Die Autorin Juliette Bensch ("Last minute Liebe") liest und schreibt über queere (Literatur-)Themen.
König und Königin des Comics
Alison Bechdel und Ralf König im Portrait
Aus
gegebenem Anlass werfe ich den Blick heute mal auf Bücher, deren Inhalt
weniger vom geschriebenen Wort, als vom gezeichneten Bild dominiert
wird. Bilder von knollnasigen Bären und coolen Dykes. Bilder, die es
ins Kino schaffen, die Literaturszene revolutionieren und sich für das
stark machen, was ihre Zeichner bewegt.
Aber fangen wir mal am
Anfang der Geschichte an. Es beginnt im Jahre 1960. Das ist ein guter
Jahrgang. Zumindest, was Kunsttalente angeht. Es begab sich da zum einen
im fernen, amerikanischen Lock Haven, Pennsylvania. Dort erblickte
Alison Bechdel das Licht der Welt.
Hierzulande und lediglich einen
Monat vor ihr wurde Ralf König in Soest, Westfalen geboren. Während Ralf
König eine Tischlerlehre an seinen Realschulabschluss hängte, ist
Alison Bechdel noch in der College-Ausbildung. Sie bewarb sich an
mehreren Kunsthochschulen, wurde jedoch abgelehnt und arbeitete erstmal
in verschiedenen Stellen im Verlagswesen. Er hingegen schaffte es an die
Staatliche Kunstakademie Düsseldorf. Und dann geht’s los. Sie zeichnen.
Auftragswerke, freiberuflich, politisch und so wie es ihnen passt. Und
sie kommen raus, outen sich. Es sind die 1980er. Stonewall hat Amerika
verändert. Die Schwulen- und Lesbenbewegung kämpft sich voran und
begehrt gegen Paragraph 175 auf. Ralf König ist mittendrin, dokumentiert
und veröffentlicht Schwulcomix. Alison Bechdel entwickelt die Dykes to
watch out for, die regelmäßig in einer Zeitung erscheinen. Beide
dokumentieren die Subkultur, schwul, lesbisch, deutsch, amerikanisch.
1990
veröffentlichte König zuerst Das Kondom des Grauens, eine erste längere
Comic-Erzählung. Kurz darauf erschien Der bewegte Mann, erstmals bei
einem großen Publikumsverlag, und wurde bald mit großem Erfolg fürs
deutsche Kino verfilmt. Weitere Werke folgten Knall auf Fall und wurden
in verschiedene Sprachen übersetzt. Die Knollnasen sind legendär,
verhehlen nichts und sind urkomisch.
1990 hat auch Bechdel
verändert. Sie konnte sich als Comiczeichnerin und Illustratorin
selbstständig machen. Die Dykes to watch out for ist wie eine Soap, man
kann überall in die Reihe um Mo und ihre Freundinnen einsteigen. Die
Comicbände erschienen übrigens auch im Deutschen (wie ich in der zweiten Ausgabe von Queergelesen erwähnte). Bechdels großer Durchbruch erfolgte
erst 2006 mit Fun Home. Der ‚Tragicomic’ (oder auch Graphic Novel) ist
hochgradig autobiografisch und viel ernster und realistischer als Königs
Werke. Es geht um das Heranwachsen im Familienbetrieb, einem
Bestattungsunternehmen, das Erkennen ihrer Homosexualität und um den Tod
ihres Vaters. Fun Home stand in Amerika auf den Bestsellerlisten und
wurde auch in Deutschland deutlich wahrgenommen.
Königs Fokus lag jüngst u.a. mit den Bänden Prototyp, Archetyp und Antityp auf den Themen Religion und Religionskritik. Außerdem erschien der Sammelband Der dicke König.
Zurück
zum Stein, der diesen Artikel ins Rollen gebracht hat. Ich sprach zu
Beginn von einem aktuellen Anlass. Ebendieser war die diesjährige
Berlinale, auf der der Dokumentarfilm Der König des Comics Premiere
feierte. Gedreht wurde das Ganze von Rosa von Praunheim, Filmemacher und
Legende der Schwulenbewegung. Letzten Monat war er noch in
verschiedenen deutschen Kinos zu sehen.
Bechdel
kündigt derweil das Erscheinen eines neuen vielversprechenden
Comicbandes mit dem Titel Are You My Mother? für Mai 2012 an.
König
und Bechdel haben auf unnachahmliche Weise die Schwulen- und
Lesbenbewegung geprägt und waren und sind dabei unglaublich
unterhaltsam, aufklärerisch und berührend. Ich bin gespannt, was wir
noch von ihnen erwarten können und verneige mein Haupt vor dem König und
der Königin des Comics.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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