Dienstag, 9. Oktober 2018

Alligatoren - Deb Spera

Titel: Alligatoren
Autorin: Deb Spera
Originaltitel: Alligator
Verlag: HarperCollins
ISBN: 978-3959672207
Euro: 22,00
Veröffentlichungsdatum: September 2018
Seiten: 376
Kein Serientitel
Come in: Vorablesen









Inhalt

Branchville, Alabama um 1920. Gertrude Pardee ist Mutter von vier Töchtern, die sie nicht über den Winter bringen wird, obwohl sie zwei von ihnen zu ihrem Bruder gegeben hat. Ihr alkoholabhängiger Mann ist keine große Hilfe, drangsaliert sie und ihre Kinder. Als Gertrudes Bruder ihr dann von einem Job in der Näherei erzählt, an den auch ein kleines Häuschen gebunden ist, nimmt die junge Frau ihr Leben zum ersten Mal selbst in die Hand.
Dabei sucht sie sich Unterstützung bei Oretta Bootles, zu der sie ihre jüngste Tochter in Pflege gibt. Die farbige, hellsichtige Frau arbeitet für die einflussreichen Coles, denen sie den Haushalt führt. Zusammen mit ihrem Ehemann Odell lebt sie bescheiden, aber glücklich in Shagrags, einem kleinen Ort für Schwarze, von dem aus man die alten Sklavenhütten der Colschen Baumwollplantage sehen kann.
Annie Coles hat von ihrem Vater die örtliche Näherei und ein kleines Vermögen geerbt, über das sie auch viele Jahrzehnte nach ihrer Hochzeit noch allein bestimmt. Nur ihr Sohn Lonnie, der eine Begabung für Entwürfe zeigt, unterstützt sie. Die Mutter von fünf Kindern konnte nie den Freitod ihres erst zwölfjährigen Sohnen viele Jahre zuvor verwinden, auch den Weggang ihrer beiden Töchter, die nie wieder einen Fuß in ihr Haus gesetzt haben. Was geschehen ist, weiß sie nicht.
Ein hartes, arbeitsreichen Leben, das die Frauen führen, bestimmt durch verdorbene Ernten, Umweltkatastrophen, ansteckende Krankheiten und all die kleinen Dinge, die sich Menschen im Alltag gegenseitig antun können.


Meinung

Alligatorenweibchen sind unbarmherzige Jäger, sorgen aber sehr liebevoll für ihren Nachwuchs. Sie sind nicht sehr ansehnlich, ihr Fleisch kann eine Familie aber wochenlang ernähren.
Die Baumwollernte wird das dritte Jahr in Folge durch den Baumwollkäfer vernichtet, kaum jemand bekommt die Bäuche seiner Familie voll und Kleidung nähen die Frauen aus alten Säcken. In diese wirtschaftlich katastrophalen Zeiten setzt Deb Spera drei unterschiedliche Frauen, deren Leben sich berühren und die, so unterschiedlich sie auf den ersten Blick sein mögen, mehr gemeinsam haben, als sie es vermutlich selbst ahnen. Dabei wechselt die Autorin sehr regelmäßig die Erzählstimme, je ein Kapitel Gertrude, Annie, Retta. Es ist faszinierend, wie authentisch dies der Autorin gelungen ist. Gertrude, die eine einfache Kindheit mit frühem Verlust der Mutter hinter sich hat und vom Vater zu früh verheiratet wurde, hat nie eine Schule von innen gesehen. Das wirkt sich natürlich auch sprachlich aus. Sie versteht oft nicht, warum Dinge sind, wie sie sie erlebt, erklärt sie sich allerdings auf ihre eigene Art und versucht, mit den Gegebenheiten klarzukommen. Zudem macht sie einen nachvollziehbaren Wandel durch, der sie gegen Ende sehr sympathisch werden lässt.
Annie dagegen hat ihrem Papà viel zu verdanken und sich ihr Leben selbst gewählt. Inzwischen eine alte Frau, überdenkt sie vieles und muss immer noch fast hilflos dabei zusehen, wie Lonnie stotternd durchs seine Welt geht, immer ängstlich vor dem Gespenst hinter der nächsten Ecke. Eddie dagegen hat sich scheinbar selbst aufgegeben und versucht alles, um in der Gunst des Vaters aufzusteigen. Ihre beiden Töchter hat sie fünfzehn Jahre nicht gesehen - was sich durch einen Zufall ändern wird. Ein uraltes Familiengeheimnis wartet darauf, enttarnt zu werden und es wird wenig Erfreuliches bereithalten. Sprachlich geht es hier also sehr viel gewandter zu.
Oretta ist diejenige der drei, die mehr sieht. Zum einen ist sie hellsichtig und kann Geister wahrnehmen und Zeichen deuten. Aber sie schaut auch sehr genau auf ihre Welt, die Nachbarschaft, die Leute im allgemeinen. Ihr einziges Kind ist leider früh gestorben, aber ihr Mann und sie sind äußerst glücklich miteinander. Auf mich wirkte sie oft als die Stärkste, sie hat viel allein in die Hand genommen und als es Zeit wurde, dem stärksten Sturm getrotzt, nicht zu vergessen, ihre eigene große innere Kraft auch an andere weiterzugeben.
Es sind drei unterschiedliche Leben, die eng miteinander verflochten sind und bei denen stets gut erkennbar ist, wer gerade seine Geschichte erzählt. Aber nicht nur die Frauen sind erwähnenswert, sondern auch all die bestens herausgearbeiteten Nebenfiguren und die im Vorfeld sicher sehr zeitaufwendige Recherche. Deb Spera schreibt im Anhang, dass die Erzählungen ihrer eigenen Großmutter sie veranlasst haben, diesen Roman zu schreiben. Die TV-Produktionsunternehmerin, die selbst in den Südstaaten als Kind sehr junger Eltern geboren wurde, kennt sich aus mit dem Geschichten erzählen. Und mit "Alligatoren" hat sie den Grundstein für einen Klassiker gelegt, der lange nachhallt. Nicht entgehen lassen!


Deb Spera wuchs in Louisville, Kentucky, auf. Heute lebt sie mit ihrem Mann und zwei ihrer drei Kinder in Los Angeles. Ihr gehört das TV-Produktionsunternehmen One-Two Punch Productions, das u.a. Serien wie Criminal Minds, Army Wives, Reaper – Ein teuflischer Job, Finding Carter und Aim High – Hohe Ziele stecken produziert. Deb Spera war Finalistin des Montana Literaturpreises und zweimalige Finalistin des Kirkwood Literaturpreises. Ihre Arbeiten wurden in der Online-Zeitschrift Sixfold für Kurzgeschichten und Lyrik, in Garden & Gun, in der Wascana Review und im L.A.Yoga Journal veröffentlicht. Sie ist Co-Autorin des Theaterstücks „On the Road to Kitty Hawk“, das vom Actors Theater Of Louisville aufgeführt wurde. Alligatoren ist ihr erster Roman.

2 Kommentare:

  1. Aloha, Daniela.
    Deine Text ziert ein leider allzu wahrer Satz darüber, dass das Leben schon schlimm genug ausfallen kann - wozu dann noch all das Leid, das Menschen einander zufügen.

    Der Roman zeigt drei unterschiedliche Frauen auf, die für sich (& ihre Kinder) einen gangbaren Weg im Leben ausfindig machen.
    Frauen in den Südstaaten zu jener Zeit...was Wunder, dass ich mich sofort gern an die Geschichte von Idgie, Ruth & Sipsey in 'Fried Green Tomatoes' erinnere.
    Manchmal sind Menschen eben stärker als die Launen eines mißübeligen "Schicksals".

    bonté

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    1. Ich mochte die grünen Tomaten damals sehr. Ein bisschen anders ist das Buch doch, aber ja, im Kern ... In jedem Fall hat mir Speras Werk wunderbar gefallen, ich hoffe, sie greift wieder einmal zur Feder und lässt uns daran teilhaben.

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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