Dienstag, 24. Oktober 2023

(Buchgedanken) Buch – Alltagsgegenstand oder Luxusartikel? Liest Du Bücher oder benutzt Du sie?

 

Kürzlich las ich einen Artikel zum Alltag mit Büchern, der ungefähr so begann: „Vergilbter Schnitt, Leserillen oder Schimmel – Probleme, die jeder Leser mit eigener Bibliothek kennt.“ Es folgten Tipps, wie mit Büchern richtig umzugehen wäre. Man solle niemals Seiten knicken, nie mit eingecremten Händen zufassen, die Finger nicht befeuchten, um die Seiten leichter voneinander zu trennen, das Buch nicht in der Sonne liegen lassen, nicht in der Nähe von Wasser lesen … Eine wahre Flut von Empfehlungen, die mich jedoch stutzig gemacht haben. Denn das eine wie das andere erscheint mir ein wenig extrem. Oder?
Schnell schloss sich eine weitere Frage an: Sind Bücher heute noch für die Ewigkeit gemacht? Manchmal erscheinen Bücher, die aus dem achtzehnten Jahrhundert oder früher stammen, in einem besseren Zustand zu sein als jene, die nur ein paar Jahrzehnte alt sind. Hier spielt sicher die Lagerung eine Rolle: Kellermuff oder Dachboden tun niemandem gut, ein Zimmer, in dem stets der Wäscheständer stand, hinterlässt Spuren. Nur sollten Bücher überhaupt wie ein rohes Ei behandelt werden?  Niemals ausgeliehen, nie im Garten oder am Strand gelesen, nie beim Kaffee oder Tee trinken, immer außerhalb der Reichweite von Kindern oder Haustieren und ganz sicher nie unter das kürzere Tischbein geschoben. Nur zu etwa neunzig Grad geöffnet, keine Eselsohren, den Umschlag bei Hardcovern vorher beiseitegelegt.
In einer Zeit, wo Bücher vielfach zu Dekoelementen werden – hier seien Cover und farbiger Buchschnitt genannt –, stellt sich die Frage nach innerem und äußerem Wert. Welches Buch wird wo – und wie! – gelesen?

 

„Gedankenverloren trommelte sie mit den Fingerspitzen auf den Umschlag ihres eigenen Buchs, sie schlug es nicht sonderlich oft auf, so sehr nahmen ihre Beobachtungen sie gefangen. Es war ein Taschenbuch, außen zierten es Kaffeeflecken, der Buchrücken war rissig, und es wanderte von einer Handtasche in die nächste, von der großen Schultertasche, die sie immer dienstags benutzte – dann erledigte Juliette ihre Einkäufe, sobald sie die Agentur verließ – in die kleine Handtasche freitagabends, wenn sie ins Kino ging."

Das Mädchen, das in der Metro las, Seite 14

 

Obwohl es im ersten Moment naheliegt, zu glauben, preiswerte und/oder eher schlicht aufgemachte Bücher würden eine ebenso unscheinbare Geschichte enthalten, trügt der Schein in den meisten Fällen. Manchmal sogar sehr. Denn pompös aufgemachte Bücher sind etwas fürs Auge – und enthalten selten nachhallende Geschichten, die in Herz und Hirn fahren, wenn das auch nicht auszuschließen ist.
Liegt der Umgang mit Büchern vielleicht in dem Ort begründet, an dem wir sie lagern, nicht an dem, wo sie gelesen werden? Gerade scheint es ziemlich modern zu sein, Bücher mit dem Schnitt zum Betrachter ins Regal zu stellen und eben nicht mit dem Buchrücken, auf dem Titel und Verfasser vermerkt sind. Welche Rolle, muss man sich fragen, spielen beide noch? Und ist das nicht eine Frage des Respekts (oder sind sie so austauschbar geworden, dass es keine Rolle spielt, weil die meisten Bücher ohnehin nicht mehr in dem Maße die Sinne berühren, wie es ein gutes Buch tun sollte?)? Aber hier naht bereits der neue Verkaufsschlager der bunt bemalten, Auflagenbeschränkten Schnitte, kleine Kunstwerke, die mitunter horrende Preise erzielen können. Luxus fürs Regal.
Ob es eine Vase nicht auch getan hätte?

 

„Ich hatte mir sogar einen Trick ausgedacht, wie man beim Kartoffelschälen lesen kann: Ich klemmte einfach mein Buch hinter den Wasserhahn und machte das Abendessen fertig, während ich durch Narnia, Fantasia oder Mordor spazierte.“

Meine happy crazy Großfamilie oder Mein erster Roman mit 15 3/4, Seite 8

 

Nicht zuletzt ist das Ganze eine Frage des Preises. In wirtschaftlich schweren Zeiten, in denen wir zweifelsfrei leben, kann auch ein normales Taschenbuch oder eine Klappenbroschur das Haushaltsbudget belasten. Die Frage ist nur, ob ein normaler Leser (kein Vielleser oder Blogger u. ä.) dann preiswert kaufen möchte oder hochwertig. Und ob beides zwangsläufig im Buchladen stattfinden muss, preiswert ist es am meisten im Gebrauchtbuchhandel. Inwiefern spielt an dieser Stelle die Aufmachung eine Rolle? Bedingt diese den Umgang mit dem Buch? Wenn es also bereits ein paar Macken hat, sinkt dann die eigene Hemmschwelle? Bücher in Handtaschen sind selten die, die später im Regal stehen. Oder?
Und doch: Geliebten Büchern sieht man die Liebe an, sie wurden so oft gelesen, dass sie zerfleddert sind, mit Eselsohren und Leserillen. So gefangen ist der Leser von ihrem Inneren, das er auf alles andere nicht mehr achtet. Vielleicht sind sie von Hand zu Hand gewandert, um die Begeisterung von einem Leser auf den anderen zu übertragen, um über eben diese ergreifenden Inhalte zu diskutieren. Sprechen über Bücher, nicht über deren Aussehen. Kennt man das heute noch? Es lässt sich zugegeben nur schwierig in Instagram abbilden.

 

„Er blickte auf die brüchigen, zerfledderten, vergilbten, dünnen, billigen Taschenbücher in der Kiste. Sie rochen nach Staub, Schimmel und Alter. Vermischt mit einem schwachen Hauch von Pisse, Tabak und verschüttetem Kaffee. Sie rochen wie Dinge, die gelebt hatten.“

Central Station, Seite 170

 

Ich muss zugeben, dass Bücher für mich stets Mittel zum Zweck waren. Ich wollte Geschichten lesen – wie diese verpackt wurden, war mir egal. Zwar locken mich gewisse Cover an, verraten sie doch viel über Genre und Zielgruppe. Ins Regal wandern jedoch nur wenige, denn wenn sie mich nicht überzeugen konnten, müssen sie leider wieder ausziehen. Dass an dieser Stelle ein Regal auch leer bleiben kann, weil es nicht um die schiere Menge geht, versteht sich. Gelesen habe ich immer, egal wo. Bücher fuhren mit mir S-Bahn, warteten beim Arzt mit mir, trafen Freunde in Cafés, lagen auf dem Balkon oder in Stapeln neben dem Leseplatz. Ich wuchs mit ihnen auf und obwohl ich weiß, wie wichtig sie (nicht nur für mich) sind, habe ich sie doch nie als etwas Besonderes gesehen. Etwas, das ich ausstellen oder auf ein Podest heben muss. Sie sind zum Lesen da – und genau dafür will ich sie auch (be)nutzen.

 

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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