Samstag, 22. August 2015

Der Räuberbräutigam - Eudora Welty

Titel: Der Räuberbräutigam
Autorin: Eudora Welty
Originaltitel: The Robber Bridegroom
Verlag: Klett-Cotta
ISBN: 978-3608960280
Euro: 14,95
Veröffentlichungsdatum: Juli 2015
Seiten: 155
Kein Serientitel
Come in: Vom Verlag









Klappentext/ Inhalt:
Drei Reisende steigen in einem Gasthaus am Mississippi ab und teilen sich ein Bett. Am nächsten Morgen hält einer von ihnen seine Schlafgenossen für Geister und springt mit einem großen Satz aus dem Fenster. »Den sehen wir nie wieder«, sagt der blonde Jamie Lockhart und überlegt, wie man die Goldstücke des verschwundenen Bettgenossen teilen könnte. Der Tabakpflanzer Clement lädt Jamie daraufhin für den nächsten Sonntagabend in sein Haus ein. Just an diesem Tag wird Clements Tochter, die schöne Rosamond, von einem Räuber mit rußgeschwärztem Gesicht verführt. Ihr Vater beauftragt seinen neuen Freund Jamie damit, die Untat zu rächen ...



Meinung

Eudora Weltys Werk erschien erstmalig 1942 hat aber nichts an Aussagekraft und Schönheit eingebüßt. Die Autorin war stets mit den Südstaaten und deren Bewohnern eng verbunden und hat nun Märchen der Gebrüder Grimm in genau diese hineinversetzt.
Wer nur nach dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm sucht, wird sich viel Lesefreude versagen, denn es sind mannigfaltig Märchen(-themen) in dem gerade einmal 150 Seiten Büchlein enthalten. Nicht zuletzt auch der Räuber mit seinem durch Beerensaft unkenntlich gemachten Gesicht, der seiner (nicht angeheirateten) Frau verbietet, sein wahres Gesicht zu sehen und die dann eine List erdenkt, um es dennoch tun zu können (Hier gibt es in dieser Figur sogar mehrere Motive: Maske, Biest, Räuberhauptmann).
Oder auch Rosamonds Vater, der einst Vater von Zwillingen war, seine erste Frau und seinen Sohn jedoch an die Indianer verloren hat und eine zweite Frau ehelichte. Diese Stiefmutter (eines der bekanntestens Motive in den Märchen) drängt ihn zu immer mehr - sie beginnen in einer kleinen Hütte am Mississippi und arbeiten sich dann in immer größere Häuser hoch und nie scheint es ihr genug. "Zufrieden bin ich erst, wenn wir dieses Haus los sind, das mit seinen Holzdielen kaum besser ist als ein Blockhaus in Kentucky, und wenn wir in einem Herrenhaus wohnen können, das mindestens fünf Etagen hat (...)" (S. 85)
Rosamond trägt ein Amulett ihrer leiblichen Mutter, mit dem sie sich beschützt fühlt und es auch ist. Der kleine Junge Böckchen, der von der Stiefmutter bezahlt wird, um Rosamond zu beschatten, mit seinen sechs älteren Schwestern, die er irgendwie verheiraten muss.
Es ist unheimlich faszinierend zu sehen, wie Welty all diese Märchen - ich könnte gar nicht sagen, wie viele es letztendlich sind - in ihre eigene Südstaatenwelt verfrachtet und dies so anschaulich und echt vollbracht hat, dass das Buch kaum aus der Hand zu legen ist. Dabei bleibt es aber immer Märchen mit entsprechender Sprache und Motivation. Aber in dieser Geschichte gibt es nun den Mississippi und Alligatoren, Dampfschiffe, Tabakplantagen und vieles mehr, das zu einer ganz eigenen Atmosphäre beiträgt, die man bei den Grimms so sicher noch nie gelesen hat.
Auf dem Cover ist eine Empfehlung von Bela B. (Die Ärzte) aufgedruckt, der das Buch als Wahnwitz pur bezeichnet. Auch andere Quellen preisen den Humor an. Eine Sache, der ich nicht folgen konnte, denn weder habe ich das Werk als witzig, noch absurd oder schwarzhumorig erlebt. Es geht zur Sache, wie es in den Originalmärchen auch der Fall gewesen ist, da rollen Köpfe (und andere Körperteile) und Räuber sind generell auch nicht die nettesten Zeitgenossen. Eine Stiefmutter ist im Märchen nun einmal genau das und die holde Maid immer ein wenig ... unbedarft.
Eher noch als eine humorige, würde ich dem Werk eine sozialwissenschaftliche Ader zusprechen und das gar nicht mal so wenig. Dabei geht es nicht nur um das Motiv des sich zugetanen Paares, auch die Gesellschaft an sich bekommt ihren Teil ab (menschliche Beziehungen, Indianer, Sklaven, etc.).
Wer für Märchen (auch mal direkt und ohne Happy End), aber vor allem für eine wunderschöne und märchenhafte, ein wenig altertümlich wirkende Sprache übrig hat, sollte sich das Werk nicht entgehen lassen.



Eudora Welty, geboren 1909 in Jackson, Mississippi, verstorben am 23. Juli 2001 ebenda, gilt als die große Dame der Südstaatenliteratur. Für ihre Romane wurde sie sowohl mit dem National Book Award als auch mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.


8 Kommentare:

  1. Vielen Dank fürs Vorstellen. Hab das Buch ganz schnell auf die Wunschliste verfrachtet :)

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  2. Hallo Soleil,

    das klingt ja wirklich mal vielversprechend, und landet gleich auf meiner Wunschliste :-)

    Viele Grüße
    Sandra

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    1. Schön, Dich mal wieder zu lesen! Noch hab ich es hier, wenn Du es haben möchtest, schreib mir eine Mail ;-)

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  3. Das klingt ja mal nach einem richtig ungewöhnlichen Buch. Ist sofort auf meine Wunschliste gehüpft. :-)
    Vielleicht sollte ich vorher auch mal wieder ein paar Märchen lesen, um es richtig würdigen zu können.

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    1. Es ist auf jeden Fall ein schönes. :)

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  4. Man sollte dazu sagen, dass das Buch ... einen anderen Klang hat. Ich hab' irgendwie erst nach einigen Seiten mitbekommen, wie alt es tatsächlich ist. Da ich mich über den Schreibstil wunderte. Er ist ... ja... er hat halt Klang. *lach* War unterhaltsam, richtig wohl gfühlt in der Lektüre habe ich mich dann, als ich 'Princess Bride' nochmal schnell als Film gesehen hab' - da war der Genuß dieses Buches nochmal umso gewürzter. *zwinker*
    Tolles Buch, in der der Tat.
    Gruß Key

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    1. Eine Leseprobe zuvor anzuschauen schaudet nicht, ja. Letztendlich war es aber auch das, was mich fasziniert hat. :)

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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