Donnerstag, 16. Mai 2019

Wie man einen Toaster überlistet - Cory Doctorow


Titel: Wie man einen Toaster überlistet
Autor: Cory Doctorow
Originaltitel: Unauthorized Bread
Verlag: Heyne
ISBN: 978-3453320154
Euro: 12,00
Veröffentlichungsdatum: April 2019
Seiten: 176
Serie: nein
Come in: Verlag










Inhalt
Irgendwann in der nahen Zukunft kommt das Mädchen Salima als Flüchtling nach Amerika. Dort lernt sie die alleinerziehende somalischstämmige Mutter Nadifa kennen, mit der sie es schafft, eine begehrte Sozialwohnung in Boston zu ergattern. Dort jedoch gibt es eine Art Zweiklassensystem; Vollzahler im Hochhaus werden z.B. bei den Fahrstühlen bevorzugt. Die technischen Geräte wie Toaster oder Geschirrspüler können nur für bestimmte Produkte genutzt werden, die zu überteuerten Preisen an die Mieter verkauft werden. Salima findet eine Möglichkeit, das System zu umgehen und gibt dies auch an ihre Nachbarn weiter. Doch dann will die entsprechende Firma wieder auf den Markt und was Salima getan hat, ist streng verboten. Ihr geht auf, was es sie alle kosten könnte, wenn sie nicht schnell „Reset“ drücken. Doch niemand scheint dazu bereit.


Meinung
Mir ist die Rezension zu dieser kleinen, fein aufgemachten Novelle sehr schwer gefallen und ich hoffe, dass ich verständlich machen kann, was genau mich an der Zusammensetzung der Story stört. Im Grunde ist es schlicht die Tatsache, dass der Autor die Geschehnisse so gepresst hat, bis sie in sein, in das aktuelle, Weltbild gepasst haben. Das führte dann leider dazu, dass das eigentliche Thema unter dem anderen unterging, bestimmte Dinge keinen Sinn ergaben und zudem eine Grundstimmung in die Geschichte zog, die mir absolute Bauchschmerzen verursacht hat. Dass so eine eigentlich sehr gute Grundidee dann kein befriedigendes Ende nach sich ziehen kann, versteht sich fast von selbst.
Zunächst ist da Salima, die eine Menge durchgemacht hat, bis sie endlich in besagte Wohnung ziehen kann. Auf dem Weg dahin begegnen dem Leser bereits am Rande technische Details, wie einige nicht funktionstüchtige Terminals oder Automaten, an denen Salima ihre Dokumente eingeben möchte. Später sitzt sie einmal in einem Restaurant, in dem das Essen an Fließbändern vorbeigefahren kommt. Solche Dinge erinnern leider stark an Sechzigerjahre-Filme und vermitteln damit ein eher rückständiges Bild.
Das ändert sich erst, als Salima in ihre kleine, feine Wohnung zieht. Dort gibt es einige technische Geräte wie einen Toaster, Kühlschrank, Geschirrspüler. Allerdings ist zu erwähnen, dass man sich keinen Toaster mit zwei Schlitzen vorstellen darf, das besagte Gerät ist mehr eine Art kleiner Backofen, da diverse Dinge darin zubereitet werden, die in einen normalen Toaster nicht zubereitet werden können. In etwa wärmt sich Salima Fertigessen darin auf, eine Nachbarin backt kleine Küchlein darin. Das ändert schon ziemlich viel, wie ich finde. Denn ohne Toaster auskommen, ist nicht das Problem bzw. dieses aufzubauschen mit dem wiederkehrenden Hinweis, dann würden einige Leute verhungern, zieht einfach nicht.
Das eigentliche Hindernis in der Benutzung dieser Geräte besteht schlicht darin, dass bestimmte Marken beim Brothersteller, dem Geschirr oder Waschmittel etc. benutzt werden müssen, da die Geräte sonst ihre Funktion einstellen. Beliefert wird der Kunde automatisch, allerdings nur zu dem vom Hersteller vorgeschriebenen Preis. Da die Geräte vorinstalliert sind, sind sie erst einmal auch zu nutzen. Die meisten Mieter haben ohnehin kein Geld, um sich anderweitig auszustatten. Auf die einfachste Möglichkeit, die Geräte gar nicht zu nutzen, geht Doctorow leider nicht ein (was würde es bedeuten, wenn man dazu gezwungen würde per Mietvertrag?). Es verhungert niemand, wenn er keinen Toaster oder Backofen hat (glaubt mir, ich besitze selbst beides nicht), es verelendet niemand, wenn er keinen Geschirrspüler nutzt (auch den besitze ich nicht). Anders sieht es bei Kühlschrank oder Waschmaschine aus.
Salima bekommt schnell einen Job als Buchhalterin und Nadifa arbeitet als Schneiderin. Mir hat sich leider nicht erklärt, wie sich bei dieser Geschichte der typische Nutzer einer Sozialwohnung definiert. Bei Doctorow sind es ausschließlich Migranten, sowohl arabisch, afrika- und osteuropäischstämmig. Die meisten gehen arbeiten und das in „normalen“ Jobs, niemand erhält Leistungen vom Staat. Die bereits im Land lebenden Menschen, auf die das ebenfalls zutrifft (übrigens nicht nur Weiße, auch wenn der Autor das vorgaukeln möchte), blendet Doctorow aus; aber genau das war es, was mir die gesamte Geschichte verleidet hat, denn es zeigt leider sehr deutlich, dass der Autor das Grundproblem – eben auch hinter der Zwangsbenutzung der Geräte – nicht verstanden hat. Es wohnen alle im gleichen Hochhaus (bei uns nennt man das wohl Plattenbau), die Wohnungen sehen gleich aus, nur dass die eine Seite voll bezahlt, die andere nicht. Dabei wohnen die Vollzahler jedoch nicht in Luxusappartements, auch wenn der Autor das irgendwie suggerieren möchte. Das Weltbild dahinter gefällt mir überhaupt nicht, weil es uns alle in wir und die einteilt, dabei sitzen wir, eben auch bei der Grundidee dieser Story, im gleichen Boot. Zudem ist es nicht sehr schwer, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Obdachlose in etwa lassen sich nicht nur einer Herkunft/Religion/Geschlecht/etc. zuordnen, ebenso wenig jene Menschen, die gezwungen sind, sich Lebensmittel bei den Tafeln zu besorgen – und was passiert, wenn nicht genug für alle da ist, konnte erst kürzlich den Tagesnachrichten entnommen werden. Wie man also auf die Idee kommen kann, diese hochbrisante Lage auch noch künstlich anzuheizen, kann und werde ich wohl nie verstehen.
Salima nun, die im Übrigen eine sehr sympathische Figur ist, lernt mit ihrem Computer im Darknet, wie man die Codes der Geräte entsperren kann und da gerade die Hauptbelieferungsfirma in finanziellen Schwierigkeiten steckt und somit kein Gerät funktioniert, wagt sie es. Aber dann hilft sie einem Nachbarn dabei, das Gleiche zu tun und dann noch einem und noch einem … besonders Nadifas Sohn Abdirahim hilft ihr dabei. Der clevere Junge gibt sich nicht mit den paar Geräten zufrieden, besonders die Fahrstühle sind ihm ein Dorn im Auge. Was im Geheimen begann, droht mehr und mehr an die Öffentlichkeit zu gelangen. Salima erkennt, dass das gefährlich werden kann. Denn wenn die Gewinneinnahmen der Firma einbrechen, wird jemand nachsehen und den „Betrug“ entdecken. Dann jedoch wird man alle Mieter auf die Straße werfen und wo sollen die dann hin? Ja, wo sollen die dann eigentlich hin, die Mieter mit den Vollzeitjobs, die sich alle, so gut sie es vermochten, integriert haben (Sprache, Job, etc.)? Auch diesbezüglich passt einiges nicht zusammen.
Salima nun macht das Ganze rückgängig, was aber den anderen nicht gefällt. Die strahlende Heldin wird plötzlich gar nicht mehr gern gesehen. Damit beschäftigt sich der Autor leider auch nur äußerst unzureichend.
Inzwischen hat sie übrigens eine junge Frau in der Bahn kennengelernt, die just bei genau der Firma arbeitet, deren Geräte Salima gehackt hat. Sie finden sich sympathisch und verbringen Zeit miteinander. Wie Wyoming aussieht und lebt, muss in dieser Rezension sicher nicht gesagt werden, nach dem bereits Erwähnten, ist da schnell drauf zu schließen. Wyoming deckt Salima, die ihr schließlich alles gesteht. Wirklich einverstanden ist nämlich auch sie nicht mit der Praxis ihrer Firma und sie sucht in dieser nach Unterstützern. Die machen Salima dann ein Angebot. Doch hier steckt eine große moralische Falle drin, auf die Salima nicht eingehen möchte. Oder doch? Wyoming indes ist beeindruckt, dass es noch Menschen gibt, die für etwas einstehen und sich selbst treu bleiben. Hier nicht mehr als verärgert zu sein, fällt schwer.
Der Autor hat leider zwei Themen miteinander vermischt, die grundsätzlich nicht zusammengehören. Von seiner Grundidee zwecks technischen (Zwangs-)Geräten werden nicht nur bestimmte Bevölkerungsgruppen betroffen sein. Genauso wenig wie man jene ganz pauschal in aufrechte, richtig tickende Menschen und oberflächliche, zumindest halbrassitische Snobs einteilen kann (und das dann auch noch mit der Herkunft/Hautfarbe verbindet). Idioten gibt es überall. Und selbst die werden von den Konzernen abgezockt, denen ist das nämlich alles völlig egal, wenn sie jemanden schröpfen können, werden sie das auch tun.
„Wie man einen Toaster überlistet“ soll eine Satire sein, eine Hommage an die heutige Gesellschaft. Ich kann leider nicht beurteilen, ob das so ist, denn mir hat sich eine völlig andere Story eröffnet oder aber ich selbst lebe in einer anderen Welt, als sie der Autor wohl gerne sehen möchte. Man merkt, mich lässt dieses Buch sehr zwiegespalten zurück. Die Grundidee rund um die Geräte, die ihre Funktion einstellen, wenn die Firma pleitegeht oder sie nicht mit den gängigen Lizenzprodukten benutzt werden, finde ich ausgesprochen genial. Eine Sache, die vermutlich tatsächlich auf uns zukommen wird, da sie in Teilen bereits in unserer Zeit angekommen ist – man denke nur an E-Books und deren Geräte oder auch an Drucker und ihre Patronen. Ob Kaffeemaschinen noch jeden Kaffee kochen, kann ich nicht beurteilen, denn auch so eine Maschine besitze ich nicht (ich brühe ohne, das klappt). Persönlich hat für mich Doctorow oft an Stellen aufgehört, an denen ein genauerer Blick wohlgetan hätte, aber ich habe ohnehin den Verdacht, dass die SoWi-Tante in mir viel zu deutlich mitgelesen hat.
Was der Autor mit der Geschichte aussagen möchte, ist leider an mir vorbeigegangen, da er offenkundig selbst nicht so recht wusste, welchem der beiden großen Themen er sich nun vordergründig widmen will. Eine Lösung bietet er ebenfalls nicht, auch keinen Zukunftsausblick oder nur eine kleine Idee. Nicht einmal für Salima. Oder Nadifa, die alleinerziehende Mutter – von der es offenbar keine bereits im Lande gibt oder die, die bereits im Lande sind in Saus und Braus leben. Ach, ich hör’ schon auf. Nein, das war nichts. Zu gepresst, zu gewollt. Zu unüberlegt und zu Schublade.


Cory Doctorow, 1971 in Toronto geboren, ist Schriftsteller, Journalist und Internet-Ikone. Mit dem Blog boingboing.net und seinem Kampf für ein faires Copyright hat er weltweite Bekanntheit erlangt. Sein erster Jugendroman Little Brother wurde ein internationaler Bestseller. Cory Doctorow ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Los Angeles.


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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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