Autorin: Tracy Chevalier
Originaltitel: A Single
Thread
Verlag: Aufbau Verlag
ISBN: 9783455007473
Euro: 16,00
Veröffentlichungsdatum: Januar
2020
Seiten: 352
Serie: nein
Come in: vorablesen.de
Inhalt
Dreizehn
Jahre ist es her, seit der Erste Weltkrieg endete. Er hat Violet den großen
Bruder und den Verlobten geraubt. Als auch ihr Vater stirbt, hält es die
Achtunddreißigjährige nicht mehr bei der Mutter aus und lässt sich in die
wenige Meilen entfernte Stadt versetzen, wo sie in einem Versicherungsbüro für
einen Hungerlohn arbeitet. Dort trifft sie in der Kapelle auf eine Gruppe
Frauen, die Gebetskissen stickt und schließt sich ihnen an. Durch Gilda lernt
sie den älteren Arthur kennen und beginnt, seine Nähe zu suchen. Doch für
alleinstehende Frauen ist es nicht ungefährlich, sich zu verlieben – zumal
Arthur verheiratet ist.
Chevalier
hat einen ruhigen, emotionalen Roman geschrieben, der sehr lesenswert beginnt,
sich aber leider zunehmend in sich selbst verliert und in einem recht abstrusen
Ende ausläuft. Dabei hat er alles, was es für eine erfolgreiche Erzählung
benötigt. Zum einen eine Autorin, die sehr gut recherchiert hat. Und da gibt es
einiges. Zum einen ist Violet Anfängerin im Sticken und muss die Grundlagen
erst kennenlernen. Es gelingt Chevalier, anschaulich zu schildern, wie
schwierig es ist, die einzelnen Stiche zu lernen und wie viel Ausdauer und
Fleiß dazugehören. Arthur indessen ist Glöckner, ein Berufsstand, der leider
immer mehr ausstirbt, hinter dem jedoch mehr steckt, als es scheint.
Die
Figuren sind interessant angelegt, auch das Beziehungsgeflecht verspricht genug
Konflikte, dass es mehrere Höhen und Tiefen geben könnte. Indes sie bleiben
aus. Violet entfremdet sich von ihrer Familie, der zeternden und dauerhaft unzufriedenen
Mutter und dem jüngeren Bruder, der zunehmend auch in ihr eine Last sieht.
Später jedoch erwartet sie, dass sie zu ihr halten, was nicht geschieht. Warum
sollten sie auch, wo es Violet nicht anders gemacht hat? Darum sucht sich
Violet so etwas wie eine neue Familie, auch wenn das mehr eine
Zweckgemeinschaft ist. Es ist schade, das so zu lesen, denn Gilda und ihre
Freundin könnten mehr sein als nur eine Wohngemeinschaft. Hier ist es Chevalier
leider nicht gelungen, dies zu schildern, dass es glaubhaft ist, dass die
Frauen zusammenhalten werden, egal was kommen mag. Schwierig fand ich
ebenfalls, dass Violet keine der Frauen der Dreißigerjahre ist, die schlicht
keine andere Wahl hatten, deren Familie und Verlobte/Freunde im Krieg geblieben
sind und die sich nun irgendwie durchschlagen müssen. Frauen verdienen weniger,
sind nicht angesehen, nicht gleichberechtigt und ab einem gewissen Alter „übrig
geblieben“. Doch Violet hat immer eine Familie und dann noch eine begüterte im
Rücken, wohin hätte sie fallen sollen, auch wenn sie deren Geld nicht annehmen
will?
Die
Beziehung zu Arthur schleicht nur so vor sich hin, manchmal treffen sie sich
zufällig, meistens jedoch nicht. Es entspinnt sich leider nichts, es bleibt
oberflächlich und gerade, als es anfängt zu wachsen, ist es auch schon wieder
vorbei. Happy End verwöhnte Leser kommen leider nicht auf ihre Kosten. Das war
auch etwas, das außerordentlich konstruiert wirkte. Vermutlich eine Mischung
aus zu viel modernem Zeitgeist vermischt mit der historischen Zeit, was immer
viel zu gepresst wirkt. Und dem unbedingten Willen der Autorin, eine „arme
Frau“ darzustellen, in jeder Hinsicht und um jeden Preis. Es ist einfach nicht
geglückt. Am Ende wird es am deutlichsten, als die anvisierte Seitenzahl sich
dem Ende näherte und der Autorin wohl selbst dämmerte, dass sie keine
neuzeitliche Lösung für das „Dilemma“ mit Violet finden kann. Immerhin konnte
sie ihr nicht einfach einen Mann an die Seite stellen – wobei das durchaus eine
Option gewesen wäre, allerdings nicht für die Story, die sie erzählen wollte.
Der
Mann, der Violet stetig verfolgt, hat sich mir als Figur bis zum Ende nicht
erschlossen. Was ist sein Zweck gewesen? Am Ende wird er nie wieder erwähnt,
als sei nun alles gut.
Der
Anfang von „Violet“ ist sehr gut gelungen und würde mich dazu bringen, weitere
Bücher der Autorin zu lesen. Ab mittig fällt es leider stetig ab und das Ende
ist leider misslungen. Auch spielt das Sticken leider keine so große Rolle, wie
anfangs gedacht.
Kann
man lesen, muss man aber nicht.
Tracy Chevalier, 1962
geboren, wuchs in Washington D.C. auf. Sie studierte Englisch und arbeitete als
Lektorin. Das Mädchen mit dem Perlenohrring ist ihr zweiter Roman, mit dem sie
1999 international bekannt wurde. Tracy Chevalier lebt mit ihrer Familie in
London.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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