. Zudem
erscheint es seltsam, dass sie mit dieser nicht zu unterschätzenden Krankheit
tatsächlich nur ein bisschen Reis und Pak Choi am Tag gegessen haben will. Mit
mehreren Millionen Followern vor Covid fällt es zudem nicht leicht, den ersten
Satz so recht zu glauben.
Fang
Fang erwähnt, dass es bedürftige Menschen/jene mit wenig Geld gebe und fragt
sich, wie es diesen wohl gehe, versucht allerdings nie, das herauszufinden.
Kontakte zu ihnen hat sie scheinbar nicht. Selbst als am Ende ihre
Haushaltshilfe wieder zu ihr kommen darf, weiß sie mehr als diesen Umstand
nicht zu berichten. Auch gibt es keine „Nachlese“.
Im
Voranschreiten der Tage, in denen nicht immer etwas geschieht, wiederholt sich
der Inhalt und es scheint mitunter, als wäre das stete „Schimpfen“ nicht nur
Frustabbau, sondern auch Füllstoff (genau wie der Beginn jedes Eintrags: ein
Absatz zum Wetter). Sie prangert einige Funktionäre an, die am Beginn des
Ausbruchs, obwohl sie es besser wissen mussten, die Gefahr herunterspielten und
abwiegelten. Sie sucht dieses Versagen aber nicht nur bei den Menschen selbst,
sondern auch in den Umständen. Wenn sie meint, dass viele Funktionäre ohne
schriftliche Anweisung, nicht wüssten, was sie tun sollen und das auf eine jahrelange
Negativauslese in der Beamtenschaft schiebt, ist man plötzlich an Deutschland
erinnert. Auch hier geschah zunächst nichts, wurde die Gefahr heruntergespielt,
nur um dann umso härter zuzuschlagen (meist nachdem abgewartet worden ist, was
andere wohl tun werden). Persönlich bin ich sehr gespannt, ob sich an und in
unserem Gesundheitssystem etwas ändern wird, das seit Jahren kaputtgespart
wurde. Allerdings sollten wir uns alle an die Nase fassen, denn die Anzeichen
waren da, es riefen genug Pflegepersonal, Hebammen und Sanitäter öffentlich
nach Unterstützung – und erfuhren kaum welche. Ich hoffe sehr, dass die
Öffentlichkeit nun genug sensibilisiert ist und sich nicht wieder mit
Allgemeinplätzen abspeisen lässt.
Fang
Fang nun gibt einige Informationen weiter, die sie von befreundeten Ärzten, die
sie nie namentlich nennt, erfahren hat. Mehr als ein paar Sätze sind es
allerdings nie. Es ist ziemlich verdrießlich, wenn sie in etwa erwähnt, dass
auch traditionelle chinesische Medizin zur Heilung herangezogen würde, aber
nicht wie und womit. Positive Erfahrungen gab es wohl …
Vielleicht
ist es schlicht der Umstand, dass man sich bewusst machen sollte, dass es sich
um Blogbeiträge handelt, eben keinen Roman, der wie ein Tagebuch wirken soll.
Allerdings hätte ich mir mehr persönlichere Einträge und jene, die tiefer
gehen, gewünscht. Am Ende bleibt „nur“ die Erkenntnis, dass es uns allen (fast)
gleich ging – und wir daher nie vergessen sollten, dass wir Menschen nicht
allein auf diesem Planeten leben.
Fang Fang, geboren
1955, studierte chinesische Literatur an der Universität Wuhan. In den 1970er
Jahren begann sie, Gedichte und Romane zu veröffentlichen. Ihre 1987
erschienene Erzählung Die
Aussicht stieß in China auf gewaltige
Resonanz und wird als Debütwerk des chinesischen Neorealismus gesehen.
Schade, dass das Buch wohl keine runde Sache ist. Viele der angesprochenen Kritikpunkte finde ich bei einem Blog verständlich, aber vor der Veröffentlichung in Buchform wäre vielleicht doch eine Bearbeitung (zumindest eine Kommentierung) sinnvoll gewesen.
AntwortenLöschenIch denke auch, dass eine Art "Nachlese" sinnvoll gewesen wäre. Das Buch ist in Deutschland und den USA erschienen und die Leser dürften Schwierigkeiten damit haben, den chinesischen Alltag zwischen den zeilen herauszulesen.
LöschenAllerdings habe ich das Buch meiner Mutter gegeben, die es bisher sehr gern liest und sei es auch, weil es sie "an früher erinnert".