Dienstag, 20. August 2024

Der Salon der kühnen Frauen - Clare Pollard

 

Paris zur Zeit des Sonnenkönigs. Im Salon von Madame d’Aulnoy verkehren besondere Frauen und erzählen sich besondere Märchen.

 

 


Titel: Der Salon der kühnen Frauen
Autorin: Clare Pollard
Originaltitel: The Modern Fairies
Verlag: Aufbau‎
ISBN: 978-3351041854‎
Euro: 23,00
Veröffentlichungsdatum: August 2024
Seiten: 288
Serie: nein
Come in: vorablesen.de

 

 

 

Inhalt
Es ist die Zeit des Sonnenkönigs, Paris erlebt die Jahre Ludwig XIV mit seiner dekadenten Lebensweise. Das Volk hungert und friert im Winter, viele Adlige suchen mit allen Mitteln einen Platz im Schatten des Königs, Frauen haben es sehr schwer. Es ist aber auch die Zeit der Salons, in denen vorgeblich ungefährliche und harmlose Geschichten erzählt und Süßigkeiten genascht werden. Im Salon von Madame d’Aulnoy verkehren einige besondere Frauen und nur wenige Männer. Aber Märchen besitzen einen wahren Kern und niemand weiß besser als diese Frauen, was ihre Metaphern bedeuten.

 

 


Meinung
Dieses kleine feine Büchlein, das die Situation von Frauen zur Zeit des Sonnenkönigs  hervorragend und ausgesprochen anschaulich schildert, ist laut Autorin von wahren Begebenheiten inspiriert. Es beginnt recht märchenhaft und zieht viele Parallelen zwischen Fabel und Realität. Wer einmal in das wirkliche Leben am Hof von Ludwig XIV eintauchen möchte, sollte zugreifen. Aber Vorsicht, es war nicht schön; die Notdurft wurde in alle Ecken verrichtet, der König besaß viele Krankheiten, die ihn letztendlich entstellt haben und die Adligen gaben damit an, nur ein-, zweimal im Leben gebadet zu haben, darum parfümierte man sogar Möbel. Im Salon von Madame d’Aulnoy, die einst verbannt worden war, hat sich ein kleiner, illustrer Kreis versammelt, zu dem auch eine illegitime Tochter des Königs gehört. Der verwitwete Charles Perrault hat ein Märchen geschrieben und möchte unbedingt seine Gastgeberin beeindrucken. Die Art, wie Männer erzählen, unterscheidet sich von der von Frauen. Immerhin kann sich jeder einmal verkleiden und die Erzählung nachspielen. Dabei werden allerlei Vorurteile und Jungmädchenträume deutlich. Frauen, die bereits genug Leben hinter sich haben, um längst von ihren Träumen abgelassen zu haben und nun mit den Gegebenheiten klarkommen müssen, verstecken ihre Gefühle in den Geschichten. Das wiederum ist nicht ganz ungefährlich, denn eines duldet der König nicht: Widerspruch.

Bis knapp mittig liest es sich sehr gut und die Seiten fliegen nur so vorbei. Aber dann geht es mehr ins Detail, die Sprache wird, besonders wenn es um intime Momente geht, recht derb, fast vulgär, was ausgehalten werden muss. Es ist schade, dass die Autorin dies so direkt eingebaut hat, denn es wäre gar nicht nötig gewesen und zieht die Erzählung in meinen subjektiven Augen ein bisschen runter.

Anhand von überschaubaren Kapiteln – das Hardcover ist recht dünn –, die mit Märchen betitelt wurden, wird dem Leser das Leben der Frauen des Salons nähergebracht. Ihre Vergangenheit ebenso wie ein kleines Stück ihrer Zukunft. Selbst in begütertem Hause haben sie es nicht leicht, denn Mädchen zählen nichts. Eine Ehe, die als nicht standesgemäß erachtet wird, ist schneller aufgelöst, als die Frau blinzeln kann (entjungfert ist sie dann jedoch und damit entehrt). Sie bleibt verheiratet immer Eigentum des Mannes, der mit ihr machen kann, was ihm beliebt. Wenn sie zudem nicht nur nichts für ihn übrig hat, sondern gleich für sein gesamtes Geschlecht, wird es lebensgefährlich.

Natürlich ist ein Spion in den Salon eingeschleust worden, aber niemand kann sich sicher sein, wer es ist, auch der Leser nicht. Die Ereignisse spitzen sich so gekonnt zu, dass ein Absetzen unmöglich wird. Ein „und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ liegt bei diesem historischen Roman in jedem Fall im Auge des Betrachters, es fehlt allerdings nicht komplett. Wer die Ursprünge so manches Märchens, vielleicht sogar eines, dass nach der Kindheit längst vergessen, aber einst geliebt wurde, erkunden und Zusammenhänge entdecken möchte, ist gut beraten. Wie das Leben der Menschen und besonders das der Frauen zur Herrschaft Ludwig XIV aussah, ist sicher noch nie so deutlich in einem historischen Roman geschildert worden. Dies ist ein kleines, besonderes Büchlein, das in jeder Hinsicht einzigartig ist.

 

 

Clare Pollard ist eine vielfach ausgezeichnete Autorin, Lyrikerin und Dramatikerin aus London. Sie hat fünf Gedichtbände verfasst und ist Herausgeberin der Zeitschrift Modern Poetry in Translation. 2023 erschien bei Aufbau ihr Roman »Delphi«, der von der Kritik gefeiert wurde. »Der Salon der kühnen Frauen« ist ihr zweiter Roman.

3 Kommentare:

  1. Anonym12.9.24

    Das klingt ja interessant. Passt gut in mein Beuteschema und kommt auf die Liste. Danke, liebe Daniela. VG Frau Leseratteffm

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    1. Ich glaube, dass das etwas für Dich sein könnte. Aber ich weise noch mal auf die teilweise wirklich vulgären Szenen hin, die sind aber nur sporadisch und können ausgehalten werden. Wären sie nicht drin, wäre das ein absolutes Highlight gewesen.

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    2. Anonym13.9.24

      Bin gespannt!

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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