Autor: John Ironmonger
Originaltitel: Not
Forgetting The Whale
Verlag: S. FISCHER
ISBN: 978-3103974270
Euro: 22,00
Veröffentlichungsdatum: März
2019
Seiten:480
Serie: nein
Come in: vorablesen.de
Inhalt
Das
kleine Örtchen St. Piran liegt weit ab von allem und nur wer einmal da war,
weiß überhaupt, dass es existiert. Und genau dort finden eines Tages vier
unterschiedliche Menschen einen nackten Mann am Strand. Joe Haak kommt aus
London, wo er als Analyst an der Börse arbeitet und daneben nur wenig Leben
kennt. Er war an der Entwicklung eines Simulationsprogramms, Cassie, beteiligt, das vorhersagen sollte, wie sich
die Preise herausbilden werden. Aber das Programm kann mehr: Wie kann sich ein
Konflikt auf die Versorgungslinien auswirken, wie eine Grippeepidemie? Als
Cassie offenbar unwahre Aussagen trifft und Joes Arbeitgeber viel Geld kostet,
flieht er ins Nirgendwo. In St. Piran ticken die Uhren noch anders und Joe
schließt mit den Bewohnern Freundschaft. Als er die Möglichkeit hat, online zu
gehen, lässt er Cassie eine Vorhersage machen. Ihre Berechnung stellt eine baldige
Katastrophe in Aussicht, die einen Großteil der Bevölkerung vernichten wird.
Joe muss Vorkehrungen treffen, für sich selbst, aber vor allem auch für die
Menschen in St. Piran. Die jedoch halten ihn für verrückt.
Spoilerwarnung!
Es
ist kein neues Szenario, das der Autor in seinem Werk präsentiert, aber er
verstrickt die sozialen, politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge auf
eine frische, gut verständliche und sehr anschaulich geschriebene Art und
Weise. Wie er im Nachwort schreibt, dreht sich die gesamte Handlung um die alte
These „Die Menschheit ist nur drei volle Mahlzeiten von der Anarchie entfernt“,
wobei er alles Schwarzmalen vermeiden wollte – und es damit ein wenig
übertrieben hat.
Ironmongers
Stärke liegt vor allem in seinen Figuren, die recht illuster daherkommen, nur
auf den ersten Blick Klischee leben, aber schon beim nächsten Wort völlig aus
ihrer Rolle fallen. Er gestaltet sie äußerst lebendig und eigen.
Joe
öffnet sich und seine Gedankenwelt nur sehr langsam, aber auf eine
faszinierende Weise, die vor allem auch durch die Figuren, die ihn umgeben,
lebendig gestaltet wird. Nach und nach wird in Erinnerungskapiteln deutlich,
was der junge Mann vor seiner Strandung in St. Piran für ein Leben geführt hat.
Dabei wird die immer globaler werdende Welt ins Zentrum gerückt und ein Stück
weit dem ruhigen, eher einfachen Leben in dem kleinen Fischerdorf
gegenübergestellt.
Eine
Gegenüberstellung, die kritisch zu betrachten ist, besonders in der späteren
Handlung (z.B. „Sündenpfuhl“ London mit den Börsenheinis versus gutes,
einfaches Leben), denn natürlich tritt die Katastrophe ein. Eine Grippeepidemie
irgendwo in Asien, eine winzige Lücke im System, stillstehende Schiffe und
schon gehen in Europa, in diesem Fall England, die Lichter aus, weil das
kostbare Öl nicht mehr geliefert werden kann. Und weil es Menschen gibt, die
heute hier und morgen in Übersee sind, kommt auch die Grippe – und tötet jeden
zehnten Bewohner. Aber Joe hat vorgesorgt in diesem kleinen Ort, der nur den
einzigen Weg blockieren muss, um von der Landkarte zu verschwinden. Ein alter
Brunnen ist vorhanden, Tiere ebenfalls und am Meer liegt er auch idealerweise.
Mit Waffen hat sich niemand eingedeckt und so werden immer mal wieder Tiere
gestohlen und oft noch auf dem Feld erschossen. Die Bewohner werden in Ruhe
gelassen. Niemand muss hungern, alle gehen recht normal mit der Krise um. Dann
strandet noch ein Wal und liefert just, als es brenzlig zu werden droht, jede
Menge Nahrung – so viel, dass man Herz zeigen und die hungernden Nachbarn zum
Festmahl einladen kann (was wäre gewesen, wenn nicht?).
Und
kaum ist das überstanden, gehen plötzlich die Lichter wieder an, denn, so
Ironmongers Botschaft, die Regierung ist vorbereitet und lässt ihre Bewohner
nicht im Stich. Als die Krankheit überstanden ist, machen alle da weiter, wo
sie aufgehört haben, egal was in der Zwischenzeit so passiert ist (jede Menge
Tote, vielleicht genau die, die wissen, wie gewisse Maschinen zu bedienen sind?,
Raubzüge, Traumas, etc.) und die Versorgung flutscht wieder. Auch Cassie, das
Programm, kann nicht den menschlichen Faktor messen und geht immer vom
schlimmsten Szenario aus. Aber wenn wir menschlich bleiben, können wir alles
überstehen. Die Botschaft ist schön – aber meilenweit von jeder Realität
entfernt. Auch bei näherer Betrachtung der einzelnen Figuren und ihrer
Handlungsweisen, den Beziehungen untereinander und wer zuerst stirbt, könnte
der aufmerksame Leser Bauchschmerzen bekommen, gerade auch, was das Frauenbild
betrifft. Überhaupt macht es Sinn, sich ein wenig in biblischen Themen,
besonders was Jona und den Wal betrifft, auszukennen (siehe auch Originaltitel),
denn sonst verschließt sich diese Geschichte und verhindert ein tieferes
Eintauchen.
„Der Wal und das Ende der Welt“ ist schnell
gelesen, unterhält hervorragend, bietet allerdings ein zwar auf den ersten
Blick hoffnungsvolles, schillerndes Ende, ist aber jenseits jeder Realität.
Damit verdirbt der Autor seine eigene Geschichte, genauso wie mit den
Kernaussagen der Figurenbeziehungen und der Anordnung der Grundelemente der
Story.
John
Ironmonger kennt Cornwall und die ganze Welt. Er
wuchs in Nairobi auf und zog im Alter von 17 Jahren mit seinen Eltern in den
kleinen englischen Küstenort, aus dem seine Mutter stammte. John promovierte in
Zoologie; nach Lehraufträgen wechselte er in die internationale IT-Branche.
Schon immer hat er geschrieben; seine Romane wurden in viele Sprachen
übersetzt. Inspiriert zu »Der Wal und das Ende der Welt« haben ihn unter
anderem die biblische Geschichte von Jonas und dem Walfisch, das Werk des
Gesellschaftsphilosophen John Hobbes, Jared Diamonds Sachbuch »Kollaps« und
viele andere Quellen der Phantasie und des Zeitgeschehens. John Ironmonger lebt
heute in einem kleinen Ort in Cheshire, nicht weit von der Küste. Er ist mit
der Zoologin Sue Newnes verheiratet; das Paar hat zwei erwachsene Kinder und
zwei kleine Enkel. John Ironmongers Leidenschaft ist die Literatur – und das
Reisen auf alle Kontinente.
Hach, schade ... Ich hatte das Buch auf der Merkliste und war neugierig darauf. Dein Bericht liest sich aber, als hätte der Autor es sich doch an etlichen Stellen zu einfach gemacht. Also lass ich es lieber - das ist auch besser für den SUB ;)
AntwortenLöschenEigentlich habe ich das Buch insgesamt sehr gerne gelesen. Aufbau und Schreibweise sind durchdacht und sehr angenehm. Vielleicht ist es auch mal etwas anderes, eine quasi optimistische Dystopie oder ein Untergangsszenario mit Happy End zu schreiben. Vielen Lesern hat das gefallen. Als alte SoWi-Tante komme ich aber an einigen Dingen einfach nicht vorbei, gut möglich jedoch, dass es anderen gar nicht so auffallen würde.
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