Samstag, 26. Mai 2018

(Buchgedanken) Das Bild des Autors, oder: So viel wollte ich gar nicht wissen

Kürzlich wurde ich in einem Interview als Leserin gefragt, ob ich schon einmal die Möglichkeit hatte, mich mit meinem Lieblingsautor auszutauschen. Meine Antwort war kurz und schmerzlos und gipfelte in diesem Fazit: "Durch die Social-Media-Portale ist es heute nun so leicht wie nie, etwas über Autoren zu erfahren und mit ihnen in Kontakt zu treten. Darunter sind in meinem Fall auch sehr viele, deren Arbeit ich sehr schätze. Leider sind die meisten meiner absoluten Lieblingsautoren bereits verstorben, was den Austausch dann doch etwas schwierig gestaltet. Doch wenn ich daran denke, was sie hinterlassen, und wenn ich ihre Werke nochmals lese, dann sind sie mir oft näher, als jeder Post oder jeder Tweet es je bewirken könnte."

Die Frage hat mir dann einige Tage keine Ruhe gelassen und ich habe mich gefragt, ob ich als Leser überhaupt so viel von Autoren wissen will, wie diese über die Öffentlichkeitskanäle preisgeben. "Der Autor" wird nämlich plötzlich Mensch - und leider nicht immer symphatisch.


Dabei steht dann die weiterführende Frage im Raum, ob man ein Werk eines Autors, den man (wenn auch nur flüchtig) kennt, anders liest. Wenn der Autor seine Ansichten recht frei in den Social-Media-Kanälen teilt, die nicht unbedingt den eigenen entsprechen müssen, in etwa. Oder schlimmer: Wenn sich zwei oder mehrere Autoren öffentlich streiten - und das meist nicht auf literarischem Niveau.


Was muss ich als Leser eigentlich vom Autor und dessen Alltag wissen? Natürlich finde ich es hilfreich, wenn ein Autor über etwas schreibt, was er genau kennt. Wenn also z.B. ein Kriminalbeamter einen Krimi schreibt. Ob aber dessen morgentliche Spaziergänge mit dem Hund, seine (dürftigen) Kochversuche, der erntefrische Garten oder dergleichen relevant sind, um die Werke aus seiner Feder lesen und verstehen zu können, wage ich zu bezweifeln. Dabei geht es aber nicht um Details zur Polizeiarbeit, besuchte Veranstaltungen etc. Hier mal einen Blick zu riskieren, schadet nicht. Ich frage mich oft, was von den "persönlichen Posts" nicht vielleicht doch auch arrangiert ist. Viele Arbeitsplätze sehen reichlich aufgeräumt aus, die Küche geputzt, Bücherregale sehr Staubfrei. Jeder Instagram-Nutzer weiß, wie lange es dauern kann, ehe das perfekte Foto gefunden, bearbeitet und hochgeladen ist.


Die Frage ist nur, warum machen Autoren es dann? Vermutlich, weil wir alle Voyeuristen sind. Und wenn der Typ sympathisch ist, dann müssen es auch seine Bücher sein. Richtig?
Müssen dann auch Autoren den Figuren in ihren Werken entsprechen? Muss eine Liebesromanautorin zwingend sehr hübsch und immer nach der aktuellsten Mode gekleidet sein? Muss ein Autor eines angeranzten Ermittlers eben auch dessen Bild nahekommen? Muss jemand, der ein humorvolles Buch geschrieben hat, immer gut drauf sein? Und noch viel wichtiger: Bin ich als Leser angemeiert, wenn der Autor dann in Wirklichkeit eben nicht diesem Bild entspricht, das ich mir von ihm gemacht habe? Werde ich nie wieder ein Buch von ihm lesen?


Im Grunde weiß jeder Leser, dass Autoren Menschen sind. Und jeder, der schon einmal im Social-Media-Bereich unterwegs war, weiß, dass die zahlreichen, ungefilterten Infos, die einem da begegnen, nicht zwangsläufig der Realität entsprechen müssen, sondern schlicht ein Bild widergeben, das aus diversen Gründen so konstruiert wurde. Und ist Literatur nicht auch fiktionaler Schein, ein Spielen mit dem "was wäre, wenn"?
Aber, frage ich mich, bleibt nicht zwangsläufig das Sein auf der Strecke, wenn alles nur noch Schein ist?

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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