Titel: Wo steckst du, Bernadette?
Autorin: Maria Semple
Originaltitel: Where'd you go, Bernadette
Verlag: btb
ISBN: 978-3442748518
Euro: 9,99
Veröffentlichungsdatum: Januar 2015
Seiten: 384
Kein Serientitel
Come in: Tausch
Inhalt
Bernadette
Fox, ehemalige Star-Architektin, lebt mit ihrem Mann Elgie (arbeitet
bei Microsoft) und ihrer fünzehnjährigen Tochter Bee (ist hochbegabt) in
Seattle. Nach einem ereignisreichen Leben ist Bernadette eigen im
Umgang mit anderen geworden. Sie besitzt diverse Ängste und vermeidet
Kontakt wo es geht. Zu diesem Zweck beauftragt sie auch Manjula, ihre
indische Assisstentin, für 0,75 Dollar die Stunde, damit die sich um
alle Termine kümmert. Nach einigen neuen Vorkommnissen wird deutlich,
wie chaotisch und unselbständig Bernadette wirklich ist - und dann
verschwindet sie urplötzlich. Bee sorgt sich sehr und beschließt, ihre
Mutter auf eigene Faust zu suchen.
Ich
entschied mich, dieses Buch zu lesen, nachdem es in der Liste von
Bestsellern in "Der Bestseller-Code" auftauchte, jenem darin
beschriebenen, von Literaturaffinen entwickelten Algorithmus, der zu
über neunzig Prozent einen Bestseller vorhersagen kann. Die Autorin hat
reichlich Erfahrung im Schreiben, auch weil es ihr quasi in die Wiege
gelegt wurde, denn auch ihr Vater ist bekannt dafür (Batman, 1966).
Zudem landete dieser Roman 2013 auf der Shortlist des Baileys Women’s Prize for Fiction
und stand in den USA tatsächlich über dreißig Wochen auf der
New-York-Times-Bestsellerliste. Gelesen und gemocht wurde es nicht nur
von Jonathan Franzen, der auf dem hinteren Cover abgedruckt wurde,
sondern auch von Patrick Rothfuss, der es laut Goodreads 2016 las. "If
you're the sort of person who only reads fantasy (as I know some of my
readers are) be aware this doesn't have any of that in there. Also,
female main character here. So if you're one of those dudes who is
terrified of catching cooties from a book, look out. There's feelings
and shit in this book, and a girl looking for her mother." Schreibt er
dort unter anderem. Auch wenn es seltsam ist, dass er "Fantasy" und
"female main character" irgendwie gegenseitig ausschließt (nein, habe
immer noch nichts von ihm gelesen und bekomme immer weniger Lust dazu),
scheint es sich um eine Geschichte zu handeln, die er trotzdem
ganz gerne mochte, also trotz dem Gefühlsscheiß und den Frauen und der
Tochter, die ihre Mutter sucht - und dass Fantasyelemente fehlen.
Der
Roman wird in E-Mails, Notizen und Rückblicken erzählt, die mitunter
von Erzählungen Bees unterbrochen werden. Dazu greift er nicht nur das
Thema Familie auf, er ist
ebenfalls eine komische Persiflage der heutigen (sehr amerikanischen!)
Gesellschaft. Dass ein Mensch wie Bernadette aus dieser Mainstreammasse
heraussticht wie ein bunter Hund, ist nicht verwunderlich, dass sie
aneckt auch nicht. Obwohl sie versucht, sich anzupassen und sei es nur
aus Liebe zu ihrer Tochter, verschlimmert sie die Dinge nur immer
weiter. Es ist durchaus vergnüglich, dem Geschehen in der eher
ungewöhnlichen Form zu folgen, letztendlich jedoch ist es eine
upperclass-Erzählung und wer nicht drinsteckt, ist auch nicht richtig
dabei. Der Witz ist da, aber dürfte sich nur entfalten, wenn man es
selbst schon so oder so ähnlich erlebt hat. Darum ist es letztendlich
auch nicht wirklich bei mir angekommen. Allerdings sehe ich, was die
Leser daran begeistert hat und auch die Raffinesse, mit der die Autorin
hier vorgegangen ist. Ich möchte die Geschichte also trotzdem
weiterempfehlen.
Die Filmrechte sind im Übrigen bereits verkauft und 2019 soll Cate Blanchett in der Rolle der Bernadette brillieren.
Maria
Semple reiste die ersten Jahre ihres Lebens mit ihren Eltern kreuz und
quer durch Europa (in Spanien schrieb ihr Vater Lorenzo den Pilot zur
TV-Serie Batman), bevor sie nach Los Angeles und später nach Colorado
zog. Nach Abschluss ihres Studiums am Barnard-College arbeitete zunächst
für Beverly Hills, 90210, schrieb dann für Sitcoms wie Ellen, Mad About
You und Arrested Development. Inzwischen lebt sie mit ihrem Ehemann,
der für die Simpsons schreibt, und der gemeinsamen Tochter in Seattle.
Salut, Daniela.
AntwortenLöschenManche halten ja den Algorithmus für die eierlegende Wollmilchsau der Neuzeit. Der schieren Unfehlbarkeit anverwandt. Mir kommt die Rechenkolonne mehr einer Gläubigkeit an das Orakel von Delphi gleich.
Die erwähnten Anmerkungen von Patrick Rothfuss habe ich jetzt eher als ironische Spitze gegen all die erwähnten Einstellungen (wie deren Träger) interpretiert. ;-)
Hmmm...bei den 75 Cent Stundenlohn für ihre fremdländische Assisstenin Manjula, scheint Bernadette dann doch eine wesentliche Gemeinsamkeit mit der us-mainstream-upperclass gemeinsam zu haben.
Das Cover der deutschsprachigen Ausgabe ist wieder einmal anziehender als die Schulübung des Originals...
bonté
Es ist zwar eine App (?), aber in dem Fall auch ein ganzes Buch dazu. Ich fand die Analyse von Sprache und Inhalt wirklich gelungen und wie sie bestimmte Dinge aufgeschlüsselt haben. Deckt sich mit meinen Erfahrungen. Der Algorithmus hat übrigen auch Rowling als Galbraith aufgedeckt ;-) Ist also durchaus was dran. Ich versuche gerade noch herauszufinden, ob es das auch schon für die deutsche Sprache gibt.
LöschenDass Rothfuss das nicht ganz ernst gemeint hat, ist mir schon klar, aber das überhaupt und wie stösst mir immer reichlich auf.
Bernadette ist keine einfache Figur, das muss man gelesen haben ;-) Ich bin auf die filmische Umsetzung sehr gespannt, weil ich auch nicht weiß, wie man das gekonnt umsetzen möchte, ohne dass es 08/15 wird.
...bei den Vertretern der Misogynie (ob offen oder verklausuliert) ergibt sich zwangsläufig die Frage nach der Erbärmlichkeit des eigenen Selbstverständnisses; die Erniedrigung anderer zur Erhöhung des zähneklappernden Ichs. Yikes.
LöschenDie Epigonen des 4.0-Philosophie* hausieren ja gernst damit, dass Algorithmen komplexe Entscheidungen für - & vor allem - über Menschen treffen werden können. Das hält mich auf der Distanz.
Obschon der angekündigte Starttermin bereits zweimal verschoben wurde - man/frau kann sich bei Regisseur Richard Linklater bestimmter Qualitäten sicher sein. Schräg gehört dazu.
* der Kühlschrank unterhält sich via Net mit der Munddusche über Sokrates ;-)
Bin auch gespannt, wie sie das umsetzen. Und ob überhaupt :)
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