Dienstag, 16. November 2021

Die Macht der Maschen: Wie Stricken uns durchs Leben begleitet und miteinander verbindet - Loretta Napoleoni

 


Titel: Die Macht der Maschen: Wie Stricken uns durchs Leben begleitet und miteinander verbindet

Autorin: Loretta Napoleoni

Originaltitel: The Power of Knitting

Verlag: Penguin

ISBN: ‎ 978-3328601418

Euro: 20,00

Veröffentlichungsdatum: Oktober 2021

Seiten: 240

Serie: nein

Come in: vom Verlag

 

 

 

Inhalt/Klappentext
Warum Stricken uns stark und glücklich macht

Loretta Napoleoni beschwört das Stricken als wertvolles Band zwischen Menschen: So wie sie selbst das Stricken als Kind von ihrer Großmutter gelernt und dabei viel von ihr über das Leben und die Welt erfahren hat, hat Napoleoni es an ihre Patentochter weitergegeben. In ihrem sehr persönlichen Buch beschreibt sie nicht nur, wie Stricken Menschen und Generationen einander näher bringt, sondern auch wie es der Seele Trost spendet und mitunter sogar therapeutische Wirkung entfaltet. Sie erzählt Geschichte und Geschichten, in denen das Stricken eine Rolle spielt, und schildert vielfältige kulturelle Traditionen, die sich mit dem Stricken verbinden. Durchgehend farbig illustriert und um 10 originelle Strickanleitungen ergänzt, ist Napoleonis Liebeserklärung an das Stricken das ideale Geschenk für alle, die leidenschaftlich gerne zu Nadeln und Wolle greifen.

 


Meinung

Wer ein cozy-angehauchtes, liebevoll wärmendes Sachbuch erwartet, das mit kuschliger Decke über den Füßen und einem Tee in der Hand im Winter gelesen werden will, wird enttäuscht sein. Napoleoni ist politische Analystin und Ökonomin und hat diverse Sachbücher zu großen Themen unserer Zeit, nicht zuletzt Terrorismus und Globalisierung geschrieben. Ebenso analytisch, historisch und genau geht die Journalistin das Thema Stricken an, wenn sie dazu eine feine persönliche Note und damit sehr viel Wärme in das Buch bringt, bei dem sie es schafft, die Kraft des Strickens und die frühe Emanzipation von Frauen aufzuzeigen. Sehr beeindruckend.

Zunächst ist jedoch die Aufmachung des Buches zu nennen, das von Alessandra Olanow hübsch illustriert wurde. Zudem sind zehn Strickanleitungen enthalten, die sich auf den Inhalt der acht Kapitel plus Einleitung und Epilog beziehen.

Napoleoni schildert zunächst, wie sie von ihrer Großmutter das Stricken erlernte und wie und schafft bis zum Ende des Buches einen großen Bogen, wie genau das die einzelnen Generationen, denn auch Napoleoni gab ihr Wissen weiter, stets verbunden hat. Die Autorin mit erwachsenen Kindern hat durch ihren (Ex-)Ehemann leider fast ihr gesamtes Vermögen, das immerhin mehrere Häuser auf verschiedenen Kontinenten umfasst, verloren. Sich neu zu orientieren und zu sammeln, ist bei einer Katastrophe nicht einfach. Sie beschreibt jedoch, wie gerade Strickerinnen bei ähnlichen Vorkommnissen vorgehen; das genaue Folgen der Anleitung, das (eventuelle) Abändern mittendrin und auch das Auftrennen, wenn die Arbeit verspricht, nicht gut zu werden. Sie schlägt auch hier einen Bogen: zur Politik und jenen, die sich auf diesem Parkett bewegen. Eine Strickerin würde so nicht handeln, kommt sie zu dem Schluss, sie denkt einfach anders.

Zudem erhält der Leser von der Autorin einen kurzen historischen Ablauf. In Zeiten, in denen es nichts zu kaufen gab, es sei denn für viel Geld, war das Stricken für die meisten Frauen die einzige Möglichkeit, ihre Familien in warme und ordentliche Kleidung zu stecken. Zudem konnten sie sogar – zu einer Zeit, als sie weder wählen noch einem Beruf nachgehen durften – so ihre Familien ernähren. Wer hat gewusst, dass im Amerika kurz nach Besiedelung der Europäer selbstgestrickte Socken eine eigene Währung darstellten, die sogar zeitweise mehr wert war als Geld? Und wie es strickende Frauen geschafft haben, die Revolution in Gang zu setzen? Aber das ist nicht alles. Sie beginnt bei der Frage, wie das Stricken einst entstand – immerhin gibt es dies in ähnlicher Form auf der ganzen Welt – und wann (und wie) strickende Frauen (es war immer eine weiblich besetzte Domäne) sich politisch stark gemacht haben. Das übrigens auch und besonders in der heutigen Zeit. Aber nicht nur das. Napoleoni beschreibt die Anfänge des Feminismus und wie sehr dieser anfangs mit dem Stricken gehadert hat, zeigt aber auch ihre Arbeit mit traumatisierten Frauen auf, denen sie das Stricken beibrachte. Stricken hat eine stark beruhigende Wirkung und einige andere psychologisch interessante Aspekte, die die Autorin anschaulich schildert. Was ich an dieser Beschreibung stets schade finde, ist der aktuelle Zeitgeist. Ich glaube aber, dass es der Autorin selbst gar nicht aufgefallen ist. Sie beschreibt also einerseits, wie weiblich besetzt das Stricken immer war und wie stark es Frauen gemacht hat – und das durch viele Jahrhunderte (wenn nicht länger). Nun aber gibt es auch Bewegungen strickender Männer, die durch ihr Stricken auf Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern (z. B. Entlohnung) aufmerksam machen wollen. Und, das beschreibt sie aber nicht, der Gedanke stammt von mir, sehr gut daran verdienen. Ich mache an dieser Stelle wie auch bereits an früheren deswegen darauf aufmerksam, wie gefährlich es für Frauen werden kann, wenn sie ihre eigenen (Rückzugs-)Räume verlieren bzw. teilen müssen. Wie schnell übernehmen Männer alles und was bleibt Frauen dann noch? Was natürlich nicht heißen soll, dass ich Männern das Stricken verbieten will. Man muss nicht erst in den hohen Norden z. B. Shetland schauen, um traditionell strickende Männer zu entdecken.

Wer heute etwas mit seiner Leidenschaft fürs Stricken bewegen will, kann für Frühchen stricken (für diese gibt es leider nichts zu kaufen) oder für Obdachlose. Es können Bäume umstrickt und andere politische Zeichen strickend gesetzt werden.

Loretta Napoleoni hat mit „Die Macht der Maschen“ ein in jeder Hinsicht starkes Buch geschrieben, das sich vordergründig mit dem Stricken beschäftigt, aber weitaus mehr enthält. Ich durfte viel von ihr über eines meiner Hobbys lernen – und das von einer Seite, die ich bis dato nicht einmal wahrgenommen habe. Stricken ist so viel mehr, als Masche an Masche zu reihen. Stricken hat eine eigene Geschichte.

Wahnsinnig gern weiterempfohlen!

 

 

Loretta Napoleoni, geboren 1955, ist Ökonomin, politische Analystin, Journalistin, Buchautorin – und eine passionierte Strickerin. Bekannt wurde die Terrorismusexpertin vor allem durch ihre Untersuchung der ökonomischen Grundlagen des internationalen Terrorismus. Ihre Bücher wurden in 21 Sprachen übersetzt. Sie lebt in London und Rom.

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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