Dienstag, 17. Dezember 2024

Moralische Ambition - Rutger Bregman

 


Titel: Moralische Ambition: Wie man aufhört, sein Talent zu vergeuden, und etwas schafft, das wirklich zählt
Autor: Rutger Bregman
Originaltitel: Morele Ambitie
Verlag: Rowohlt
ISBN: 978-3498007188‎
Euro: 26,00
Veröffentlichungsdatum: November 2024
Seiten: 336
Serie: nein
Come in: vorablesen.de

 

 

 

 

Inhalt/Klappentext
Dieses Buch handelt von Pionierinnen und Pionieren. Es erzählt die Geschichte von Menschen, die vor moralischer Ambition nur so strotzten: Abolitionisten, Suffragetten, Helden des Widerstands und Bürgerrechtlerinnen, von Menschen, die nicht nur Ideale hatten, sondern ihr Leben auch nach diesen Idealen ausrichteten – und den Lauf der Welt veränderten.
Wie werden umwälzende Ideen nicht nur geboren, sondern auch in die Tat umgesetzt? Wie geht man die größten Herausforderungen seiner Zeit an? Wie kommt man vom Reden ins Handeln? Dieses Buch ist ein aufrüttelnder Blick in die Geschichte, ein packender Bericht über Menschen, die ihr ureigenes Talent in die Waagschale geworfen haben und zu großen Denkern, Erfinderinnen und Anführern wurden, und über jene, die es ihnen heute gleichtun. Es ist auch eine Anleitung, wie jeder Einzelne im Angesicht von scheinbar überwältigenden Krisen in dieser Welt den Unterschied machen kann.
«Das beste Gegenmittel gegen die Pessimisten und Zyniker, die glauben machen wollen, dass man gegen die Probleme unserer Zeit nichts ausrichten kann.» Max Roser

 

 


Meinung
Zunächst sollte gesagt werden, dass es sich um ein hochwertig aufgemachtes Buch handelt. Ein Hardcover mit sehr stabilem Papierumschlag und einem Lesebändchen, griffiges Papier. Auf den ersten Blick macht das Cover leider nicht viel her; ich vermute, dass einige Leser daran vorbeigehen werden, da auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist, um welchen Inhalt es sich handeln könnte. Allerdings scheint der Autor kein Unbekannter zu sein und sich über eine große Fangemeinde zu freuen.

Das Buch besitzt, offenbar genau wie sein Autor, eine hohe moralische Auffassung und einen eisernen Willen. Nein, sagt Bregman, so wie du bist, reichst du nicht aus. Du bist gebildet und gut ausgebildet und dann verschwendest du dein Leben in Bullshit-Jobs, statt etwas in und für die Gesellschaft zu bewegen. In der Tat ergreifen viele Topabgänger an Unis Jobs, die zwar gut bezahlt werden, aber im Grunde niemandem nutzen oder schlimmer noch, sogar das Gegenteil bewirken und die Welt schlechter machen. Anhand zahlreicher Beispiele der Geschichte, auch der neueren, erzählt Bregman nun von Menschen, die einst auf einen Missstand in der Welt oder ihrer jeweiligen Gesellschaft stießen und diesen dann nicht verwinden konnten. Die alles, was sie hatten, dafür einsetzten, um etwas daran zu ändern. Leider hat sich Bregman hier die gängigsten und „besten“ Themen herausgesucht, die Abschaffung der Sklaverei in etwa. Immerhin, es gibt garantiert für jeden Leser etwas Neues zu lernen. Von gewissen, sehr umstrittenen Themen lässt er nämlich die Finger, wer genau mitliest, wird es sofort erkennen. Denn natürlich liegt der Autor komplett, aber wirklich richtig komplett im aktuellen Zeitgeist. Das muss nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Aber ich möchte dennoch darauf hinweisen, dass Wahrheit für den einen nicht unbedingt die gleiche Wahrheit für den anderen sein muss. André Paul Guillaume Gide sagte einst: „Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.“ Nun hat Bregman sich auch das Thema Malaria herausgesucht und sehr schön ausgearbeitet. Gerade das Projekt, in dem ein Mann, der zuvor in einem gutbezahlten, aber nichtigen Job arbeitete, Geld sammelte, um Moskitonetze zu kaufen und zu verteilen, ist sehr anrührend und wichtig. Nun wird ebenfalls an einer Impfung für Malaria geforscht. Das wäre ein schöner Meilenstein. Wenn, ja wenn es nicht auch die andere Seite gäbe. Der hier erwähnte und zitierte Bill Gates in etwa. Noch vor wenigen Tagen fiel er mit einer sehr bedenklichen Aussage über Indien auf – dem Land, das ihn einst quasi rausgeschmissen hat, weil er hier seiner eigenen Wahrheit nachgegangen ist, um die Welt zu verbessern. Ja, Herr Bregman, was ist mit jenen, die die Welt verbessern wollen und es so angehen, wie es ihnen passt – und nur ihnen? Die vielleicht der Meinung sind, dass nun, da die zahlreichen Krankheiten – wie Pocken, von denen im Buch erzählt wird – die Menschheit nicht mehr so in Schach halten, die Überbevölkerung das nächste große „Problem ist, das angegangen werden muss, um die Welt zu retten“? Natürlich kann man vor Ort für Aufklärung sorgen oder kostenlose Kondome verteilen. Oder man kann Frauen unfruchtbar machen. Das ist in der Tat vorgekommen, meist ohne Wissen der Frauen und mithilfe der Regierungen. (Auch über Gates gibt es inzwischen zahlreiche Dokus und Bücher, die von seinen Impfungen oder seiner Arbeit mit genveränderten Mücken z. B. in Afrika erzählen. Für die Bevölkerungen macht er das sicher nicht.) Aber solche sehr grenzwertigen Weltverbesserungen spricht Bregman nicht an. Ich selbst habe beim Lesen gegen Ende aber erhebliche Bauschmerzen bekommen. Denn so wie das Buch geschrieben ist, ist es wie eine wuchtige Gewalt, etwas, das sich nicht aufhalten lässt in der Einbildung, die Welt verbessern zu müssen. Was ist das überhaupt für ein Wahn, ständig die Welt retten zu wollen? Auch die meisten hier zitierten Beispiele haben teilweise einen extrem hohen Preis bezahlt, Burnout in etwa und jung gestorben, völlig ausgebrannt.

Und das Thema Geld. Das wird hier nur gestreift, wenn Bregman, wieder nur sehr oberflächlich und ein bisschen klausuliert, darüber spricht. In etwa gibt es eine Schule, in der sich Leute mit einem Weltverbessererprojekt bewerben können, dann ausgebildet werden und am Ende eine gewisse Summe erhalten, um eine Firma zu gründen. Vielleicht in Indien, wo man dann auch Leuten Arbeit geben kann und … Schon die Tatsache, dass immer Geld drinsteckt, macht klar, dass das wieder so eine Sache mit dem Welt verbessern ist. Ohne Geld geht nichts. Und wenn es etwas zu verdienen gibt … wir alle wissen, wie das ausgeht. Darum lässt der Autor wohl auch sonst die Finger vom Thema Pharmazie. Oder dem größten Thema der nächsten Jahre, der Landbewirtschaftung – und all dem Zeug, das auf unsere Felder gespritzt wird. Alles nur zu unserem Besten. Fakenews und Informationsaufbereitung (wenn man es nett ausdrücken möchte) sind bereits im Kommen. Auch hier glauben Leute, sie würden die Welt verbessern, wenn sie andere daran hindern, ihre Meinung kundzutun (da sind wir auch wieder beim Thema „Wahrheit“). Sehr schwierige Themen allesamt, die fasst der Autor aber wie gesagt nicht an. Denn dann müsste auch genau(er) beleuchtet werden, was hier an Geldern dahinter sitzt und wer sie wohin steuert. Um Gates wieder aufzugreifen: Der gibt zwar oft einen Teil seines Geldes, etwas, das Bregman positiv hervorhebt. Aber dann wird vor Ort eine Firma gegründet, die oft mit staatlichen Mitteln subventioniert wird, die dann vor Ort verdient – und schon ist das Zehnfache von dem wieder drin, das vorher ausgegeben wurde. Satte Gewinnmarge, gut gelaufen und, äh, Welt gerettet? Auch das deutsche Beispiel mit den Solarpanels und deren Erfindung und Verbreitung, um das Klima zu retten, zeigt deutlich, dass jene mit Scheuklappen, nicht rechts und links zur Seite schauen und einfach ihre Sicht der Welt/ auf die Welt umsetzen wollen, koste es was es wolle. Denn das Solarprojekt ist von Steuergeldern finanziert worden, hinter dem Rücken der meisten Bürger, viel innerhalb einer gewissen Branche gemauschelt natürlich nicht ohne Beteiligung etlicher Politiker, die, da machen wir uns nichts vor, gut daran verdient haben, während noch unsere Urenkel dafür bezahlen werden müssen. Und sitzt die Solarbranche noch in Deutschland? Natürlich nicht! Die ist längst wegen zu hoher Energie- und Materialkosten nach China ausgewandert. So geht’s nämlich heute. Sind wir wieder beim Thema Geld. Welt retten, ja bitte. Aber nur wenn’s hinten raus noch was zu holen gibt. Denn auch am und beim Welt retten verdienen einige. Die meisten anderen, nennen wir sie Bevölkerung (die aber auch Bregman nicht anspricht, bei ihm geht es um die sog. „Elite“, keine Handwerker, Pflegepersonal, Sicherheitsgewerbe, Arbeiter etc., aber die verfallen diesen Ideologien auch selten so stark und sind dennoch die, die hier viele seiner Beispiele bilden, was seltsam genug ist), bleiben auf der Strecke. Wenn dann hier Beispiele wie Rosa Parks oder die Moskitonetze herangezogen werden, vergleicht man doch eher Äpfel mit Birnen.

Das Buch ist gut geschrieben, keine Frage. Ein Autor, der weiß wie es geht, der mitreißt und Lust darauf macht, etwas zu bewegen und zwar nicht mit Posts in Social Media, sondern ganzem Körpereinsatz. Dafür beide Daumen nach oben, das habe ich wirklich sehr geschätzt. Aber wer sich ein bisschen auskennt, wer weiß wie der Hase läuft, kann das Buch einfach nicht ohne Bauchschmerzen lesen. Denn es greift alle Dinge, die gut klingen auf, beschäftigt sich jedoch nicht mit den negativen Folgen – die jede Weltverbesservision eben auch hat. Das würde aber in jedem Fall dazugehören.

 

 

Rutger Bregman, geboren 1988, ist Historiker und einer der innovativsten Denker Europas. 2017 erschien sein Buch «Utopien für Realisten», 2020 folgte der «Im Grunde gut», das bisher in 46 Sprachen übersetzt wurde. Er lebt mit seiner Familie in New York.

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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