Titel: Stanislaw Lem. Leben in der Zukunft.
Autor: Alfred Gall
Originaltitel
Verlag: wbg Theiss
ISBN: 978-3806242485
Euro: 25,00
Veröffentlichungsdatum: Juli 2021
Seiten: 272
Serie: nein
Come in: vom Verlag
Inhalt/Klappentext
Von
Kybernetik bis Zivilisationskritik: Leben und Werk eines Visionärs
Er gilt als Science-Fiction-Autor, weil seine
Erzählungen über den Fortschritt von Technik und Wissenschaft in kein anderes
Genre gepasst hätten: Stanislaw Lems Bücher faszinieren nach wie vor Millionen
von Lesern und wurden vielfach verfilmt.
Doch woher kam sein Interesse für Astronauten
und Raumfahrt, für Nanotechnologie und künstliche Intelligenz? Alfred Gall
stellt den Philosophen, Essayisten und Autor erstmals ausführlich in einer
deutschsprachigen Biografie vor und zeigt, wo die Vorliebe für futuristische
Szenarien ihren Ursprung hat.
Sterntagebücher,
Pilot Pirx und Robotermärchen: Bücher, die lange nachwirken
Er erträumte fantastische zukünftige Welten und
Technologien, deren tatsächliche Umsetzung er zum Teil miterlebte - und
durchaus kritisch betrachtete. In seinen Romanen und theoretischen Abhandlungen
hatte Stanislaw Lem stets eine aufklärerische Wirkung im Blick. Er sah sich in
seiner Autorentätigkeit untrennbar mit Wissenschaft und Technik verbunden und
stellte dabei die Widersprüche und Verwerfungen der technologischen
Zivilisation in den Vordergrund.
Prof. Gall macht mit seinem Buch den
Zusammenhang von Werk und politischen wie historischen Hintergründen sichtbar -
eine umfassende Darstellung von Lems Leben und Wirken!
Meinung
Lem gilt als ein sog. postkatastrophischer Autor, er schreibt nicht hin zur, sondern nachdem die Katastrophe eingetreten ist. Als Mensch, der nicht nur den Holocaust (mit jüdischer Abstammung!) in Polen über-/erlebt hat, sondern auch die Zeit danach: Kommunismus, Stalinismus, Sozialismus. An all diesem ist Lem mehr als einmal verzweifelt, aber nie daran zerbrochen.
Alfred Gall hat laut Klappentext die erste Biografie in deutscher Sprache zu Lem geschrieben und tatsächlich lässt sich einiges zu Lems Werken finden, aber nur wenig zu seinem Leben. Anzumerken ist jedoch, dass etwa zeitgleich mit diesem Werk auch „Zoff wegen der Gravitation: Oder: Mein Vater, Stanisław Lem“ von Tomasz Lem, dem einzigen Sohn, erschienen ist. So nahe kommt Gall dem Autor nicht. Wer emotionale, ulkige oder einfach unterhaltsame Begebenheiten sucht, ist mit „Stanislaw Lem. Leben in der Zukunft.“ nicht gut beraten. Es handelt sich um ein äußerst wissenschaftlich gehaltenes Buch, aus dem einzig Persönliches zu entnehmen ist, dass Lem eine Naschkatze war und das, obwohl seine Frau ihn auf Diät gesetzt hat – was zur Folge hatte, dass er heimlich in der Garage seiner Obsession frönte. Das führt mitunter leider dazu, dass sich das Werk recht trocken liest, was allerdings niemanden abhalten sollte. Gall hat hervorragend recherchiert und so nicht nur Lems Leben, sondern auch die politischen und gesellschaftlichen Umstände Polens treffend wiedergegeben. Wer sich ebenfalls dahingehend ein bisschen weiterbilden möchte, angeraten sei es, der sollte unbedingt zugreifen.
Gall hat sein Werk in acht Kapitel plus Bibliographie und Register aufgeteilt. Er beginnt strikt mit Geburt und Kindheit, Zweiter Weltkrieg, Besatzung. Der erste Durchbruch als Autor. Auf das Schreiben Lems hat sich Gall vordergründig bezogen, Lebensereignisse wie Heirat und Ehe werden eher hintergründig behandelt. Wer jedoch mehr zu Lems Werken erfahren will, wann sie und unter welchen Bedingungen geschrieben und erschienen sind, ist genau richtig. Für einen wachen, lebendigen Geist wie Lem muss es oft unerträglich gewesen sein, in kulturellem Rahmen arbeiten zu wollen, aber immer wieder durch die politische Lage daran gehindert zu werden. Ein Umstand, der immer wieder Einzug in Lems Werke findet. Die Zensur nahm nicht nur Einfluss auf seine eigenen Werke, sondern auch auf jene, die Lem als Herausgeber begleiten wollte. Und die Verfilmungen, vor allem die, die gar nicht stattfanden. Allerdings muss gesagt werden, dass Lem generell wenig von den zahlreichen Verfilmungen seiner Werke hielt.
Lem hielt sich regelmäßig im Ausland auf, wo er auch kurzzeitig mit seiner Familie lebte. Gall geht zwar auf eine USA-Reise ein und erwähnt öfter Westdeutschland, aber leider umgeht er das Thema DDR komplett, auch wenn er erwähnt, dass Lems Werke dort ebenfalls erschienen sind. Sie waren sogar außerordentlich beliebt dort, weshalb es umso merkwürdiger erscheint, dass Gall das Thema weglässt.
Gall schließt sein Werk mit einer Nachbetrachtung des Autors, die (leider) im Zeitgeist verhaftet ist. Statt einer halben Kritik, Stichwort: Frauenbild, hätte ich mir eine reale Betrachtung dessen gewünscht, was Lem in seinen Werken geschaffen hat. Immerhin hat er vor Jahrzehnten Dinge vorausgesagt, wie sie derzeit von allen Menschen genutzt werden, das Internet z. B. oder gewisse politische und gesellschaftliche Strömungen. Auch wenn Lem oft als Pessimist galt, hat er ein großartiges und reich gefülltes Lebenswerk hinterlassen, über das zu reflektieren wäre. Er wird zu Recht mit Namen wie K. Le Guin, Wells oder Huxley (und vielen mehr) genannt, obwohl er in den USA eher weniger bekannt ist.
„Stanislaw Lem. Leben in der Zukunft.“ ist nicht nur Fans angeraten, sondern auch allen Lesern, die mehr über einen Autor erfahren möchten, der unter widrigsten Bedingungen beharrlich seinen Weg gegangen ist. Nicht nur im eigenen Schreiben, auch in der Beschaffung fremder Texte, besonders wissenschaftlicher Natur. Der immer wieder aufs Neue kreativ werden musste, wenn es darum ging, Texte, Ideen und Neuerungen an den jeweiligen Machthabern vorbeizuschummeln. Zusätzlich ist mehr über die Geschichte Polens und wie es im Literaturbetrieb zugeht zu erfahren. Und das alles zusätzlich zum gesamten Schaffen Lems, Zusammenfassungen seiner Werke und wie sie entstanden sind. Wer sich für den Autor und/oder seine Werke interessiert, sollte an dieser Biografie nicht vorbeigehen.
Alfred Gall ist Literatur- und Kulturwissenschaftler. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt die polnische Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts und insbesondere deren Verhältnis zur Philosophie. Er lehrt und forscht in Mainz, wo er auch die wissenschaftliche Leitung des Polonicums innehat.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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