Donnerstag, 25. April 2019

Der Wal und das Ende der Welt - John Ironmonger


Titel: Der Wal und das Ende der Welt
Autor: John Ironmonger
Originaltitel: Not Forgetting The Whale
Verlag: S. FISCHER
ISBN: 978-3103974270
Euro: 22,00
Veröffentlichungsdatum: März 2019
Seiten:480
Serie: nein
Come in: vorablesen.de










Inhalt
Das kleine Örtchen St. Piran liegt weit ab von allem und nur wer einmal da war, weiß überhaupt, dass es existiert. Und genau dort finden eines Tages vier unterschiedliche Menschen einen nackten Mann am Strand. Joe Haak kommt aus London, wo er als Analyst an der Börse arbeitet und daneben nur wenig Leben kennt. Er war an der Entwicklung eines Simulationsprogramms, Cassie,  beteiligt, das vorhersagen sollte, wie sich die Preise herausbilden werden. Aber das Programm kann mehr: Wie kann sich ein Konflikt auf die Versorgungslinien auswirken, wie eine Grippeepidemie? Als Cassie offenbar unwahre Aussagen trifft und Joes Arbeitgeber viel Geld kostet, flieht er ins Nirgendwo. In St. Piran ticken die Uhren noch anders und Joe schließt mit den Bewohnern Freundschaft. Als er die Möglichkeit hat, online zu gehen, lässt er Cassie eine Vorhersage machen. Ihre Berechnung stellt eine baldige Katastrophe in Aussicht, die einen Großteil der Bevölkerung vernichten wird. Joe muss Vorkehrungen treffen, für sich selbst, aber vor allem auch für die Menschen in St. Piran. Die jedoch halten ihn für verrückt.


Meinung
Spoilerwarnung!
Es ist kein neues Szenario, das der Autor in seinem Werk präsentiert, aber er verstrickt die sozialen, politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge auf eine frische, gut verständliche und sehr anschaulich geschriebene Art und Weise. Wie er im Nachwort schreibt, dreht sich die gesamte Handlung um die alte These „Die Menschheit ist nur drei volle Mahlzeiten von der Anarchie entfernt“, wobei er alles Schwarzmalen vermeiden wollte – und es damit ein wenig übertrieben hat.
Ironmongers Stärke liegt vor allem in seinen Figuren, die recht illuster daherkommen, nur auf den ersten Blick Klischee leben, aber schon beim nächsten Wort völlig aus ihrer Rolle fallen. Er gestaltet sie äußerst lebendig und eigen.
Joe öffnet sich und seine Gedankenwelt nur sehr langsam, aber auf eine faszinierende Weise, die vor allem auch durch die Figuren, die ihn umgeben, lebendig gestaltet wird. Nach und nach wird in Erinnerungskapiteln deutlich, was der junge Mann vor seiner Strandung in St. Piran für ein Leben geführt hat. Dabei wird die immer globaler werdende Welt ins Zentrum gerückt und ein Stück weit dem ruhigen, eher einfachen Leben in dem kleinen Fischerdorf gegenübergestellt.
Eine Gegenüberstellung, die kritisch zu betrachten ist, besonders in der späteren Handlung (z.B. „Sündenpfuhl“ London mit den Börsenheinis versus gutes, einfaches Leben), denn natürlich tritt die Katastrophe ein. Eine Grippeepidemie irgendwo in Asien, eine winzige Lücke im System, stillstehende Schiffe und schon gehen in Europa, in diesem Fall England, die Lichter aus, weil das kostbare Öl nicht mehr geliefert werden kann. Und weil es Menschen gibt, die heute hier und morgen in Übersee sind, kommt auch die Grippe – und tötet jeden zehnten Bewohner. Aber Joe hat vorgesorgt in diesem kleinen Ort, der nur den einzigen Weg blockieren muss, um von der Landkarte zu verschwinden. Ein alter Brunnen ist vorhanden, Tiere ebenfalls und am Meer liegt er auch idealerweise. Mit Waffen hat sich niemand eingedeckt und so werden immer mal wieder Tiere gestohlen und oft noch auf dem Feld erschossen. Die Bewohner werden in Ruhe gelassen. Niemand muss hungern, alle gehen recht normal mit der Krise um. Dann strandet noch ein Wal und liefert just, als es brenzlig zu werden droht, jede Menge Nahrung – so viel, dass man Herz zeigen und die hungernden Nachbarn zum Festmahl einladen kann (was wäre gewesen, wenn nicht?).
Und kaum ist das überstanden, gehen plötzlich die Lichter wieder an, denn, so Ironmongers Botschaft, die Regierung ist vorbereitet und lässt ihre Bewohner nicht im Stich. Als die Krankheit überstanden ist, machen alle da weiter, wo sie aufgehört haben, egal was in der Zwischenzeit so passiert ist (jede Menge Tote, vielleicht genau die, die wissen, wie gewisse Maschinen zu bedienen sind?, Raubzüge, Traumas, etc.) und die Versorgung flutscht wieder. Auch Cassie, das Programm, kann nicht den menschlichen Faktor messen und geht immer vom schlimmsten Szenario aus. Aber wenn wir menschlich bleiben, können wir alles überstehen. Die Botschaft ist schön – aber meilenweit von jeder Realität entfernt. Auch bei näherer Betrachtung der einzelnen Figuren und ihrer Handlungsweisen, den Beziehungen untereinander und wer zuerst stirbt, könnte der aufmerksame Leser Bauchschmerzen bekommen, gerade auch, was das Frauenbild betrifft. Überhaupt macht es Sinn, sich ein wenig in biblischen Themen, besonders was Jona und den Wal betrifft, auszukennen (siehe auch Originaltitel), denn sonst verschließt sich diese Geschichte und verhindert ein tieferes Eintauchen.
 „Der Wal und das Ende der Welt“ ist schnell gelesen, unterhält hervorragend, bietet allerdings ein zwar auf den ersten Blick hoffnungsvolles, schillerndes Ende, ist aber jenseits jeder Realität. Damit verdirbt der Autor seine eigene Geschichte, genauso wie mit den Kernaussagen der Figurenbeziehungen und der Anordnung der Grundelemente der Story.


John Ironmonger kennt Cornwall und die ganze Welt. Er wuchs in Nairobi auf und zog im Alter von 17 Jahren mit seinen Eltern in den kleinen englischen Küstenort, aus dem seine Mutter stammte. John promovierte in Zoologie; nach Lehraufträgen wechselte er in die internationale IT-Branche. Schon immer hat er geschrieben; seine Romane wurden in viele Sprachen übersetzt. Inspiriert zu »Der Wal und das Ende der Welt« haben ihn unter anderem die biblische Geschichte von Jonas und dem Walfisch, das Werk des Gesellschaftsphilosophen John Hobbes, Jared Diamonds Sachbuch »Kollaps« und viele andere Quellen der Phantasie und des Zeitgeschehens. John Ironmonger lebt heute in einem kleinen Ort in Cheshire, nicht weit von der Küste. Er ist mit der Zoologin Sue Newnes verheiratet; das Paar hat zwei erwachsene Kinder und zwei kleine Enkel. John Ironmongers Leidenschaft ist die Literatur – und das Reisen auf alle Kontinente.



2 Kommentare:

  1. Hach, schade ... Ich hatte das Buch auf der Merkliste und war neugierig darauf. Dein Bericht liest sich aber, als hätte der Autor es sich doch an etlichen Stellen zu einfach gemacht. Also lass ich es lieber - das ist auch besser für den SUB ;)

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    1. Eigentlich habe ich das Buch insgesamt sehr gerne gelesen. Aufbau und Schreibweise sind durchdacht und sehr angenehm. Vielleicht ist es auch mal etwas anderes, eine quasi optimistische Dystopie oder ein Untergangsszenario mit Happy End zu schreiben. Vielen Lesern hat das gefallen. Als alte SoWi-Tante komme ich aber an einigen Dingen einfach nicht vorbei, gut möglich jedoch, dass es anderen gar nicht so auffallen würde.

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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