Autorin:
Bettine Vriesekoop
Originaltitel:
Dochters van Mulan
Verlag:
Pirmoni
ISBN:
978-3981746051
Euro:
16,90
Veröffentlichungsdatum:
Oktober 2018
Seiten:
244
Kein
Serientitel
Come
in: vorablesen
Meinung
Die
niederländische Sinologin Bettine Vriesekoop hat ein sehr wichtiges Buch über
Frauen und ihre Stellung im heutigen (Original 2015) China geschrieben, das
weit mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Dabei macht es allerdings Sinn,
bereits ein klein wenig Vorwissen mitzubringen, um gänzlich in die Thematik
einsteigen zu können.
Die Autorin hat China weit bereist, eine Menge Leute getroffen, mit denen sie interessante Interviews führte und ihre ganz eigenen Beobachtungen gemacht. Dabei hat sie die – sehr wechselhafte – Geschichte des Landes geschickt und treffend mit den Lebensbedingungen der Frauen verknüpft, wie es auch bereits der Titel vermuten lässt. Faszinierend wie irritierend dabei besonders, welchen großen Einfluss die Politik auf das intimste Leben eines Menschen besitzen kann. Zu erwähnen dabei die „Lotusfüßchen“, also die gebunden Füße der Frauen, die Art wie und in welcher Menge sie ihre Partner wählten, wie sie sich kleideten, wie viele Kinder sie zur Welt bringen durften. All das abzustreifen – Vorstellungen von Mutter und Großmutter in etwa – gelingt den modernen Frauen nur schwerlich. Noch immer sind große Erwartungen an sie geknüpft, die sich oft nicht mit den eigenen verbinden lassen. Zudem gilt eine Frau mit fünfundzwanzig als nicht mehr an den Mann zu bringen und da sie zudem dank der Ein-Kind-Politik keinen reichen Nachwuchs erwarten kann, lastet ein enormer Druck auf ihr (was ist der „richtige“ Partner?). Sexualität, schon früher nicht einfach zu händeln, sind in politischen Systemen wie dem in China zudem extrem gefährlich (übrigens nicht nur hetero).
Die Autorin hat China weit bereist, eine Menge Leute getroffen, mit denen sie interessante Interviews führte und ihre ganz eigenen Beobachtungen gemacht. Dabei hat sie die – sehr wechselhafte – Geschichte des Landes geschickt und treffend mit den Lebensbedingungen der Frauen verknüpft, wie es auch bereits der Titel vermuten lässt. Faszinierend wie irritierend dabei besonders, welchen großen Einfluss die Politik auf das intimste Leben eines Menschen besitzen kann. Zu erwähnen dabei die „Lotusfüßchen“, also die gebunden Füße der Frauen, die Art wie und in welcher Menge sie ihre Partner wählten, wie sie sich kleideten, wie viele Kinder sie zur Welt bringen durften. All das abzustreifen – Vorstellungen von Mutter und Großmutter in etwa – gelingt den modernen Frauen nur schwerlich. Noch immer sind große Erwartungen an sie geknüpft, die sich oft nicht mit den eigenen verbinden lassen. Zudem gilt eine Frau mit fünfundzwanzig als nicht mehr an den Mann zu bringen und da sie zudem dank der Ein-Kind-Politik keinen reichen Nachwuchs erwarten kann, lastet ein enormer Druck auf ihr (was ist der „richtige“ Partner?). Sexualität, schon früher nicht einfach zu händeln, sind in politischen Systemen wie dem in China zudem extrem gefährlich (übrigens nicht nur hetero).
Vriesekoop
hat sich dazu einige der bekanntesten Frauen des Landes an die Seite geholt,
die ihr tiefe Einblicke in das alltägliche Leben gewähren.
Kurz
wird auch die männliche Seite beleuchtet, an die ebenfalls gewisse Erwartungen
geknüpft sind. Da Männer noch immer als höher gestellt gelten, müssen viele
weibliche Föten dank moderner Technik auf ihr Leben verzichten, was zu einem
deutlichen Männerüberschuss geführt hat. Was subjektiv nach dem Lesen des Buches
beurteilt nicht unbedingt dazu geführt hat, dass sich an ihrer Denkweise
irgendetwas verändert hätte. Das ist übrigens das Einzige, was ich ein wenig
bedauere: Wir sprechen ständig nur über die Frauen, aber äußere Veränderungen
(Politik z.B.) verändern uns alle und nicht nur einen Teil. Es erfolgen auch in
„Mulans Töchter“ stetige Anspielungen auf die Männer in China, besonders jene,
die auf dem Land leben. Um aber die Veränderungen komplett verstehen zu können,
müssen beide Seiten der Medaille beleuchtet werden, was aber vermutlich zu
einem weiteren Werk wie diesem geführt hätte. Zu wünschen wäre es.
Am
Ende des sehr vergnüglich zu lesenden erzählenden Sachbuches scheint es, als
würden die Chinesinnen in eine neue Zeit schliddern, ohne einmal zu sich selbst
finden zu dürfen. Es sind nun die westlichen Werte und Vorstellungen, denen sie
sich, man möchte fast sagen, unterwerfen müssen, obwohl diese nur mäßig zu
allem Bisherigem passen. Persönlich sehe ich es ebenfalls kritisch, all diese
Werte überall in der Welt als Standard anpassen zu wollen; es gibt nie nur eine
einzige gültige allumfassende Wahrheit und mit Doktrination macht man oft mehr
kaputt, als es gut ist. Zumal es in den meisten Fällen auf ein Wort
heruntergebrochen nur eines ist: Konsum.
Am
Ende nun gibt es keine Auswertung, keinen Ausblick auf Kommendes, das wollen
die Chinesinnen übrigens selbst nicht. Sie akzeptieren, dass ihr Land groß und
weit, bunt und vielfältig ist und damit keine schlüssigen Thesen zur Zukunft
zulässt. Einzig die Statistiken sprechen ihre eigene Sprache in etwa in Sachen
Demografie.
„Mulans
Töchter“ nun ist vor allem den Lesern empfohlen, die am Thema dran sind. China
und seine Geschichte, Frauen und Emanzipation stehen weit im Vordergrund. Es
wird alles direkt gesagt und natürlich spielt auch die Sexualität eine große
Rolle. Ein wenig Vorwissen und ein Minimum Begeisterung zu eher
wissenschaftlichen Schriften sollten vorhanden sein. Dann wird dieses Buch
schnell und sehr interessiert weggelesen sein.
Ich
möchte es dringend empfehlen.
Bettine Vriesekoop (geb.
1961) war eine international sehr erfolgreiche Tischtennisspielerin. In den
Jahren 1982 und 1992 wurde sie Europameisterin. Mehrfach stand sie in der
Weltrangliste unter den ersten zehn. Nach ihrer aktiven Zeit entschloss sie
sich, inspiriert durch die vielen persönlichen Begegnungen mit China, ein
Sinologiestudium zu absolvieren. Seitdem arbeitete sie als
Auslandskorrespondentin für NRC Handelsblad und niederländische TV- und
Rundfunkstationen in Peking. Gleichzeitig war sie auch als Autorin tätig und
veröffentlichte zahlreiche Bücher über ihre Begegnungen mit China, darunter
Longing for Peking (1996) und A Thousand Days in China (2011).
Wǎn shàng hǎo, Daniela.
AntwortenLöschenEin wesentliches Problem der Chinesinnen - wie aller anderen Chinesen auch - dürften die modernen Gleichschaltungsmechanismen der Parteidiktatur sein. Überwachung & der Drill zum Staatskonformismus - Orwell grüsst.
Natürlich hat der aktuelle selbsternannte Alleinherrscher auf Lebenszeit (früher Kaiser genannt) kein Interesse an hinterfragenden Frauen.
Un der verehrte Konfuzius hatte Weisheit/Wahrheit nun nicht für sich gepachtet. Denke ich.
"Absolute Macht ziert nicht - sie höhlt nur aus."
(Myrelle Minotier)
bonté
So ist es. Ein wenig weicht das allerdings auf, erstmals kleiden sich die Frauen bunt und weiblich, schminken sich ... was nicht immer und überall gern gesehen wird.
LöschenDer Rest ist, wie bei uns, Entwicklung, nur eben aus anderen Ursprüngen. Muss per se nichts Schlechtes sein. :)
...da Du es erwähnst - eine anmerkenswerte Parallele der Frauen zwischen China & Iran.
LöschenSelbstbewußte Entwicklung läuft in Regimen leider oft Gefahr unter rollende Panzerketten zu kommen. :-(
bonté
Ja, leider. Aber positiv zu bewerten ist, dass es immer wieder Selbstbewusstsein gibt. Man muss ja nicht alles einfach mit sich machen lassen.
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