Die Autorin Juliette Bensch ("Last minute Liebe") liest und schreibt über queere (Literatur-)Themen.
Gleich vorweg: dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wer aber meint, noch keine oder kaum Romane mit lesbischen Protagonistinnen im Bücherregal zu haben und sich aber für die Thematik interessiert, findet hier sicher die ein oder andere Anregung.
Wie findet man am einfachsten lesbische Romane innerhalb des riesigen Buchmarkts, auf dem jährlich zehntausende Neuerscheinungen pro Jahr hinzukommen? Man sucht gezielt bei Verlagen, die sich auf diese Inhalte und die Zielgruppe spezialisiert haben. Neben den großen Publikumsverlagen, in denen man ebenfalls hier und da Lesbisches finden kann, sind das vorrangig folgende:
Der Orlanda Verlag gründete sich 1974 und beschäftigt sich mit „Themen, die Frauen bewegen“. Es gibt Sachbücher, u.a. zu politischen, kulturellen oder ethnischen Inhalten sowie Sex- und Gesundheitsratgeber. Genau diese Bandbreite spiegelt sich auch im Bereich der Belletristik wider. Am erfolgreichsten war und ist wohl der historische Liebesroman „Patience and Sarah“ von Isabel Miller.
1978 wurde der Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke ins Leben gerufen. Eine Neuheit des Verlages war die Grenzüberschreitung der Künste: Wort und Bild gehen Hand in Hand. Am besten erkennbar ist das wohl an den erotisch-künstlerischen Anthologieserien „Mein heimliches Auge“ (multisexuell, aktuell Ausgabe 26) sowie dessen Nachfolger „Mein lesbisches Auge“ (aktuell Ausgabe 10) und „Mein schwules Auge“ (aktuell Ausgabe 8). Darüber hinaus veröffentlicht der Verlag Werke aus oder über fremde Kulturen (Japan, Kanarische Inseln). Die lesbisch ausgerichteten Titel sind in den Genres Thriller und (erotische) Liebes- oder Unterhaltungsliteratur angesiedelt, wie z.B. die Romane von Regina Nössler.
Den Ulrike Helmer Verlag gibt es seit 1987. Er bietet ein interessantes Profil mit Sach- und Wissenschaftsbüchern zu frauenorientierten Themen (z.B. Gender Studies, Feminismus oder Frauenberufe). Es gibt zudem die „Edition Klassikerinnen“ und im Bereich Belletristik spezialisiert sich der Verlag vorrangig auf die Interessen einer lesbischen Leserschaft. Eines der bekanntesten Werke dieser Reihe ist wohl „Julia und Satine“ von Daniela Schenk.
Seit über 20 Jahren gibt es auch schon die Ariadne Krimis im Argument Verlag. Ihr Anspruch liegt hoch, es geht nicht nur um Morde, nach deren Klärung wieder alle selig und zufrieden sind. Ariadne deckt psychologische Hintergründe auf, setzt sich mit gesellschaftlichen Widersprüchen auseinander. Nebenbei sind die Hauptfiguren mehrheitlich weiblich und nicht selten frauenliebend. Mittlerweile Kult geworden ist Sarah Drehers Stoner-McTavish-Reihe um die gleichnamige Ermittlerin und auch die internationale Größe Val McDermid wurde von Ariadne verlegt.
International geht es bei dem seit 1993 existierenden Verlag Krug u. Schadenberg zu. Die Verlegerinnen haben laut Slogan „Frauen im Sinn“ und kümmern sich mit besonderem Engagement um Übersetzungen aus dem Englischen, Französischen oder Spanischen, verlegen aber auch deutsche Autorinnen. Darunter sind belletristische Titel von Bettina Isabel Rocha, Karin Kallmaker, Manuela Kuck sowie von Shamim Sarif, die ihre Romane („Mitten ins Herz: I Can’t Think Straight“, „Die verborgene Welt“) in der Rolle der Regisseurin zu Verfilmungen geführt hat. Die Sachbuchtitel decken verschiedene Aspekte des lesbischen Lebens ab, privat („Sie liebt Sie“) oder im Beruf („Bringen Sie doch Ihre Freundin mit“).
Seit Kurzem wurden auch die Restbestände und Neuauflagen des geschlossenen Verlags Daphne bei Krug u. Schadenberg aufgenommen. Daphne wurde 1984 gegründet und hat legendäre Werke wie von Radclyffe Hall („Quell der Einsamkeit“) verlegt und großartige Autorinnen wie Sarah Waters („Die Muschelöffnerin“) für den deutschen Markt zugänglich gemacht. Daneben gab es bei Daphne auch die unterhaltsamen Comics von Alison Bechdel (die später mit der Graphic Novel „Fun Home“ über die Grenzen des lesbischen Markts hinaus berühmt wurde).
1995 wurde der Querverlag als erster lesbisch-schwuler Verlag Deutschlands gegründet und richtet seither das Augenmerk auf die Kooperation von Männern und Frauen innerhalb der queeren Gemeinschaft. Es werden sowohl Belletristik als auch Sachbücher verlegt. Maßgeblich zum Profil beigetragen haben zum Beispiel Karen-Susan Fessel (deren „Bilder von ihr“ sich fortwährender Beliebtheit erfreut), Antje Wagner („Der gläserne Traum“, „Schattengesicht“) und Corinna Waffender (die die lesbisch-schwule Krimireihe ‚Quer Criminal’ prägt, u.a. mit „Sterben war gestern“). Die Sachbücher sind wissenschaftlich angehaucht („Gender Theory“), beschäftigen sich mit wichtigen juristischen Grundlagen („Erst Recht“) und sind immer am Puls der Zeit („Regenbogenfamilien“).
1996 wurde die Édition el!es ins Leben gerufen. Autorin und Verlagsgründerin Ruth Gogoll machte sich kurzerhand mit „Taxi nach Paris“ und einem einzigartigen Konzept selbstständig, nachdem ihr Manuskript immer wieder abgelehnt wurde. Sie konnte einfach keine tragischen Geschichten um die lesbische Liebe mehr sehen und besteht seitdem auf das Happy End in jedem ihrer herausgegebenen Bücher – durchweg Liebesromane, ob von Fan Fiction inspiriert, in fantastischen Welten spielend oder im Hier und Jetzt. Außergewöhnlich ist auch, dass Leserinnen ein Abonnement für die monatlich erscheinenden Romane abschließen können. Des Weiteren gibt es seit einigen Jahren den Wettbewerb zum Lesbischen Literaturpreis, bei dem sich Autorinnen dem Urteil der Leserinnen stellen können. Er ist auch ein Trittbrett für Jungautorinnen. Erfolgreiche und etablierte Vielschreiberinnen bei el!es sind u.a. Victoria Pearl, Julia Arden, Julia Schöning und natürlich Ruth Gogoll selbst. Die jüngste Unternehmung ist die Zuwendung zum internationalen Markt durch Übersetzung ins Englische.
Danke für die Zusammenstellung! :)
AntwortenLöschenHah! Ich bin begeistert! Wie kommst Du denn zu diesem Post??? *freu*
AntwortenLöschenJuliette war's! *g*
LöschenSo viele Literaturblogs wir haben, so sehr erstaunt es mich, dass nicht wenigstens hier und da mal Gleichgeschlechtliches besprochen wird. Zwar kenne ich einige Beiträge wo in der phantastischen Literatur gleichgeschlechtliches angesprochen wird und dann natürlich die erotischen Romane. Letztere jedoch sind oft von Frauen (für Frauen) geschrieben, obwohl zwei Männer sich ineinander vergucken und daher denke ich nicht, dass man die ernsthaft dazu zählen kann.
Als SoWi'lerin bin ich außerdem sehr an Gleichberechtigung interessiert. Aber oft bekomme ich das Gefühl, dass unsere Gesellschaft langsam dazu neigt, Homo mit schwul zu übersetzen, aber da fehlt doch noch was? Die Frauen kommen (wie immer) zu kurz. Als Juliette mir schrieb - sie hat eineneigenen Roman geschrieben *Schleichwerbung* - dachte ich: 'Prima, das passt ja.' Denn ehrlich gesagt wüsste ich als Laie und als Heteroliebende auch gar nicht, wo ich denn ansetzen müsste. Umso besser, dass ich das in sehr fähige Händen legen konnte. :)
"queergelesen" unter Portalzauber. Füllt sich hoffentlich bald mit tollen Artikeln. Wenn Du Anregungen hast, immer her damit.
Find ich super, dass Du das machst! Ich entdecke als NEU-Lesbe ja auch gerade die Lesbenliteratur neu und bespreche das eine oder andere in meinem Blog.
LöschenZuletzt fand ich "Scheinfrei" von Petra Brumshagen toll (Querverlag).
http://schmoekerstube.blogspot.com/2012/02/rezension-scheinfrei.html
Außerdem war mir in meiner neuen Situation ein Sachbuch sehr wichtig: "Es fühlt sich endlich richtig an. Erfahrungen mit dem späten Coming Out".
Liebe Grüße und weiter so!
JED
Ha! Längst gesehen ;-) Übrigens ein Buch, das auch schon Juliette aufgefallen ist. Wenn ich mehr Zeit hätte ... aber ich komme momentan nicht zu den Büchern, die ich schon hier habe.
LöschenAber was im speziellen die phantastische Literatur angeht, würde ich mich immer über Tips freuen. Da greife ich dann doch eher hin, das ist mein Steckenpferd. :)
Ich werd an Dich denken. Zuletzt ist mir "Das Geheimnis der Nebelinsel" empfohlen worden - gelesen habe ich es aber noch nicht ;)
LöschenKlingt gut, aber ist leider zu teuer.
LöschenMir fallen ja immer wieder die Darkover-Romane von Marion Zimmer Bradley ein.
Yep, die sind mir auch schon empfohlen worden. :o))
LöschenIch habe die Romane komplett gelesen und immer noch im regal stehen, das will was heißen ;-) Sie sind aber in erster Linie phantastisch (und dann erst) mit eben Homoelementen.
LöschenIch freue mich, dass euch die Zusammenstellung gefällt.
AntwortenLöschenIm letzten 'Queergelesen' fragte Soleil in den Kommentaren, welche queeren Bücher ihr kennt. Da die Ausbeute nicht überragend war, dachte ich, ich helfe ein bisschen nach ;-)
Nur weiter so! Ich finde, wie Soleil schon schreibt, das wirklich eine große Lücke in den Blogs, die ich (selbst lesbisch) auch gerade zu füllen beginne.
LöschenLeider sind nicht alle Bücher dieser Art gleich gut / literarisch "ansprechend".
LG,
JED
@Soleil: Ich hatte übrigens 'Schunkelfieber' besprochen. 'Scheinfrei' kenne ich noch nicht, aber es ist bestimmt ähnlich toll wie 'Schunkelfieber'.
AntwortenLöschenIch weiß, ich habe es mit dem Cover verwechselt. Titel kann ich mir nicht gut merken. Aber Schunkelfieber hat JED noch nicht besprochen, sie liest es gerade. Aber immerhin war ich dicht dran *rot werd*
Löschen@ Juliette
AntwortenLöschenSchunkelfieber ist der Nachfolgeband zu Scheinfrei. Bin gerade auch damit fertig, Rezi folgt.
LG;
JED
In der Auflistung sollten folgende Verlage zusätzlich erscheinen:
AntwortenLöschen1. Daphne-Verlag
(Hier ist DER Klassiker "Quell der Einsamkeit" erschienen)
2. Verlag Frauenoffensive
(z.B. "Mädchen in Uniform")
3. Feministischer Buchverlag (Wiesbaden)
(Trilogie "Der Skorpion" von Anna Weirauch)
Ich empfehle, auch mal die lange verbotenen Klassiker zu lesen, um zu sehen, welche Wandlung Lesbenbücher erfahren haben, so dass es heute auch ein Happy End gibt.
@JED: Ich weiß, dass es der Nachfolger ist ;-) Bin gespannt auf deine Rezi, denn du hast einen anderen Leseeindruck, weil du den Vorgänger kennst (anders als ich).
AntwortenLöschen@JED-Fan: "Quell der Einsamkeit" findest du in der Zusammenstellung. Die Frauenoffensive fehlt allerdings wirklich und den feministischen Buchverlag kenne ich zu meiner Schande (noch) nicht. Gut, dass du mir beim Zusammentragen hilfst. ;-) Der Vorschlag bezüglich der Klassiker findet bei mir Gehör. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.
Ist es nicht toll zu sehen, wie vielfältig die lesbische Buchwelt ist! :-D
@JED:
AntwortenLöschenhttp://juliette-bensch.blogspot.com/2011/11/schunkelfieber.html
Zum P.S.: Wäre doch schlimm, wenn sie KEIN Fan von dir wäre ;-)
Psssst - Es gibt noch den Butze-Verlag und den Debüt-Verlag mit lesbischen Büchern.
AntwortenLöschenUnd ja - keinesfalls darf Daphne fehlen, auch wenn der Verlag nicht mehr existiert, weil Frau Amrain leider verstorben ist. Sie hat viele ausländische Titel einem deutschsprechenden Publikum zugänglich gemacht.
Willkommen im Blog!
LöschenDanke für den Hinweis, das werde ich Juliette weitersagen, dann kann sie das noch mit aufnehmen.
Früher hat der Milena Verlag noch lesbische Bücher gemacht, das tun sie aber leider nicht mehr. Und auch Orlanda macht keine lesbischen Titel mehr. :(
AntwortenLöschenLesbische Literatur rezensiere ich regelmäßig in http://dandelionliteratur.wordpress.com/
AntwortenLöschenViele klassische lesbische Geschichten erkennt man erst, wenn man genauer hinschaut. Ich würde mich über zahlreiche Besuche und Kommentare freuen