Donnerstag, 14.03.
Um
Mitternacht ist die Nacht vorbei. Emily ist aufgewacht, hat Durst und
quengelt. Danach will sie nicht mehr ins Kinderbettchen. Tina holt sie
mit zu uns rein.
Schlaf?
Nicht mehr dran zu denken. Emily muss
uns ausgiebig vom Entenfüttern erzählen und tobt über uns quer durchs
Bett. Immer dann, wenn ich gerade wieder am Einschlafen bin, landet mir
ein Kinderfuß im Gesicht. Tina geht es ähnlich. Um 2 sind wir frustriert
und befördern die Kleine in ihr Bettchen zurück. Zehn Minuten lang
schreit sie wie am Spieß. Danach ist Ruhe.
Der Wecker holt uns gegen 6
aus dem Schlaf. Waschen, Anziehen, Frühstücken, von Emily und meinen
Eltern verabschieden, rein nach Leipzig.
Es ist 8 Uhr morgens und wir
sind bereits in der Messehalle. Ein paar Kleinigkeiten müssen noch
aufgebaut werden, der Lesungsplan an die Wand geheftet werden. Danach
machen wir einen Rundgang und halten die Kollegen von befreundeten
Verlagen und die Truppe von WERKZEUGS vom Arbeiten ab. Das ist das
Schöne, wenn man so schnell aufgebaut hat – man kann den anderen beim
Arbeiten zusehen und geistreiche Kommentare abgeben.
Halb 10 stellt
sich unsere Messe-Lilli bei uns vor. Lilli wird in den nächsten vier
Tagen alle unsere Verkäufe am Stand mitschreiben, das Geld einnehmen und
uns jeden Abend eine Abrechnung überreichen.
Nur noch wenige Minuten
bis zur Eröffnung und langsam werde ich nervös. Die erste Lesung auf
der Leseinsel Fantasy soll Kuddel alias Ann-Kathrin Karschnick aus
unserer Neuerscheinung halten und die ist noch nicht eingetroffen.
Dummerweise habe ich keine Telefonnummer von ihr, habe nur am Vorabend
im Forum des Tintenzirkels festgestellt, dass wohl einige aus Hamburg
zur Buchmesse Anreisende wegen dem Wetter auf der Strecke abgestellt
wurden. Und Kuddel kommt aus Hamburg.
Ich stelle mich seelisch und
moralisch darauf ein, dass ich die Lesung selber halten muss, schnappe
mir ein Buch und überfliege schnell den Text.
Der Gong ertönt, die
Messe hat geöffnet, der Besucheransturm beginnt. Und nur drei Minuten
nach der Eröffnung kommt mir Kuddel entgegen – natürlich in dem grünen
Kleid, das ihre zweite Haut zu sein scheint.
Die Lesung
bestreitet sie zusammen mit Susanne Bonn. Ihre Stimme ist ruhig und
kraftvoll. Die nachfolgenden Autoren werden sich tüchtig anstrengen
müssen. Allerdings kriege ich von der Lesung selbst nicht mehr viel mit,
denn die ersten Gäste haben sich bereits 5 Minuten nach dem
Eröffnungsgong an unserem Stand eingefunden. In den nächsten acht
Stunden kommt keine Langeweile auf. Immer wieder besuchen Leser,
Autoren, befreundete Verleger und Blogger unseren Stand, wollen Bücher
kaufen, stellen Fragen oder wollen einfach nur mal kurz dem bissigen
Verleger die Hände schütteln. (Bild 8: Signierstunde Kuddel. Bild 9:
Western- und Phantastikautor Alfred Wallon und Autor und Verleger Erik
Schreiber treffen sich vor unserem Stand. Bild 10: Verkaufsgespräche).
Bild 8 |
Und wenn mal nicht so viel los ist, unterhalten wir uns mit unseren
Standnachbarn vom Fabylon Verlag, zu denen wir die Trennwand
rausgenommen haben.
Oder wir lassen uns zum Plausch mit Autoren und
Verlegern in der WERKZEUGS-Autoren-Lounge blicken.
Um 16
Uhr ist der Stand voll mit meinen Autoren und Herausgebern, die
miteinander netzwerken und einigen Bloggern, die das Geschehen in
unserem Stand verfolgen. Anscheinend hat sich rumgesprochen, dass wir
für unsere Mitarbeiter Sherry und Portwein dabei haben.
Ich nutze
die Möglichkeit zu einer kleinen „Belegschaftsversammlung“ und bedanke
mich bei den Anwesenden für die Zusammenarbeit, rede von Zukunftsplänen,
gebe Carolin Gmyrek vor versammelter Mannschaft das Go für die nächste
Ausschreibung (Start September/Oktober diesen Jahres) und verkünde, dass
der Verlag im Moment dabei ist, den ersten Comic herauszubringen.
Diese
Nachricht schlägt ein, wie eine Bombe und wird von den Anwesenden
bejubelt. Vorbeischlendernde Besucher bleiben ob des merkwürdigen
Auflaufes in dem merkwürdigen Verlagsstand mit dem merkwürdigen Verleger
stehen. Wahrscheinlich fragen sie sich, ob sich hinter dem Eulenlogo
eine Sekte verbirgt. Einige laufen verschreckt weg, als Tom Daut und
einige andere Autoren aus der Krieger-Anthologie für den Fotoapparat
posieren und lauthals „So seh’n Krieger aus“ brüllen.
Als um 18 Uhr
der Gong das Ende des Messetages einläutet, sind wir froh, dass es
vorbei ist. Wenige Minuten später taucht Lilli auf und rechnet mit uns
ab.
Freitag, 15.03.
Diesmal
sind wir erst 8:30 Uhr vor Ort. Die Regale werden geordnet,
Papierschnipsel auf dem Boden weggeräumt, leere Kartons verstaut. Dann
warten wir auf den Gong.
Der erste Gast ist Oliver Plaschka.
Autorenexemplare wechseln den Besitzer, wir sprechen kurz über
aktuelle Projekte – dann muss er auch schon weiter. Wer auf die
Buchmesse kommt, hat meist einen engen Zeitplan.
Halb 11 kommt der
erste Vertreter einer Druckerei bei uns an den Stand, zeigt mir seine
Probenbücher und bietet mir an, ein unverbindliches Angebot zu
erstellen. Ich nicke freundlich, stecke die Visitenkarte ein und
vertröste ihn, dass ich auf ihn zukommen würde, wenn ich Bedarf hätte.
Er bedankt sich höflich. Als er meinen Stand verlässt, wissen wir beide,
dass wir wohl nicht zusammenarbeiten werden. Für mich sind
Zuverlässigkeit, Qualität, eine gute Erreichbarkeit, ein gemeinsames
Buchverständnis, Service und Kalkulierbarkeit wichtiger, als ein um
wenige Cents günstigerer Preis.
Nur wenige Minuten später kommt
Peggy Salomo am Stand vorbei. Die Verantwortliche für die
Ausstellerplanung auf der „Schriftgut“ in Dresden drückt mir die
Anmeldeunterlagen für dieses Jahr in die Hand, denn nach der Messe ist
vor der Messe.
Die Zeit vergeht wie im Fluge. Schon ist es
16 Uhr, ich muss die Lesung meiner Herausgeberin Carolin Gmyrek
ankündigen.
Zurück am Stand wimmele ich die 10. Vertreterin
einer osteuropäischen Druckerei ab, die mir in einer Mischung aus
schlechtem Deutsch und schlechtem Englisch zu erklären versucht, was sie
alles für mich tun können. Ich lehne ab. Zu meinem Konzept (fair
verlegen) gehört nicht nur Fairness gegenüber meinen Autoren, meinen
Herausgebern, meinen Lektoren und meinen Zeichnern gegenüber, sondern
auch Fairness gegenüber meinen Geschäftspartnern und eine gewisse
moralische Verpflichtung. Die Masse meiner Käufer kommt aus dem
deutschsprachigen Raum, also lasse ich auch die Bücher im
deutschsprachigen Raum drucken und binden. Selbst wenn die Druckaufträge
im Moment noch klein sind und das Geld nur ein Tropfen auf dem heißen
Stein und wohl eher von symbolischen Wert ist.
Kaum ist die
Vertreterin weg, muss ich den Platz an meiner Standtheke auch schon für
Carolins Signierstunde räumen.
Der Verkauf läuft gut und
unsere Messe-Lilli hat Mühe, mit den Aufzeichnen der Verkäufe
hinterherzukommen.
Als an diesem Abend der Gong ertönt, spüren wir unsere Füße nicht mehr und mein Mund ist ganz ausgedörrt vom vielen Reden.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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