Mittwoch, 18. Februar 2009

Liebespaarungen - Lionel Shriver




Zwei Wege - zwei Schicksale und was nun wirklich geschehen ist, weiß niemand. Doch genau das ist ein Ende, das ich mir so gewünscht hätte, auch wenn es nicht ganz so fulminant ausgegangen ist, wie ich es vermutet und ein bisschen auch gehofft habe. Eine Frau, zwei Männer und eine große Entscheidung. Ein entweder-oder ohne die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass das Leben auch ohne Mann lebenswert ist. Aber Irina McGovern ist so nicht erzogen und stammt aus einer Generation, die diesen Gedanken für völlig abwegig halten muss.


Die beiden Männer könnten unterschiedlicher nicht sein. Lawrence, der aufrechte, pünktliche, sparsame Anorak-Man und Ramsey, der wilde, nach Leben hungernde Snooker-Spieler. Eigentlich hätte Lionel Shriver hier von einem Klischee zum nächsten hinken müssen, doch das tut sie nicht. Sie schafft zwei Figuren, die so, wie sie sind, absolut glaubhaft wirken, die neben den Ecken und Kanten genug Liebenswertes besitzen. Natürlich müssen sich die beiden Leben, die Irina nach dieser verhängnisvollen Nacht, in der sie mit Ramsey seinen Geburtstag feiert und ihn schließlich (nicht) küsst, völlig unterscheiden. Aber mir ist nicht klar, warum in der einen Geschichte Lawrence eine lange Zeit braucht, um über seine Irina hinwegzukommen, während er in der anderen Geschichte jahrelang eine Geliebte aushält. Oft wirkte das auf mich, als hätte ich es mit zwei verschiedenen Menschen zu tun. Klar, Shriver will mit diesem Detail die beiden Leben verflechten. Irina bricht aus, weil das Leben mit Lawrence ihr nichts mehr zu bieten hat. Eigentlich ist da nichts, was sie stört, alles ist wie immer, alles ist perfekt. Genauso muss es auch Lawrence gehen, als er die Sicherheit liebende Irina seit fünfzehn Jahren an seiner Seite hat.


Ich muss gestehen, dass ich mit dem Anfang des Romans so meine Schwierigkeiten hatte. Ich begriff erst spät, was es mit der weißen und schwarzen Kapitelzahl auf sich hatte und so war ich stark verwirrt, weil mir der Zusammenhang fehlte. Aber nach dem ersten Drittel las ich "Liebespaarungen" sehr gerne. Natürlich gab es auch Momente, in denen ich etwas grillig die weißen Kapitel verfluchte, da sie zurück zum Anfang gingen, eben das noch einmal erzählten, was ich soeben ja schon gelesen hatte. Nur eben aus der Sicht der anderen Irina. Dennoch komme ich nicht umhin, die Autorin (die eigentlich Margaret Ann heißt, den Namen aber nie mochte) für diesen Clou zu bewundern. Ich wette, sie ist beim schreiben ebenso oft verzweifelt und wollte alles hinschmeißen. Aber wie sie es geschafft hat, die gleiche Situation so völlig anders darzustellen und zu interpretieren hat mich schon tief beeindruckt. Ich glaube im übrigen auch nicht, dass nur eine der beiden Geschichten erzählt, die gleiche Wirkung auf mich als Leser gehabt hätte. Für mich, das muss ich gestehen, ist die interessantere Geschichte die mit Ramsey, aber sie allein hätte mich nicht vom Hocker gerissen. Doch gepaart mit Lawrence und dieser völlig anderen Irina wurde sie einfach noch viel reizvoller und damit lesenswerter.


Sicherheit also gibt es nicht und lieber ein kurzes Lieben, als gar keines. Interpretiere ich die Aussage des Romans richtig? Ich weiß es nicht. Aber das ist ja das Schöne daran: es gibt kein wirkliches Richtig und Falsch. Die "bessere" Variante kann sich der Leser selbst auswählen oder sich eine völlig andere ausdenken. Wie wäre es mit einer, in der sich Irina nicht so völlig mit ihrem Mann identifiziert und sich über ihn beinahe definiert? Natürlich stört es sie, dass sie nur nach ihrem jeweiligen Mann und dessen Beruf gefragt wird, weil sie weiß, dass sie das muss. Aber eigentlich ist es doch aufregend zu sagen: Ja, der ist ein weltberühmter Snookerspieler oder: Ja, der ist ein sehr bekannter Politikwissenschaftler. Ich? Ich illustriere Kinderbücher ... klar, dass den meisten Gesprächspartnern da nichts weiter zu einfällt. Wie weltbewegend soll denn das sein? Und Geld bringt es wahrscheinlich auch keines. Doch die beiden Kinderbücher in den zwei Leben zeigen deutlich, wie sehr sie sich selbst an den jeweiligen Mann verloren hat. Liebe? Ja. Aber doch mehr Sex. Armer Ramsey, irgendwann ist er weder ein guter Liebhaber, noch ein (guter) Snookerspieler. Was bleibt von ihm?
Also alles zurück zum Anfang?


Mir hat das Buch wirklich gut gefallen; eine Geschichte, die genau so und nicht anders erzählt werden sollte. Ja, es gibt die langgezogenen Passagen und ja, es liest sich mitunter stockend und langweilig, wenn sich endlos Kapitel für Kapitel wiederholt. Doch im letzten Drittel des Buches entschärft sich das Ganze und Seite um Seite, Geschehen um Geschehen fliegt am Leser vorbei. Die Idee ist wirklich hervorragend. Eine Frau, zwei Männer gibt es zwar schon so lange, wie es menschliche (Liebes-) Bande gibt, aber auf diese Weise, möchte ich behaupten, ist es mir noch nicht erzählt worden. Wirklich großes Können, Frau Shriver, alle Achtung.


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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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