Dienstag, 13. September 2016

Ben Hur - Carol Wallace

Titel: Ben Hur
Autorin: Carol Wallace
Originaltitel: Ben Hur
Verlag: adeo
ISBN: 978-3863341220
Euro: 17,99
Veröffentlichungsdatum: August 2016
Seiten: 477
Kein Serientitel
Come in: Vom Verlag










Meinung

Die Familie habe, schreibt Carol Wallace, Ur-Ur-Enkelin des Autors Lew Wallace, im Nachwort, stets den Roman "Ben Hur" geschenkt bekommen, so dass alle verfügbaren Ausgaben im Hause gewesen seien. Aber gelesen habe sie ihn nie. Das habe sich erst geändert, als eine Neuverfilmung des Film-Klassikers von 1959 angedacht worden sei. Im Zuge dessen habe man nämlich auch eine Überarbeitung des Lesestoffes, der erstmals 1880 erschienen ist, angedacht. Mit mehr als hundert Jahren auf dem Buckel musste dieser ein wenig an die heutige Zeit angepasst werden; aber so viel sei gar nicht zu tun gewesen, schreibt die Autorin, die zuvor bereits mehrere bekannte Bücher veröffentlicht hat. Ein paar Kürzungen, einige Charaktere vertiefen, dabei besonders die weiblichen, mehr sei es nicht gewesen.
Die Arbeit hat sich gelohnt, nicht nur ist das Werk ein absoluter Page Turner, es liest sich flüssig und ist eines jener Werke, das man auf jeden Fall einmal gelesen haben sollte.
Auch über das Leben und Wirken ihres Vorfahren verliert die Autorin einige Worte. Schnell steht fest, dass Lew Wallace zwar durch "Ben Hur" am bekanntesten wurde, aber sich sein Leben ebenfalls für eine Verfilmung eignen würde. An spannenden Ereignissen fehlt es im Leben des ehemaligen Bürgerkriegssoldaten, Anwalts, Politikers und Botschafters im Ausland nicht.

"Ben Hur" nun ist ein Buch in mehreren Teilen und wer die Altverfilmung kennt, kennt auch die Geschichte. Der Junge Ben Hur ist in einer vermögenden Familie aufgewachsen, sein Vater hat sich einen Namen gemacht, inzwischen leben aber nur noch Mutter und Schwester mit ihm im Haus. Sein Jugendfreund Messala kehrt nach seiner Ausbildung in Rom zurück und hat sich leider sehr verändert. Inzwischen verachtet er alles nicht-römische und vor allem die Juden, zu denen Familie Hur gehört. So zögert Messala auch nicht, seinen ehemaligen Freund ohne Gerichtsverhandlung als Sklave auf die Galeeren zu schicken, als diesem beim Einzug des neuen Statthalters ein Missgeschick passiert. Mutter und Schwester kommen in ein fensterloses, flaches Verlies und werden dieses viele Jahre nicht mehr verlassen.
Doch Ben Hur hat Glück und davon schließlich eine ganze Menge - nicht nur erlangt er seine Freiheit zurück, er erhält eine römische Ausbildung, erbt viel Geld, kehrt in die Heimat zurück, wo er seine Familie sucht, noch mehr Geld erbt, Messala stellen kann, die Frau fürs Leben findet und noch reicher wird.
Wenn es also einen Kritikpunkt gibt, dann dass nach kurzer Misere - dem Galeerenschiff - das Leben optimal für Ben Hur verläuft. Herausforderungen für ihn sucht man vergeblich. Da jedoch noch viel mehr geboten und dies zudem in einer sehr angenehmen und wohl formulierten Sprache präsentiert wird, kann darüber hinweggelesen werden. Trotz der Kürzungen sind die Beschreibungen immer noch ausreichend und lassen ein beinahe dreidimensionales Bild vor Augen erscheinen. Ein erstaunlicher Umstand, denn Lew Wallace gelangte erst viele Jahre nach Abschluss des Buches in jene Länder, in denen die Geschichte spielt. Stolz und froh sei er gewesen, schreibt Carol, dass alles wirklich so sei, wie er es nur von Ferne hatte recherchieren können - wohlgemerkt um 1880 herum.
Anders als in den Verfilmungen, besonders der neuen, die offenbar leider wenig beliebt ist, stehen im Buch nicht die Galeerenzeit oder das Wagenrennen im Vordergrund. Das sind einzelne Stationen, die Ben Hur durchläuft, die aber nicht überdramatisiert werden. Die Beziehungen der Personen untereinander sind da ausschlaggebender. Besonders die Suche nach Mutter und Schwester treibt Ben Hur voran, wenn auch seine Gefühle für Messala ihn ab und an überrollen. Rache jedoch ist ebenfalls kein zentrales Motiv des Buches, es lechzt niemand nach Blut oder glaubt, eine wie auch immer geartete Ehre wiederherstellen zu müssen.
Was die Geschichte so faszinierend macht ist ihre Authentizität, ihre immer noch spürbare Aktualität. Die Römer kontrollieren zu Zeiten Jesus Christus einen Großteil der damals bekannten Welt und nicht zuletzt auch die Stadt, in der Ben Hur lebt. Die Galeeren werden von römischen Sklaven angetrieben - gefangen in der ganzen Welt. Alles und jeder ist ihnen unterworfen, wer nicht spurt, muss mit den Konsequenzen zu leben lernen. Nun ist der Messias geboren, einer der drei Weisen rät Ben Hur aus seiner römischen Ausbildung und seinem vielen Geld ein Heer aufzubauen. Wenn ER sich zu erkennen gibt, so glaubt der inzwischen alte Mann, wird ER dieses sicher benötigen und die Juden gegen die Römer in die Freiheit führen. Ben Hur trifft tatsächlich mehrmals auf Jesus, auf dem Weg zu den Galeeren gibt ihm ein unbekannter Mann gegen den römischen Willen etwas zu trinken. Später hört und sieht er Jesus predigen, auch dessen Heilung der schrecklichsten Krankheiten kann er miterleben. Und schließlich auch die Kreuzigung.
Der Roman gehört auf jeden Fall ins Bücherregal. Die Neubearbeitung von Carol Wallace ist lesenwert, gut durchdacht, dezent verändert und sprachlich auf sehr hohem Niveau. Der Schutzumschlag des Hardcovers kann entfernt werden, ein neutraleres Coverbild wäre wünschenswert gewesen, hier ist der Schauspieler aus der Neuverfilmung zu sehen. Aber vielleicht bietet es sich auch an, es wie Familie Wallace zu machen und mehrere Ausgaben anzuschaffen. Die alte und die neue Version in etwa nebeneinander zu stellen.
Gelesen sollte man diesen großartigen Roman, der auch nach einhundert Jahren nichts von seiner Aussagekraft und seinem Esprit eingebüßt hat, auf jeden Fall. Schade, dass ich so lange damit gewartet habe.


Carol Wallace ist die Ur-Ur-Enkelin von Lew Wallace, dem Autor des Klassikers "Ben Hur", der 1880 erschien. Carol hat bereits über 20 Bücher geschrieben, zuletzt den historischen Roman "Leaving van Gogh". Sie ist die Co-Autorin des "New York Times"-Bestsellers "To Marry an English Lord", der als Inspiration zur Erfolgsserie "Downton Abbey" gilt. Carol hat an der Princeton University und an der Columbia University studiert.


12 Kommentare:

  1. Huhu... ich habe den Roman vor vielen, vielen Jahren mal gelesen. Das ist so lange her, dass ich mich kaum noch an Einzelheiten erinnern kann.

    Die Neuverfilmung werde ich mir erst iwann auf DVD anschauen. Ins Kino gehe ich dafür nicht. Ich bin mit Charlton "Baller-Kalle" Heston als Ben Hur quasi aufgewachsen - und der Film wird einmal jährlich geguckt. Iwo läuft der schließlich immer... genauso wie "Die 10 Gebote".

    Ich kann mich dann immer schlecht auf eine Neuverfilmung/Interpretation einlassen - ist vielleicht das Alter :D
    Den Film mit Christian Bale (das waren doch die 10 Gebote?) fand ich auch nur so la-la.

    Aber vielleicht leihe ich mir iwann mal neu überarbeitete Buch aus und frische mein Gedächtnis über die Familie Hur auf :)

    LG
    Gaby

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    1. In meiner Familie gab es auch große Fans, wie ich hinterher herausgefunden habe. Mir juckt es in den Fingern, die alte Version noch dazu zu lesen und quasi beides miteinander zu vergleichen, aber dazu wird mir leider die Zeit fehlen.
      Die Neuverfilmung floppt wohl gerade ein wenig, ich nehme an, aus dem gleichen Grund, den Du auch angibst ;-) Allerdings verwirrt mich schon der Trailer mehrfach, nicht nur, dass Ben Hur und Messala als Brüder bezeichnet werden (das sind sie nicht), auch wird das Augenmerk auf die falschen Stellen gelegt, kommt es mir vor. Abgesehen davon unterscheidet sich auch die Lauflänge von der Altversion erheblich ... das ist ja meist nie gut, wenn zu viel Story in zu wenig Film geschoben wird. Na ja, den zeigen sie sicher auch demnächst im TV.
      Sag bescheid, wie Dir das Buch gefallen hat!

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  2. Ich habe bisher weder eine der Verfilmungen gesehen noch den Roman gelesen und weiß einfach nicht, ob ich ihn mal lesen soll oder nicht. Da auf römischen Galeeren üblicherweise keine Sklaven ruderten (nur in Notsituationen, ansonsten waren das freie, ausgebildete Rudermannschaften), weiß ich nicht recht, wie es sonst mit der historischen Genauigkeit bestellt ist.
    Der Hintergrund der aktuellen Romanfassung ist aber auf jeden Fall interessant - ich wusste das gar nicht, dass die neu überarbeitet wurde.

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    1. Das verwirrt mich ehrlich gesagt ein wenig. Das wäre ja so, als würde man Karl May wegen seiner historischen Genauigkeit lesen (oder dann eben darauf verzichten), was vermutlich ebenfalls unsinnig wäre. Manche Werke muss man einfach als das lesen, was sie sind, nicht als das, was man gerne hätte. Und bei so alten Werken einfach nicht moderne Standarts anlegen ...
      Ansonsten mochte ich die Geschichte sehr und sie war auch flott gelesen. Schau doch mal in die Leseprobe?

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    2. Karl May konnte ich eh nicht aushalten, als ich ihn als Jugendliche mal versucht hätte, aber da lags wohl eher am Schreibstil.

      Aber wenn ich möchte, dass ein historischer Roman mich in eine bestimmte Zeit mitnimmt und mir auch eine gewisse Authentizität vermitteln soll, dann funktioniert das für mich nicht, wenn ich schon mal weiß, dass ein zentrales Plotelement eben ganz und gar nicht authentisch ist ...
      Ob das soviel mit modernen Standards zu tun hat, weiß ich gar nicht. Es gibt alte historische Romane, die hervorragend recherchiert sind (z.B. Ich, Claudius, Kaiser und Gott) und viele moderne, bei denen das nicht der Fall ist.
      Aber das ist auch etwas, das mich vornehmlich bei Romanen, die in der Antike spielen, stört, da mir bei anderen Epochen schlicht das Hintergrundwissen fehlt.

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    3. Ich schlage vor, Du suchst Dir ein anderes Werk, denn 1880 gab es noch kein Google oder Genres im heutigen Sinne ... aber das macht ja auch nichts, denn es gibt ja noch eine Menge passende(re) Werke :)

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    4. Ich weiß jetzt nicht ganz, was du mit Google meinst - ich bin bislang davon ausgegangen, dass jeder, der über eine andere Zeit als seine schreibt, irgendwo eine Art Recherche betreibt und das nicht erst, seit es das Internet gibt, sonst könnte er darüber ja gar nicht schreiben. Und Texte antiker Autoren gab es auch im 19. Jahrhundert schon ...

      Ich habe ja außerdem lediglich die Authentizität angezweifelt, die du lobend hervorgehoben hast. Der Roman mag ansonsten super sein, aber ein authentisches Bild der römischen Antike liefert er wohl eher nicht. Vermutlich legen die meisten darauf auch gar keinen Wert beim Lesen - ich halt schon (leider, muss ich wohl sagen, da es in der Tat die Lektüre manchmal einschränkt).

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    5. Weißt Du, ich will mich gar nicht streiten und schon gar nicht mit Dir, aber ich gebe zu, dass Du da einen wunden Punkt erwischt hast, der mir schon eine Weile auf'n Keks geht. Man muss ein Buch auch einmal schlicht als das lesen, was es ist und nicht eigene Standarts anlegen ("Für mich muss ein Buch so und so sein."). Lew hat recherchiert, wie genau und warum etc. ist übrigens im Buch beschrieben. Er ist allerdings erst später in die Länder, in denen er dann als Botschafter eingesetzt war, gereist.
      Mit der heutigen Zeit ist das aber sicher nicht zu vergleichen ("Google").
      Carol nun hätte sicher einige Dinge verändern können, unter anderem auch Minidetails wie die Sklaven auf den Schiffen, aber welchen Sinn hätte das gemacht? Vermutlich genauso wenig wie die "Säuberungen" von Werken wie Huck Finn, in denen bestimmte Wörter gestrichen oder verändert wurden.
      Wenn man jetzt aber wirklich so viel Zweifel hat, dann ist die Lösung naheliegend: Lies es nicht. Denn inwieweit Dein korrektes Leserherz vielleicht noch beleidigt würde, kann ich leider nicht sagen. Das Buch ist atmosphärisch, bringt was rüber und ist spannend. Sprachlich um Längen besser, als vieles, was ich so täglich lese.
      Einen historischen Roman mit allen Genredefinitionen hatte der Autor sicher nicht im Sinn, zumal er mit der Geschichte mal etwas Neues ausprobieren wollte. Was in einigen der Absagen stand, die er erhalten hat, ist auch im Buch nachzulesen. Bekanntermaßen schreiben auch ausländische Autoren heutzutage hist. Romane oft nur für den deutschen Markt, weil das Genre in anderen Ländern eher wenig bis gar nicht gelesen wird.
      Hach, ich weiß nicht, wie ich noch deutlicher werden soll.
      "Ben Hur" ist kein Werk, das man nicht liest, weil man es hist. korrekt will. Bin ich zu verstehen? Denn sind Werke aus der gleichen Zeit rum ebenfalls nicht lesenswert, einige Namen/Titel fielen ja schon im Gespräch.
      Also: Entweder Du schaust in der Bibliothek mal rein oder Du lässt es schlicht sein. Immerhin gibt es noch genug andere Bücher, die sicher eher Deinen Geschmack treffen werden. ;-)

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  3. Sehr informativ. Danke.

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    1. Hallo und willkommen im Blog! Gerne :)

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  4. Anonym18.9.16

    Ich lese das Buch auch gerade ... brauche aber noch ein bisschen. Warum man sich für dieses Cover entschieden hat, hat mich dann auch interessiert. Auf Nachfrage hat man mir mitgeteilt, dass das eine Vorgabe aus USA war - der deutsche Verlag musste dieses Bild verwenden. Vermutlich will man, dass die Cover aller (nationalen & internationalen) Ausgaben identisch aussehen.

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    1. Ach, schau an. Dass es das Originalbild ist, habe ich gesehen und mich schon gefragt, weshalb man das verwendet hat. Danke für die Info!

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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