Autor: Cory Doctorow
Originaltitel: Unauthorized
Bread
Verlag: Heyne
ISBN: 978-3453320154
Euro: 12,00
Veröffentlichungsdatum: April
2019
Seiten: 176
Serie: nein
Come in: Verlag
Inhalt
Irgendwann
in der nahen Zukunft kommt das Mädchen Salima als Flüchtling nach Amerika. Dort
lernt sie die alleinerziehende somalischstämmige Mutter Nadifa kennen, mit der
sie es schafft, eine begehrte Sozialwohnung in Boston zu ergattern. Dort jedoch
gibt es eine Art Zweiklassensystem; Vollzahler im Hochhaus werden z.B. bei den
Fahrstühlen bevorzugt. Die technischen Geräte wie Toaster oder Geschirrspüler
können nur für bestimmte Produkte genutzt werden, die zu überteuerten Preisen
an die Mieter verkauft werden. Salima findet eine Möglichkeit, das System zu
umgehen und gibt dies auch an ihre Nachbarn weiter. Doch dann will die
entsprechende Firma wieder auf den Markt und was Salima getan hat, ist streng
verboten. Ihr geht auf, was es sie alle kosten könnte, wenn sie nicht schnell
„Reset“ drücken. Doch niemand scheint dazu bereit.
Mir
ist die Rezension zu dieser kleinen, fein aufgemachten Novelle sehr schwer
gefallen und ich hoffe, dass ich verständlich machen kann, was genau mich an
der Zusammensetzung der Story stört. Im Grunde ist es schlicht die Tatsache,
dass der Autor die Geschehnisse so gepresst hat, bis sie in sein, in das
aktuelle, Weltbild gepasst haben. Das führte dann leider dazu, dass das
eigentliche Thema unter dem anderen unterging, bestimmte Dinge keinen Sinn ergaben
und zudem eine Grundstimmung in die Geschichte zog, die mir absolute
Bauchschmerzen verursacht hat. Dass so eine eigentlich sehr gute Grundidee dann
kein befriedigendes Ende nach sich ziehen kann, versteht sich fast von selbst.
Zunächst
ist da Salima, die eine Menge durchgemacht hat, bis sie endlich in besagte
Wohnung ziehen kann. Auf dem Weg dahin begegnen dem Leser bereits am Rande
technische Details, wie einige nicht funktionstüchtige Terminals oder
Automaten, an denen Salima ihre Dokumente eingeben möchte. Später sitzt sie
einmal in einem Restaurant, in dem das Essen an Fließbändern vorbeigefahren
kommt. Solche Dinge erinnern leider stark an Sechzigerjahre-Filme und
vermitteln damit ein eher rückständiges Bild.
Das
ändert sich erst, als Salima in ihre kleine, feine Wohnung zieht. Dort gibt es
einige technische Geräte wie einen Toaster, Kühlschrank, Geschirrspüler.
Allerdings ist zu erwähnen, dass man sich keinen Toaster mit zwei Schlitzen
vorstellen darf, das besagte Gerät ist mehr eine Art kleiner Backofen, da
diverse Dinge darin zubereitet werden, die in einen normalen Toaster nicht
zubereitet werden können. In etwa wärmt sich Salima Fertigessen darin auf, eine
Nachbarin backt kleine Küchlein darin. Das ändert schon ziemlich viel, wie ich
finde. Denn ohne Toaster auskommen, ist nicht das Problem bzw. dieses
aufzubauschen mit dem wiederkehrenden Hinweis, dann würden einige Leute verhungern,
zieht einfach nicht.
Das
eigentliche Hindernis in der Benutzung dieser Geräte besteht schlicht darin,
dass bestimmte Marken beim Brothersteller, dem Geschirr oder Waschmittel etc.
benutzt werden müssen, da die Geräte sonst ihre Funktion einstellen. Beliefert
wird der Kunde automatisch, allerdings nur zu dem vom Hersteller
vorgeschriebenen Preis. Da die Geräte vorinstalliert sind, sind sie erst einmal
auch zu nutzen. Die meisten Mieter haben ohnehin kein Geld, um sich anderweitig
auszustatten. Auf die einfachste Möglichkeit, die Geräte gar nicht zu nutzen,
geht Doctorow leider nicht ein (was würde es bedeuten, wenn man dazu gezwungen
würde per Mietvertrag?). Es verhungert niemand, wenn er keinen Toaster oder
Backofen hat (glaubt mir, ich besitze selbst beides nicht), es verelendet
niemand, wenn er keinen Geschirrspüler nutzt (auch den besitze ich nicht).
Anders sieht es bei Kühlschrank oder Waschmaschine aus.
Salima
bekommt schnell einen Job als Buchhalterin und Nadifa arbeitet als Schneiderin.
Mir hat sich leider nicht erklärt, wie sich bei dieser Geschichte der typische
Nutzer einer Sozialwohnung definiert. Bei Doctorow sind es ausschließlich
Migranten, sowohl arabisch, afrika- und osteuropäischstämmig. Die meisten gehen
arbeiten und das in „normalen“ Jobs, niemand erhält Leistungen vom Staat. Die
bereits im Land lebenden Menschen, auf die das ebenfalls zutrifft (übrigens
nicht nur Weiße, auch wenn der Autor das vorgaukeln möchte), blendet Doctorow
aus; aber genau das war es, was mir die gesamte Geschichte verleidet hat, denn
es zeigt leider sehr deutlich, dass der Autor das Grundproblem – eben auch
hinter der Zwangsbenutzung der Geräte – nicht verstanden hat. Es wohnen alle im
gleichen Hochhaus (bei uns nennt man das wohl Plattenbau), die Wohnungen sehen
gleich aus, nur dass die eine Seite voll bezahlt, die andere nicht. Dabei
wohnen die Vollzahler jedoch nicht in Luxusappartements, auch wenn der Autor
das irgendwie suggerieren möchte. Das Weltbild dahinter gefällt mir überhaupt
nicht, weil es uns alle in wir und die einteilt, dabei sitzen wir, eben
auch bei der Grundidee dieser Story, im gleichen Boot. Zudem ist es nicht sehr
schwer, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Obdachlose in etwa lassen
sich nicht nur einer Herkunft/Religion/Geschlecht/etc. zuordnen, ebenso wenig
jene Menschen, die gezwungen sind, sich Lebensmittel bei den Tafeln zu besorgen
– und was passiert, wenn nicht genug für alle da ist, konnte erst kürzlich den
Tagesnachrichten entnommen werden. Wie man also auf die Idee kommen kann, diese
hochbrisante Lage auch noch künstlich anzuheizen, kann und werde ich wohl nie
verstehen.
Salima
nun, die im Übrigen eine sehr sympathische Figur ist, lernt mit ihrem Computer im
Darknet, wie man die Codes der Geräte entsperren kann und da gerade die
Hauptbelieferungsfirma in finanziellen Schwierigkeiten steckt und somit kein
Gerät funktioniert, wagt sie es. Aber dann hilft sie einem Nachbarn dabei, das
Gleiche zu tun und dann noch einem und noch einem … besonders Nadifas Sohn Abdirahim
hilft ihr dabei. Der clevere Junge gibt sich nicht mit den paar Geräten
zufrieden, besonders die Fahrstühle sind ihm ein Dorn im Auge. Was im Geheimen
begann, droht mehr und mehr an die Öffentlichkeit zu gelangen. Salima erkennt,
dass das gefährlich werden kann. Denn wenn die Gewinneinnahmen der Firma
einbrechen, wird jemand nachsehen und den „Betrug“ entdecken. Dann jedoch wird
man alle Mieter auf die Straße werfen und wo sollen die dann hin? Ja, wo sollen
die dann eigentlich hin, die Mieter mit den Vollzeitjobs, die sich alle, so gut
sie es vermochten, integriert haben (Sprache, Job, etc.)? Auch diesbezüglich
passt einiges nicht zusammen.
Salima
nun macht das Ganze rückgängig, was aber den anderen nicht gefällt. Die
strahlende Heldin wird plötzlich gar nicht mehr gern gesehen. Damit beschäftigt
sich der Autor leider auch nur äußerst unzureichend.
Inzwischen
hat sie übrigens eine junge Frau in der Bahn kennengelernt, die just bei genau
der Firma arbeitet, deren Geräte Salima gehackt hat. Sie finden sich
sympathisch und verbringen Zeit miteinander. Wie Wyoming aussieht und lebt,
muss in dieser Rezension sicher nicht gesagt werden, nach dem bereits
Erwähnten, ist da schnell drauf zu schließen. Wyoming deckt Salima, die ihr
schließlich alles gesteht. Wirklich einverstanden ist nämlich auch sie nicht
mit der Praxis ihrer Firma und sie sucht in dieser nach Unterstützern. Die
machen Salima dann ein Angebot. Doch hier steckt eine große moralische Falle
drin, auf die Salima nicht eingehen möchte. Oder doch? Wyoming indes ist
beeindruckt, dass es noch Menschen gibt, die für etwas einstehen und sich
selbst treu bleiben. Hier nicht mehr als verärgert zu sein, fällt schwer.
Der
Autor hat leider zwei Themen miteinander vermischt, die grundsätzlich nicht
zusammengehören. Von seiner Grundidee zwecks technischen (Zwangs-)Geräten
werden nicht nur bestimmte Bevölkerungsgruppen betroffen sein. Genauso wenig
wie man jene ganz pauschal in aufrechte, richtig tickende Menschen und
oberflächliche, zumindest halbrassitische Snobs einteilen kann (und das dann
auch noch mit der Herkunft/Hautfarbe verbindet). Idioten gibt es überall. Und
selbst die werden von den Konzernen abgezockt, denen ist das nämlich alles
völlig egal, wenn sie jemanden schröpfen können, werden sie das auch tun.
„Wie
man einen Toaster überlistet“ soll eine Satire sein, eine Hommage an die
heutige Gesellschaft. Ich kann leider nicht beurteilen, ob das so ist, denn mir
hat sich eine völlig andere Story eröffnet oder aber ich selbst lebe in einer
anderen Welt, als sie der Autor wohl gerne sehen möchte. Man merkt, mich lässt
dieses Buch sehr zwiegespalten zurück. Die Grundidee rund um die Geräte, die
ihre Funktion einstellen, wenn die Firma pleitegeht oder sie nicht mit den
gängigen Lizenzprodukten benutzt werden, finde ich ausgesprochen genial. Eine Sache,
die vermutlich tatsächlich auf uns zukommen wird, da sie in Teilen bereits in
unserer Zeit angekommen ist – man denke nur an E-Books und deren Geräte oder
auch an Drucker und ihre Patronen. Ob Kaffeemaschinen noch jeden Kaffee kochen,
kann ich nicht beurteilen, denn auch so eine Maschine besitze ich nicht (ich
brühe ohne, das klappt). Persönlich hat für mich Doctorow oft an Stellen
aufgehört, an denen ein genauerer Blick wohlgetan hätte, aber ich habe ohnehin
den Verdacht, dass die SoWi-Tante in mir viel zu deutlich mitgelesen hat.
Was
der Autor mit der Geschichte aussagen möchte, ist leider an mir vorbeigegangen,
da er offenkundig selbst nicht so recht wusste, welchem der beiden großen
Themen er sich nun vordergründig widmen will. Eine Lösung bietet er ebenfalls
nicht, auch keinen Zukunftsausblick oder nur eine kleine Idee. Nicht einmal für
Salima. Oder Nadifa, die alleinerziehende Mutter – von der es offenbar keine
bereits im Lande gibt oder die, die bereits im Lande sind in Saus und Braus
leben. Ach, ich hör’ schon auf. Nein, das war nichts. Zu gepresst, zu gewollt.
Zu unüberlegt und zu Schublade.
Cory Doctorow, 1971
in Toronto geboren, ist Schriftsteller, Journalist und Internet-Ikone. Mit dem
Blog boingboing.net und seinem Kampf für ein faires Copyright hat er weltweite
Bekanntheit erlangt. Sein erster Jugendroman Little Brother wurde ein
internationaler Bestseller. Cory Doctorow ist verheiratet, hat eine Tochter und
lebt in Los Angeles.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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