Autorin: N. K. Jemisin
Originaltitel: The Fifth
Season
Verlag: Knaur
ISBN: 978-3426521786
Euro: 14,99
Veröffentlichungsdatum: August
2018
Seiten: 496
Serie: Die große Stille 01
Come in: Tausch
Inhalt
Essun
ist eine Orogene, sie vermag es, sich mit der Erde zu verbinden und diese zu
verändern. In einer Welt aber, die zerrissen ist, stetig Vulkane ausbrechen und
Erdbeben ganze Städte auslöschen, ist Orogenie ein Verbrechen. Leute wie Essun
werden vom Mob getötet oder, wenn sie Glück haben und die Fähigkeit sich in der
Kindheit zeigt, an eine Schule verwiesen, wo sie wie Sklaven gehalten und
ausgebildet werden. Essun ist die Flucht gelungen, sie hat geheiratet und zwei
Kinder zur Welt gebracht – die ihre Fähigkeit geerbt haben. Ihr Mann, der
nichts davon wusste, hat ihren kleinen Sohn erschlagen und die Tochter
entführt. Essun folgt ihnen, um sich zu rächen. Währenddessen wird die kleine
Damaya von ihrer Familie an einen Wächter ausgeliefert, der sie zur Schule der
Orogenen bringt, wo sie ihre Ausbildung anfängt. Und die viertberingte Syenit
trachtet nach der nächsten Prüfung, um aufsteigen zu können. Dabei eröffnen
sich ihr Geheimnisse, von denen sie besser nichts gewusst hätte.
Absoluter
Page Turner!
Jemisin
schreibt in der Danksagung, dass sie 2009 einen Workshop besucht hat, der von
der NASA für „Meinungsmacher aus dem Bereich der Medien“ veranstaltet wurde –
davon viele Fantasy- und Science-Fiction-Autoren. Falschinformationen aus den
Naturwissenschaften seien nicht selten auch von ihnen verbreitet worden und man
habe sicherstellen wollen, dass bestimmte wissenschaftliche Vorgänge verstanden
worden seien. „Leider bin ich mir nicht so sicher, ob ich die weltbeste
Leistung bezüglich der Übermittlung akkurater wissenschaftlicher Informationen
vollbringe, indem ich Astronomie mit empfindungsfähigen Steinmenschen
zusammenbringe.“, schreibt sie weiterhin (Seite 493).
Wissenschaftlich
vorgebildet braucht allerdings niemand zu sein, wenn er zu dieser Trilogie
greift, die gesamt (!) den Hugo Award
gewonnen hat.
Dennoch
testet die Autorin deutlich die Wendigkeit ihrer Leser, denn sie erzählt keine
lineare Geschichte und verwendet unterschiedliche Erzählperspektiven, um das
Geschehen darzulegen. Eine selten verwendete ist die Du-Form, mit der Essuns
Episoden geschildert werden. Wer das so wie Jemisin beherrscht, darf sich
getrost Autor nennen.
Es
beginnt mit einem Vorspiel, dem Ereignis, um das sich alle Abenteuer drehen und
obwohl es sich erst gegen Ende wirklich offenbart, ist der Leser hier schon
deutlich angezogen. Dennoch braucht es einige Seiten, um völlig einzutauchen,
die dem Roman auch gegeben werden sollten. Wer vorzeitig abbricht, verpasst
eine grandiose Erzählung, deren einzelne Fäden sich erst gegen Ende
miteinander verweben.
Die
fiktive Welt ist von Erdbeben und anderen Naturkatastrophen stetig bedroht,
weshalb Orogene auch sehr gefürchtet sind. Denn alle paar hundert Jahre gibt es
eine Fünftzeit, vor der auf uralten Steinen mit Weisheiten gesprochen wird, die
alle Kinder auswendig lernen müssen. Manchmal verdüstert sich dann der Himmel
und klart erst nach Jahren wieder auf, manchmal regnet es Asche und manchmal
verschieben sich ganze Kontinente. Die Überlebenden haben ganz unterschiedliche
Wege gefunden, um mit diesen Herausforderungen umzugehen. In friedlichen Zeiten
heißt es, sich vorbereiten, Vorräte anzulegen und die Bewohner gut in wichtigen
Fertigkeiten auszubilden. Manche Gems, umzäunte Ortschaften, haben allerdings
vergessen, was eine Fünftzeit ist und erkennen die Gefahr, die sich nun
ankündigt nicht. Essun allerdings tut es und sie weiß, das wird keine Fünftzeit
sein, die nach wenigen Jahren vorbei ist, diese wird Jahrhunderte dauern. Und
die geheimnisvollen Obelisken, die über dem Himmel reisen, haben scheinbar
etwas damit zu tun.
Essun
trägt eine eigene Geschichte mit sich herum, sie ist knapp vierzig Jahre alt
und handelt auch entsprechend, verfällt nicht kopflos in hormongesteuerte
Handlungen. Sie durchdenkt allerdings auch nicht viel, handelt oft instinktiv
und hat sich ihrer Rache verschrieben. In dieser ist sie mehr als glaubhaft.
Damaya
wird mit der Welt der Orogenen auf die harte Tour bekannt gemacht, durch sie
lernt auch der Leser, wie sich die Ausbildung staffelt und warum ein Orogener
niemals frei sein wird.
Syenit
ist eine junge, taffe Frau, die sich mit einer Wahrheit konfrontiert sieht, an
deren Möglichkeit sie nie geglaubt hätte. Menschen sind grausam und in einer
Welt wie dieser noch mehr. Denn das Überleben aller hängt davon ab.
Es
handelt sich um keine klassische Endzeitgeschichte, wenn es überhaupt eine ist.
Immerhin hat diese Welt immer wieder Fünftzeiten erlebt – und überlebt.
Vielleicht, so deutet es sich sachte an, erfahren die Bewohner, warum ihr
Planet, ihr Vater Erde, überhaupt so schlecht auf sie zu sprechen ist und
vielleicht wird es die letzte Fünftzeit sein.
Die
Geschichten der drei Frauen sind relativ gleichmäßig aufgebaut, wenn Syenit
auch ab mittig mehr Raum zugesprochen wird.
„Zerrissene
Erde“ ist gut durchdacht und recherchiert, meisterhaft aufgebaut, an jede Seite
fesselnd und ragt auch durch die Art, wie Jemisin sie niedergeschrieben hat
deutlich aus dem Einheitsbrei dieser Tage heraus. Sollte man sich nicht
entgehen lassen.
Die große Stille:
1. The Fifth Season (Zerrissene
Erde)
2. The Obelisk Gate (Brennender
Fels)
3. The Stone Sky (Steinerner
Himmel, Juni 2020)
N.K. Jemisin ist
Therapeutin, politische Kommentatorin und Feinschmeckerin. Sie schreibt, seit
sie zehn Jahre alt ist. Allerdings wird sie alles tun, damit ihre frühen
Arbeiten nicht öffentlich gemacht werden. Sie lebt in New York City.
Hallo Soleil
AntwortenLöschenAuf das Buch habe ich mich zum damaligen deutschen Erscheinungstermin auch schon riesig gefreut, nachdem das Buch auf Goodreads so gehyped wurde. Schön, dass du dich nun auch rangewagt hast und es für dich ein Page Turner war. :) Mir erging es da ja leider etwas anders. Obwohl ich die Grundidee mochte, war mir das alles leider viel zu komplex mit den unterschiedlichen Perspektiven und dem doch etwas experimentellen Schreibstil. Da habe ich irgendwann die Lust verloren, weil ich trotz grösster Anstrengung irgendwie nicht wusste, worum es eigentlich geht.
Ich habe aber gelesen, dass das Ende sehr toll sein soll und habe dann, bevor ich das Buch abgebrochen habe, noch den Schlussteil überflogen. Und die Enthüllung am Ende hat mich tatsächlich auch überrascht.
Deine Rezension ist aber ganz wundervoll geschrieben und es freut mich, dass du besser in die Geschichte eintauchen konntest als ich. "Deutlich aus dem Einheitsbrei heraus" trifft es sehr gut :) Vielleicht werde ich es irgendwann noch einmal mit dem Hörbuch versuchen - ich meine gesehen zu haben, dass es zu dem Buch eines gibt.
Liebe Grüsse
paperlove
Hallo paperlove,
Löschenschön, dass Du reinschaust. :)
Ich glaube auch, dass das Buch nichts für jeden Leser ist, ein bisschen wendig und belesen ("über den Tellerrand") sollte man schon sein. Mir hat vor allem die Du-Form imponiert, die ist nämlich richtig schwer umzusetzen. Jemisin ist spürbar über jedes "experimentelle" Schreiben hinaus, darum freue ich mich auch, dass das prämiert wurde. In jedem Fall bin ich mächtig auf den Abschluss der Trilogie gespannt, der erscheint aber leider erst im Juni.
Danke, dass Du ein Kommentar dagelassen hast! :)
LG
Soleil