Titel: Dark
Autorin: Candice Fox
Originaltitel: Gathering Dark
Verlag: Suhrkamp
ISBN: 978-3518471012
Euro: 15,95
Veröffentlichungsdatum: November 2020
Seiten: 395
Serie: Jessica Sanchez 01
Come in: Tausch
Inhalt
Blair Harbour ist nach zehn Jahren
aus dem Gefängnis entlassen worden. Die ehemalige Ärztin lebt in einer winzigen
Wohnung und jobbt an einer Tankstelle – als sie von der jungen Dayly überfallen
wird. Blair schützt die junge Frau vor der Mafia, der die Tanke gehört, kann
sie aber nicht vor den üblen Schwierigkeiten bewahren, in die sie hineingerät.
Deren Mutter Sneak Lawlor, Blairs ehemalige Zellengenossin, bittet sie um
Hilfe. Derweil hat Detective Jessica Sanchez eine Villa im Wert von sieben
Millionen Dollar geerbt – die ihr mehr Probleme als Freude bereitet. Ihre
Kollegen bei der Polizei schneiden sie und einer beginnt sogar einen
Kleinkrieg. Zufällig begegnet sie Blairs kleinem Sohn und nimmt die
Ermittlungen neu auf. Die Gangsterin Ada Maverick mischt ebenfalls mit, denn es
geht um sehr viel Geld – und das Leben von Dayly.
Meinung
Die Rezension ist nicht spoilerfrei!
Bisher gibt es keine (angekündigte) Fortsetzung für „Dark“, es ist aber anzunehmen, dass eine folgen wird. Dazu hat die Autorin einfach zu viele brauchbare Anleihen gelegt, um sie ungenutzt in einem Standalone versauern zu lassen.
Besonders an diesem Thriller ist, dass alle Hauptfiguren weiblich sind. Leider ist auch genau das ein Problem, da alle männlichen Nebenfiguren unerträgliche Armleuchter sind, die den Frauen durchweg nur schaden wollen. Damit hat es Fox unheimlich übertrieben. Und es bleibt nicht das Einzige, das völlig überzogen daherkommt.
Es sind vier sehr unterschiedliche Charaktere, die in dieser Geschichte zusammenkommen. Zwei von ihnen berichten in abwechselnden Kapiteln von ihren Erlebnissen, eine davon in der Ich-Form, die die Handlung stetig vorantreiben. Das führt zu fliegenden Seiten, auch wenn mitunter einiges Stirnrunzeln dabei ist.
Blair ist die Brave, die im Leben alles erreicht hatte, bis sie, zu diesem Zeitpunkt hochschwanger, einen Mann erschießt. Auch danach scheint die Zeit im Knast wenig abgefärbt zu haben. Sie hat noch immer ein gutes Herz, auch wenn sie tief in den Abgrund geschaut hat. Kindern darf sie sich nicht mehr nähern, bis auf ihren Sohn, der von einer Freundin aus dem alten Leben großgezogen worden ist. Sie versucht, mit allem klarzukommen und scheint schwer gebeutelt. Warum sie mit ihrem Lebenslauf an einer Tankstelle arbeitet – Ärztin darf sie natürlich nicht mehr sein – bleibt bis zum Schluss unklar. Natürlich ist es schwer, einen Job zu finden, wenn man so lange eingesessen hat. Aber „leichte Bürotätigkeiten“ oder ähnliches müssten drin sein, zumal sie noch alte Bekannte hat, die ihr so einen Job beschaffen würden. Schon früh in der Story wird klar, dass ihre Tat so einfach nicht zu erklären und sie keine bösartige Mörderin ist. Das war leider so vorhersehbar, dass die Auflösung am Ende ziemlich verpufft ist. Sie lässt sich ein bisschen zu sehr gehen und verbleibt im Schlammloch, aus dem sie es mit ein bisschen Anstrengung herausschaffen müsste.
Jessica ist Polizistin, steht mitten im Leben und weiß mit ihren Begehrlichkeiten umzugehen. Sie schluckt sie nicht runter, sondern nimmt sich, was sie braucht. Zudem ist sie in ihrer Arbeit sehr engagiert. Was sie jedoch bei vielen Kollegen und Vorgesetzen beliebt machen müsste, ist in diesem Roman ein Hindernis. Kein einziger stellt sich auf ihre Seite, als sie vom Vater eines Opfers, dessen Fall sie aufklären wollte, ein Millionenschweres Haus vererbt bekommt. Es dauert keine zwei Tage, bis sie von der gesamten Polizeistation ausgesondert und gemobbt wird. Da stellt sich der Leser unbewusst die Frage, wieso. Wieso stellt sich niemand hinter sie oder versucht zumindest unter vier Augen ein nettes Wort für sie zu erübrigen? Kolleginnen werden größtenteils ausgeblendet, aber es werden etliche dort arbeiten. Nur ein Sheldon-Cooper-Typ aus der wissenschaftlichen Ecke der Polizeiarbeit steht hinter ihr (weil er vermutlich in der Fortsetzung noch gebraucht wird). War sie so eine unerträgliche Person? Ungesellig, missgünstig oder – was? Dann benutzt die Autorin die Situation leider auch dazu, um den Ex-Partner Jessicas als „alten weißen Mann“-Charakter, wie man ihn der heutigen Zeit eben gern darstellt, zu überzeichnen. Dass es solch unerträgliche Menschen gibt, steht außer Frage. Aber auch hier muss man sich fragen, warum ein Partner, mit dem sie vermutlich Jahrelang zusammengearbeitet hat, sie dermaßen quält bis hin zur Bloßstellung ihrer kompletten Person. Und alle anderen Polizisten (!) das auch noch mitmachen – zumal das dem Ansehen der kompletten Polizei der Stadt (besonders der weiblichen) schadet. Wieder stellt sich die Frage nach Kolleginnen; jede Frau weiß, wenn das bei einer durchgewinkt wird, gibt es schnell eine andere, die ähnlich behandelt wird und ebenfalls keinen Schutz erfährt. Zudem gibt es heutzutage überall sog. Frauenbeauftragte. Ein Polizist sollte zudem wissen, wie die rechtliche Lage aussieht. Es dürfte schnell ermittelt sein, wer bei Jessicas Verhaftung dabei gewesen ist und wessen Cam-Aufnahmen in der Öffentlichkeit gelandet sind.
Aber am schlimmsten ist dabei, dass Jessica selbst nichts, aber auch wirklich gar nichts tut, um etwas an der Sache zu ändern. Klar, sie stänkert bei diesem einen Kollegen zurück. Aber sie spricht mit niemand anders, außer dem Boss, aber das auch nur, weil sie es muss. Sie denkt nicht an rechtliche Konsequenzen, sie trommelt keine Frauenliga des Dezernats zusammen. Am Ende ist ihre Lösung für das Problem das Weglaufen. Für eine ach so taffe Polizistin (!) ist das mehr als nur enttäuschend.
Die anderen beiden Frauenfiguren sind eher nur Beiwerk. Die eine, Sneak, die Mutter von Dayly, die sie aber nicht selbst großgezogen hat. Immer wieder im Gefängnis, Drogenabhängig und dann eben das, was man vermuten würde, auch wenn sie sich für ihre Tochter stark macht. Ada nun ist eine Frau, die sich immer durchbeißen musste und es zur Anführerin einer Gangstertruppe gebracht hat. Darin bleibt sie ziemlich konsequent, was leider ebenfalls zu einer recht vorhersehbaren Handlung geführt hat. Immerhin sie ist hart und nimmt sich, was sie haben will.
Es geht hart und oft sehr heftig-derb zu, zarte Gemüter sollten nicht zugreifen. Hätte die Autorin auf all die Überzeichnungen und Übertreibungen verzichtet, wäre das ein absoluter Pageturner, den ich insgesamt gern gelesen habe. Nur lassen sich manche Dinge leider nicht wegdenken. Es bleibt zu hoffen, dass Fox sich in der Fortsetzung mehr auf das Wesentliche konzentriert und die Überspitzungen weglässt. Auch dürfen die Charaktere etwas mehr aus sich herauskommen und sich darauf besinnen, dass wahre Stärke aus dem Herzen kommt und nicht aus einer Waffe.
Candice Fox stammt aus einer eher exzentrischen Familie, die sie zu manchen ihrer literarischen Figuren inspirierte. Nach einer nicht so braven Jugend und einem kurzen Zwischenspiel bei der Royal Australian Navy widmet sie sich jetzt der Literatur, mit akademischen Weihen und sehr unakademischen Romanen. Für den ersten und zweiten Teil ihrer Trilogie, »Hades« und »Eden«, wurde sie 2014 und 2015 mit dem Ned Kelly Award ausgezeichnet.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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