Die Nachricht schlug bei mir ein wie ... nun ja. Wie ein Buch, das aus dem obersten Regal auf den Boden schlägt. Das kann, wenn man unvorbereitet ist, ganz schön erschreckend sein. So erschreckend wie die Meldung des Börsenblatts, dass jeder Vierte in Deutschland nicht liest.
Ich wusste, und das aus eigener Erfahrung, dass es solche Menschen gibt. Aber dass es sich so stark verbreitet, das war mir nicht bewusst.
Vor einigen Jahren hatte ich eine Freundin zu Besuch, die ich tatsächlich seit ihrer Geburt – und meiner – kenne, da unsere Mütter sich im Krankenhaus kennen gelernt haben. Schon als Kind wurde sie bockig, wenn sie ein Buch geschenkt bekam, sei es auch noch so reich und schön bebildert. Sie hatte keinen Sinn, wenn ich ihr vorlesen wollte, konnte nicht verstehen, wenn ich als erstes, wenn ich ein Buch bekam, dieses aufschlug und darin roch. Frische Druckerschwärze vermischte sich mit den Buchstaben und dem Papier und ich könnte noch heute schwören, dass jedes Buch einzigartig im Geruch war.
Als wir zwanzig waren, saß sie eines Tages in meinem Zimmer. Klein, aber bis oben hin vollgestopft mit Büchern fand ich doch immer aufs Neue eine kleine Nische, wo wieder ein neuer Schatz Einzug finden konnte. Meine Freundin saß also da und sah sich um und dann, ganz unvermittelt fragte sie mich: „Hast du die vielen Bücher wirklich alle gelesen?“
Ich war etwas perplex, aber ich antwortete wahrheitsgetreu: „Ja, bis auf die fünf da hinten, die sind neu.“ Sie bekam große Augen und fragte: „Echt? Weißt du auch noch was drin stand?“
Ich mag sie, ich mag sie wirklich, auch wenn wir uns in den Jahren seit unserer Kindheit recht verschieden entwickelt haben und jeder einen ganz eigenen Weg gegangen ist. Doch in diesem Moment, da musste ich mir das Lachen verkneifen. Abends dann, allein im Bett, da wurde ich traurig, da sie nie von ihren Eltern angehalten worden ist, einmal zu einem Buch zu greifen, dass ihre Mutter das sogar als reine Zeitverschwendung angesehen hat. Und in diesem Augenblick wurde mir klar, wie glücklich ich mich schätzen konnte. Mir war von meiner Mutter von Anfang an eine Welt eröffnet worden, zu der meine Freundin nie Zugang finden wird.
Etwa zwei Jahre später, da schenkte ich ihr ein Buch, das sich mit Sternzeichen und Parfümen beschäftigte, wirklich großartig aufgemacht und da sie für beides großen Sinn hatte, dachte ich, es könnte ihr gefallen. Doch das tat es nicht. Schon das Geschenkpapier befühlend, sah sie mich stirnrunzelnd an und fragte: „Das ist doch kein Buch oder?“
Soweit ich weiß, gibt es auch heute in ihrer Wohnung nur drei Bücher, die alle das Wort „Kochbuch“ im Titel oder Untertitel tragen.
Nun kann man davon halten, was man will. Mir tut es unendlich leid für sie, aber wenn unser Gespräch mal zu diesem Thema findet, dann ist es, als sprächen wir verschiedene Sprachen. Sie hat ihre eigene Meinung von Lesern und ich meine von Nichtlesern. So ist das nun mal.
Was aber soll ich nun in einer größeren Menschenansammlung denken? Soll ich in Gedanken immer bis vier zählen und mir eben diesen Menschen, den es trifft genauer ansehen? Und da wird klar: Es kann jeder sein. Ob alt, ob jung, arm, reich; es spielt keine Rolle, aus welchem Background man kommt (tatsächlich schwimmen die Eltern meiner Freundin in Geld, während meine einfach gut über die Runden kommen) oder wie viel Zeit einem täglich zur Verfügung steht. Jeder VIERTE liest nicht. Gar nicht. Null, nada, nichts.
Schade, dass die Gründe dafür nicht gleich mitgefragt worden sind (es wird doch nicht etwa der Preis sein?). Aber DAS die 2500 Befragten lesen können, davon gehe ich einfach mal aus.
Was weiter nicht untersucht worden ist, ist die Frage, WAS die Leser (die ja offenbar nicht Teil der Untersuchung gewesen sind) lesen. Schaut man sich die aktuellen und auch einige ältere Bestsellerlisten – also solche, auf denen die meistgekauften Bücher stehen – an, dann wird fragwürdig, ob lesen wirklich bildet. Oder die Dummheit im Land bekämpft. Seien wir mal ehrlich: Die bestbeworbenen Bücher sind die, die heutzutage unser kulturelles Bild prägen und leider wohl auch jene, die unseren Enkelkindern in der Schule aufgezwungen werden. Ach was rede ich? Auch heute ist es Lehrern überlassen, was sie ihren Schülern zu lesen geben. Ich weiß, auch das aus eigener Erfahrung, dass persönliche Beziehungen da eine große Rolle spielen können und dabei die Qualität des Textes (nicht Buches!) selten im Vordergrund steht. Was für eine Schande!
Ich fühle mich matt bei solchen Gedanken.
In der Hoffnung, dass man nie von 2500 auf Millionen schließen sollte, hebe ich mein Glas und trinke auf das Wohl aller, die meinen Geist mit ihren Worten – ob gesprochen oder geschrieben – stets stimuliert haben.
Ich wusste, und das aus eigener Erfahrung, dass es solche Menschen gibt. Aber dass es sich so stark verbreitet, das war mir nicht bewusst.
Vor einigen Jahren hatte ich eine Freundin zu Besuch, die ich tatsächlich seit ihrer Geburt – und meiner – kenne, da unsere Mütter sich im Krankenhaus kennen gelernt haben. Schon als Kind wurde sie bockig, wenn sie ein Buch geschenkt bekam, sei es auch noch so reich und schön bebildert. Sie hatte keinen Sinn, wenn ich ihr vorlesen wollte, konnte nicht verstehen, wenn ich als erstes, wenn ich ein Buch bekam, dieses aufschlug und darin roch. Frische Druckerschwärze vermischte sich mit den Buchstaben und dem Papier und ich könnte noch heute schwören, dass jedes Buch einzigartig im Geruch war.
Als wir zwanzig waren, saß sie eines Tages in meinem Zimmer. Klein, aber bis oben hin vollgestopft mit Büchern fand ich doch immer aufs Neue eine kleine Nische, wo wieder ein neuer Schatz Einzug finden konnte. Meine Freundin saß also da und sah sich um und dann, ganz unvermittelt fragte sie mich: „Hast du die vielen Bücher wirklich alle gelesen?“
Ich war etwas perplex, aber ich antwortete wahrheitsgetreu: „Ja, bis auf die fünf da hinten, die sind neu.“ Sie bekam große Augen und fragte: „Echt? Weißt du auch noch was drin stand?“
Ich mag sie, ich mag sie wirklich, auch wenn wir uns in den Jahren seit unserer Kindheit recht verschieden entwickelt haben und jeder einen ganz eigenen Weg gegangen ist. Doch in diesem Moment, da musste ich mir das Lachen verkneifen. Abends dann, allein im Bett, da wurde ich traurig, da sie nie von ihren Eltern angehalten worden ist, einmal zu einem Buch zu greifen, dass ihre Mutter das sogar als reine Zeitverschwendung angesehen hat. Und in diesem Augenblick wurde mir klar, wie glücklich ich mich schätzen konnte. Mir war von meiner Mutter von Anfang an eine Welt eröffnet worden, zu der meine Freundin nie Zugang finden wird.
Etwa zwei Jahre später, da schenkte ich ihr ein Buch, das sich mit Sternzeichen und Parfümen beschäftigte, wirklich großartig aufgemacht und da sie für beides großen Sinn hatte, dachte ich, es könnte ihr gefallen. Doch das tat es nicht. Schon das Geschenkpapier befühlend, sah sie mich stirnrunzelnd an und fragte: „Das ist doch kein Buch oder?“
Soweit ich weiß, gibt es auch heute in ihrer Wohnung nur drei Bücher, die alle das Wort „Kochbuch“ im Titel oder Untertitel tragen.
Nun kann man davon halten, was man will. Mir tut es unendlich leid für sie, aber wenn unser Gespräch mal zu diesem Thema findet, dann ist es, als sprächen wir verschiedene Sprachen. Sie hat ihre eigene Meinung von Lesern und ich meine von Nichtlesern. So ist das nun mal.
Was aber soll ich nun in einer größeren Menschenansammlung denken? Soll ich in Gedanken immer bis vier zählen und mir eben diesen Menschen, den es trifft genauer ansehen? Und da wird klar: Es kann jeder sein. Ob alt, ob jung, arm, reich; es spielt keine Rolle, aus welchem Background man kommt (tatsächlich schwimmen die Eltern meiner Freundin in Geld, während meine einfach gut über die Runden kommen) oder wie viel Zeit einem täglich zur Verfügung steht. Jeder VIERTE liest nicht. Gar nicht. Null, nada, nichts.
Schade, dass die Gründe dafür nicht gleich mitgefragt worden sind (es wird doch nicht etwa der Preis sein?). Aber DAS die 2500 Befragten lesen können, davon gehe ich einfach mal aus.
Was weiter nicht untersucht worden ist, ist die Frage, WAS die Leser (die ja offenbar nicht Teil der Untersuchung gewesen sind) lesen. Schaut man sich die aktuellen und auch einige ältere Bestsellerlisten – also solche, auf denen die meistgekauften Bücher stehen – an, dann wird fragwürdig, ob lesen wirklich bildet. Oder die Dummheit im Land bekämpft. Seien wir mal ehrlich: Die bestbeworbenen Bücher sind die, die heutzutage unser kulturelles Bild prägen und leider wohl auch jene, die unseren Enkelkindern in der Schule aufgezwungen werden. Ach was rede ich? Auch heute ist es Lehrern überlassen, was sie ihren Schülern zu lesen geben. Ich weiß, auch das aus eigener Erfahrung, dass persönliche Beziehungen da eine große Rolle spielen können und dabei die Qualität des Textes (nicht Buches!) selten im Vordergrund steht. Was für eine Schande!
Ich fühle mich matt bei solchen Gedanken.
In der Hoffnung, dass man nie von 2500 auf Millionen schließen sollte, hebe ich mein Glas und trinke auf das Wohl aller, die meinen Geist mit ihren Worten – ob gesprochen oder geschrieben – stets stimuliert haben.
Interessante Gedanken. Vielleicht liegt es daran, dass man sich mit Büchern beschäftigen kann und muss. Ich kann Dir eigentlich nur beipflichten und manchmal denke ich, Menschen, die nicht lesen, haben einfach keine Phantasie.
AntwortenLöschenLG
Joko
Hallo Joko,
AntwortenLöschenschön, dass Du mal wieder reinschaust ;)
Ich sehe es inzwischen auch so: Nichtleser=Nichtphantast. Ob so das halbe Sprichwort: "Ach, der Phantast, der lebt in seiner eigenen Traumwelt" geprägt worden ist? Wäre es nicht schade, wenn keiner mehr träumen würde und wenn das Ziel noch so unerreichbar scheint?
LG
Soleil