Aus der
Kleinverlagsszene nicht mehr wegzudenken, ist der 2013 gegründete
ohneohren-Verlag, der in Wien seinen Sitz hat. Herkömmliche Geschichten sind in
diesem phantastischen Verlag nicht zu finden. Wie es zur Gründung kam, was
hinter dem Namen steckt, warum man Autoren auch einfach mal machen lassen muss
und was der Verlag in Zukunft zu bieten hat, kann in diesem Interview
nachgelesen werden.
Vielen
herzlichen Dank an Verlegerin Ingrid für ihre Zeit und Mühe beim Beantworten
der Fragen!
Alle
Seiten/Kontaktdaten: https://linktr.ee/ohneohren
Wann und aus welchem Impuls heraus wurde der Verlag ohneohren gegründet? Oder: Wie wird man Verlegerin?
Das ist eine sehr persönliche Geschichte und, glaube
ich zumindest, bei jedem Verlag ein bisschen anders. Geschrieben habe ich, wie
es das Klischee so möchte, quasi schon immer. Mit der Zeit bin ich dann bei
diversen Kleinverlagen untergekommen, habe aber eine „schräge Nische“ vermisst,
die neue Themen erschließt, also habe ich frech gegründet.
Auf der persönlichen Ebene konnte ich mit
klassischem Broterwerb á la 9 to 5 noch nie viel anfangen, der Weg in die
Selbstständigkeit war also vorgezeichnet. Und eigentlich bin ich Linguistin.
Was steckt hinter dem Verlagsnamen?
Der Abschied vom symbolischen Elfenohr (und damit
die Weigerung, „klassische Völkerfantasy“ zu verlegen, das machen schon
andere).
Welche (Unter-)Genres umfasst der
Verlag, was wird veröffentlicht und was nicht?
Der Schwerpunkt liegt auf Science-Fiction und
Dark-/Urban-Fantasy. Es gibt aber immer wieder Ausflüge in andere Welten und
Themenbereiche bzw. werden Genres bei uns nicht so extrem dogmatisch-eng
gefasst. Wahrscheinlich ist es einfacher, zu sagen, was nicht ins Programm
passt: Extrem-Splatter-Horrorkram, zu viel Weltrettungsepik und Dinge, die
einfach keine Verbindung zu einer Spielart von Phantastik haben.
Die tägliche Verlagsarbeit ist ja an sich ein soziales Thema. Autor*innen, Herausgeber*innen und Mitarbeitende kommen aus ganz unterschiedlichen Lebenslagen – der Verlag ist also quasi in der Essenz, was er verlegt. Und dadurch kommen auch immer wieder neue Themen dazu, weil wir Menschen kennenlernen, die auch nahe am eigenen Leben schreiben.
Dass andere davon lernen können, wäre mir zu weit gegriffen. Es funktioniert schließlich nicht immer, auf alle Bedürfnisse einzugehen. Und auch in punkto Repräsentation sind wir ständig dabei, neue Themen zu erschließen. Wenn es eins gibt, das wir ganz gut machen: Die Autor*innen einfach mal schreiben lassen. Verabschiedet man sich erst einmal von den fixen Mustern, die an Phantastik manchmal angelegt werden, kann man ganz frische Dinge entdecken. Und die Lesenden sind da auch oft positiv überrascht. Und am Ende entscheiden ja sie, was gelesen wird.
Nachteile gibt es. In dem, was sich oft „die Bubble“
nennt, gibt es auch Streit, Neid und Missgunst. Nicht jede Mail ist freundlich
und man geht nicht mehr auf jede Veranstaltung. Aber wie schon erwähnt: Am
Schluss entscheiden die Lesenden und deren Feedback ist sehr überwiegend
positiv. Böse gesagt wohne ich in sehr vielen Köpfen mietfrei, seit ich mich
für die momentane Verlagsausrichtung entschieden habe. Das amüsiert mich aber.
Ich schlafe sehr gut mit dieser seltsamen Allmacht der Themenbestimmung, die
uns da zugesprochen wird.
Werden Autoren gesucht? Für wen macht es
Sinn, sich an den Verlag zu wenden?
Im Moment suchen wir keine neuen Geschichten, das
Programm ist straff durchgeplant bis ca. Ende 2025. In nächster Zeit sind die
Chancen da leider schlecht.
Wie ist die Coverauswahl
vonstattengegangen? Welche Idee und welcher Coverkünstler konnten sich
durchsetzen und warum?
Das kommt immer ein bisschen auf das Buch an. Bei
„Das Mädchen und der Leuchtturm“ hat zum Beispiel Autor Thilo Corzilius bereits
ein fertiges, sehr schönes Cover mitgebracht. Autorin Lena Richter wollte bei
„Dies ist mein letztes Lied“ mit der Künstlerin Ephi zusammenarbeiten, was sehr
gut gepasst hat. Die meisten Cover mache ich aber selbst. Mein Vater ist
selbständiger Grafikdesigner und ich bin damit aufgewachsen, Grafikkram selbst
zu machen. Und die Autor*innen haben bei uns ein Mitspracherecht, wenn es schon
bestimmte Vorstellungen und Wünsche gibt. Zur Auswahl von Künstler*innen
durchforsten wir sowohl klassische Stock-Portale als auch manche
Twitter-Accounts. Bisher hat das immer sehr gut funktioniert. Trends werden
berücksichtigt, wobei sich die bei uns im Verlag etwas von den „globalen
Trends“ unterscheiden. So habe ich in den letzten Jahren bei unseren Lesenden
ganz bestimmte Farbpräferenzen bemerkt. Es macht dann Spaß, damit zu spielen
und auch einmal zu experimentieren. Science-Fiction muss nicht immer
Schwarz-Neonblau sein. 😉
Wir wenden uns in erster Linie an ein erwachsenes
Publikum, das bereits phantastik-affin ist. Allerdings bemerke ich eine
spezielle Zielgruppe, nämlich jene der Menschen, „die sowas eigentlich nicht
lesen“. Anhand unserer Analysen ist unsere Zielgruppe viellesend, zwischen 25
und 40 Jahren alt und überwiegend weiblich (wobei ich solchen Angaben aufgrund
der mangelnden Auswahlmöglichkeiten vieler Portale eher skeptisch gegenüber
stehe). Ich würde sagen, dass jede Person, die prinzipiell gerne liest und auch
nicht vor einer hohen Dichte an Kurzgeschichten zurückschreckt, bei uns gut
fündig wird.
Meine Mitarbeiterin Birgit unterstützt mich bei der
Blogger*innensuche und wir veranstalten Leserunden auf unterschiedlichen
Portalen. Wir sind da sehr offen und stellen auch gerne Exemplare mancher
Bücher zum Verlosen bereit. Das ist immer eine sehr individuelle
Zusammenarbeit.
Werden 2023/24 Verlagsveranstaltungen
stattfinden? Wenn ja, wo und wann?
Wir haben so eine Dreieinigkeit der Veranstaltungen
etabliert, auf denen wir fix zu finden sind: Buch Berlin (letztes
Septemberwochenende 2023), BuCon (Dreieich am 21. Oktober) und dann kleine
Messen nach Bedarf und Budget. Letzteres können kleine Lesungen sein oder, wie
dieses Jahr, neue Veranstaltungen wie die Vegan Fantasy Fair.
Auch online sind wir da sehr aktiv. Einmal im Monat
gibt es eine Stunde „Frag den Verlag“ auf unserem Discord-Server und wir
versuchen auch so viel wie möglich zu streamen, damit mehr Menschen in den
Genuss unserer Veranstaltungen kommen.
Können wir zum Schluss noch einen kleinen Ausblick bekommen? Was erwartet die Leser in der (nahen) Zukunft?
In diesem Jahr rappelt es noch ganz schön in der
Buchkiste. Im Oktober wird es den vierten Teil der „Valkyrie“-Reihe von Tina
Skupin geben – ein Muss für alle Urban Fantasy- und Schweden-Fans, die gerne
mal Humorvolles mit Action lesen. Eleanor Bardilac ist auch für den Oktober mit
„Knochenasche rottet nicht“ bei uns gelandet, einer magisch-phantastischen
Fortsetzung von „Knochenblumen welken nicht“, das im Knaur Verlag erschienen
ist – gerade Sprach- und Weltenbauverliebte werden hier auf ihre Kosten kommen.
Und an Halloween erscheint „Verrufen“ eine Grusel-Anthologie von Ana J.
Reinhardt, die bewusst auf den Gänsehautfaktor setzt und verrufene Orte
erkundet, ohne aber den klassisch-ekligen Horror zu bedienen. Für mich sind das
Lagerfeuer-Klassiker, bei denen ich mir mit der Taschenlampe von unten das
Gesicht anleuchte. Und vor Weihnachten gibt es noch einen überraschenden Roman
für jene Menschen, die Steampunk einmal etwas anders lesen möchten.
Muss sonst noch etwas gesagt werden?
Lest
Bücher! Und erzählt weiter, dass sie euch gefallen haben. Oder dass sie euch
sauer gemacht, berührt oder verliebt zurückgelassen haben. Die
Kleinverlagsszene ist nicht so bekannt, wie wir gerne wären, dabei bringen die
Kolleg*innen und ich ganz viel Vielfalt in die Phantastik. Unsere Autor*innen
wollen gelesen werden – es lohnt sich.
Danke für das Interview!
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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