Autorin: Nickolas Butler
Originaltitel: Little Faith
Verlag: Klett-Cotta
ISBN: 978-3608964349
Euro: 17,00
Veröffentlichungsdatum: Februar
2020
Seiten: 382
Serie: nein
Come in: vorablesen.de
Inhalt
Lyle und
Peg sind seit vielen Jahren verheiratet und freuen sich sehr, dass ihre Tochter
Shiloh zusammen mit ihrem Enkel Issac zurück nach Hause gekommen ist. Seit ihr
eigener kleiner Sohn dreißig Jahre zuvor als Kind gestorben ist, hadert Lyle
mit Gott und seinem Glauben. Anders seine Tochter, die sich einer radikalen
Glaubensgemeinschaft angeschlossen hat, mit deren Oberhaupt Steve sie eine
Beziehung eingeht. Lyle misstraut den Leuten, seiner Tochter und vor allem
seinem Enkel zuliebe schließt er sich den Gläubigen an. Doch dann wird bei
Isaac eine Krankheit diagnostiziert und Lyle kann nicht mehr ignorieren, was
ihm sein Inneres längst offenbar hat.
Butler
hat sehr feinfühlig alle Gegebenheiten, die der Leser wissen muss, bereits am
Anfang niedergeschrieben und das mit einem genauen Auge für Einzelheiten. Er
erzählt ohne zu langweilen, lässt nichts aus und beschönigt nichts. Allerdings
verliert er sich mit zunehmender Handlung und lässt das Ganze dann in einem
offenen Ende ausklingen, das leider konstruiert wirkt, als hätte er sich nicht
entscheiden können, ob er Lyles Glauben weiter prüfen sollte oder ihm einmal
etwas Gutes tut. Zudem wirft das Beziehungsgeflecht einige Fragen auf, über die
hinwegzulesen nicht ganz einfach ist.
Lyle
ist ein kauziger, aber sehr aufrechter Typ, der ein einfaches Leben lebt, aber
für sich und seine Familie und sogar die Nachbarn zu sorgen versteht. Die
kleine Ortschaft ist ausgedünnt, es sind mehr die Älteren, die sonntäglich in
der Kirche zusammentreffen, die meisten Läden sind geschlossen und die meisten
gleichaltrigen Freunde sterben so langsam weg. Darum macht es Lyle besondere
Freude, seinen fünfjährigen Enkel Isaac bei sich zu haben, ein aufgewecktes und
neugieriges Kind. Wer ihn gezeugt hat, wissen die Großeltern nicht, denn Shiloh
ist einst von zu Hause ausgezogen, um zu studieren und offenbar an die falschen
Leute geraten. Etwas, das ihr weiteres Leben durchziehen wird.
Obwohl
Butler gut zu erzählen versteht, täuscht das leider dennoch nicht über eine
überaus profane Handlung hinweg, die zudem endet, wo sie eigentlich beginnen
sollte. Älteres Paar, Tochter, Enkel. Die Tochter verliebt sich in einen
Blender, der sie auf seine Seite zieht. Die Großeltern können nur gute Miene
zum bösen Spiel machen, wenn sie den Enkel nicht verlieren wollen. Lyle
durchschaut es gleich, kann aber nichts machen und leidet so vor sich hin,
immer in Angst, sowohl um den Enkel, als auch seinen besten Freund, der schwer
erkrankt ist. Erst gegen Ende der große Knall, kein Kampf, nur eintöniges Leid.
Gläubige,
das muss vorangestellt werden, kommen in dieser Geschichte oft nicht gut weg,
es sei denn, sie sind in Lyles Alter. Die meisten anderen sind Übergläubige,
die aber nichts vom „wahren Glauben“ verstehen und diesen oft so zurechtbiegen,
wie sie ihn brauchen. Und Frauen fallen offenbar wahllos darauf hinein.
Irritierend dabei ist vor allem Shiloh – die einst von einem sehr jungen
Mädchen geboren und an Lyle und Peg zur Adoption abgegeben wurde. Haben diese
beiden es nicht geschafft, ihrer Tochter Selbstbewusstsein und Werte
mitzugeben? Die meiste Zeit über scheint es so. Shiloh, die alle Liebe ihrer
Eltern, die ja ihr eigenes Kind verloren haben, besitzt und nie ihren Platz
hinterfragen musste, sucht offenbar haltlos Anschluss – egal wie und wo. Nur
warum, das wird bis zum Ende nicht geklärt. Leider ist schon ihre Mutter auf
mehrere dieser Männer reingefallen, auf Shilohs Vater und später ihren Ehemann,
mit dem sie drei Söhne hat. Doch als sie stirbt, versucht dieser sich an Shiloh
zu vergehen. Aufrechte Fassade, nichts dahinter. Besonders perfide dabei ist,
dass Shiloh eben nicht das leibliche Kind, sondern adoptiert wurde. Will der
Autor sagen, dass so etwas im Blut liegt („Wie die Mutter, so die Tochter“)?
Shiloh
war erst wenige Tage alt, als sie zu ihren Eltern kam. Statt es diesen zu danken,
verletzt sie sie immer wieder, meldet sich, kaum von zu Hause fort, kaum bei
ihnen, sucht offenbar nach etwas, das sie bei Lyle und Peg nicht hatte. Warum
Adoption, warum nicht eine leibliche Tochter? Die Frage ist leider ungeklärt
geblieben, aber definitiv nicht unwichtig für die teilweise seltsame Botschaft,
die Butler hier für den Leser bereithält. Denn Lyle hat sehr viel für seinen
Enkel übrig, in dem er quasi seinen Apfelbaum sieht, seine Tochter sieht er
gern, aber dass er sie ebenfalls so sehr lieben würde, wird in keiner Zeile
deutlich. Sie ist mehr Pegs Kind, die nach dem Tod des eigenen Kindes fast
verzweifelt wäre. Später scheint es, Lyle sei an Shiloh gar nicht mehr
interessiert, es ging ihm nur um den Enkel. Das hier das eigentliche Problem
liegen könnte, darauf kommen weder er noch der Autor.
Es
ist seltsam, hinter die Fassade dieser Geschichte, die für die bisher beste aus
der Feder des Autors gehalten wird, zu blicken. Das offene Ende lässt alles
ungeklärt. Es schließt sich nur eine Art Information als Nachwort an, in der
der Leser darüber informiert wird, dass immer mehr Leute ihre kranken
Angehörigen gesundbeten wollen, statt sie zu einem Arzt zu bringen. Und ein kleines
elfjähriges Mädchen sei 2008 an der gleichen Krankheit wie Isaac gestorben,
weil ihr professionelle Hilfe versagt geblieben ist.
Ich
habe „Ein wenig Glaube“ gern und auch recht zügig gelesen, werde aber mit der
inneren Aussage und ehrlich gesagt auch dem gezeigten Frauenbild leider nicht
warm.
Nickolas Butler, geboren
1979 in Allentown, Pennsylvania, wuchs in Eau Claire, Wisconsin auf. Er
studierte an der University of Wisconsin und beim University of Iowa Writers'
Workshop. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Hm, eigentlich hatte ich den Roman auf meiner Wunschliste...aber du sagst das Ende ist offen?? Dann wird er von der Liste verschwinden müssen, denn ich hasse nichts mehr als offene Enden....das gefühl am Ende eines Buches genauso viel zu wissen wie am Beginn finde ich einfach nervtötend!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Martina
Ich sag mal so: Der Klappentext verspricht irgendwie eine andere Geschichte. Das was da beschrieben wird, ist erst auf den wenigen Endseiten zu finden. Dann kommen ein paar Metaphern und man muss sich irgendwie selbst denken was passiert ist. Kann man mögen, wegen des einprägsamen Effekts, muss man aber nicht. ;-) Das Buch hat sehr vielen Lesern sehr gut gefallen, ich bin aber wegend er oben genannten Punkte nicht ganz so begeistert.
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