Ein Jahr ist vergangen, seit Schauspielerin Grace Turner sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Als ihr Peiniger einen Preis für sein Lebenswerk erhalten soll, ist es Zeit für Grace zurückzukehren. Nur wie geht das? Und wer ist sie eigentlich?
Titel: Das Comeback
Autorin: Ella Berman
Originaltitel: The Comeback
Verlag: pola
ISBN: 978-3759600097
Euro: 24,00
Veröffentlichungsdatum: September 2024
Seiten: 448
Serie: nein
Come in: vorablesen
Inhalt
Ein Jahr ist vergangen, seit Schauspielerin Grace
Turner sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat – just, als sie einen
Golden Globe hätte gewinnen können. Nun sitzt Grace Hyde im Haus ihrer Eltern
in Anaheim und beginnt, über ihr Leben zu reflektieren. Entdeckt mit dreizehn,
acht Jahre lang an den Regisseur Able Yorke gebunden, der sie zu seiner
Kunstfigur gemacht hat – und missbraucht (in jeder Hinsicht). Als er einen
Preis für sein Lebenswerk erhalten soll, ist es Zeit für Grace zurückzukehren.
Nur wie geht das? Und wer ist sie eigentlich?
Meinung
Gegen Ende der Geschichte hatte ich den Verdacht, dass die Autorin das Leben von Kinderstar Amanda Bynes als Vorlage benutzt hat. Sie schreibt im Anhang, dass sie ihren Roman im Februar 2017 begann und stets fasziniert von der Mee-too-Bewegung gewesen sei. Ich empfinde dennoch ein Geschmäckle, wenn ich daran denke, denn im Prinzip ist es doch genau das, was sie im Roman der Presse vors Gesicht halten möchte.
Am Anfang haben wir Grace Hyde, wie sie mit echtem Namen heißt, die im Haus ihrer Eltern lebt und das bereits seit knapp einem Jahr. Ihre Mutter kämpft offenbar mit ihren eigenen Dämonen, denn sie hat als früheres Model eine Essstörung entwickelt. Dann geschehen zwei Dinge: Able soll einen Preis erhalten und Graces jüngere Schwester Esme ist suspendiert worden, weil sie ein Nacktbild verschickt hat. Beides löst etwas in Grace aus, zudem macht ihre Mutter klare Andeutungen, dass es so nicht weitergehen kann. Sie nimmt also Kontakt zu ihrer ehemaligen besten Freundin – oder ist es doch nur jemand, den sie bezahlt? Sie wird das nie richtig wissen – auf. Und sie steht unerwartet vor der Tür ihres Noch-Ehemannes Dylan, der inzwischen in einer neuen Beziehung lebt. Aber nach einem Jahr da ansetzen, wo alles in die Brüche gegangen ist? Wie soll das gehen?
Zunächst kauft sie ein Haus am Strand … genau neben Ables Haus. Nur hat sie nie Dinge selbst erledigt, sie weiß nicht, wie man Essen kocht, wie man Wäsche wäscht oder andere alltägliche Sachen erledigt. Sie hat sich nicht gesund ernährt und zugenommen, sie kann nur Essen bestellen. Sie war seit einem Jahr nicht beim Friseur, lässt sich gehen … und fährt zum Drugstore, um ein Fernglas zu kaufen. Natürlich ist sofort jemand von der Presse da. Das zieht sich durch den gesamten Roman, dass sie sogar angelogen und reingelegt wird, nur um das beste Foto zu erhalten. Alles, was sie tut, steht am nächsten Tag auf den großen Seiten im Internet. Und das kostet sie Ansehen und Jobs, gefährdet also ihre gesamte Existenz. Es dauert nicht lange, da muss sie einsehen, dass sie nicht länger Grace Hyde sein kann. Doch sie wurde mit dreizehn gecastet und ist danach von England nach Amerika gezogen, wo ihre Eltern sie praktisch allein gelassen haben. Da war nur Able und der hat sich alles von ihr genommen. Leute, die doch mal dazwischen gehen wollten, verloren umgehend ihren Job. Grace wurde beim Filmdreh stets an ihre Grenzen gebracht, ohne Rücksicht auf ihr Alter oder ihre Gefühle. Muckte sie auf, hieß es, sie habe psychische Probleme.
Grace versucht, in ihrem neuen Leben anzukommen, aber sie kann nicht loslassen. Und dann ist es ausgerechnet Ables Frau Emilia, die einst versprochen hatte, auf die kleine Grace aufzupassen, die zu ihr kommt. Sie zeigt ihr wie man Rührei macht und bringt sie dazu, wieder mehr zu der zu werden, die sie einst gewesen ist. Nur wieso? Grace hofft, dass sie ihr eine Freundin sein will. Es ist so deutlich, dass Grace keinen Halt im Leben hat, ihre Eltern wollen nichts wissen, ihre Schwester ist zu jung, keine echten Freunde – Grace ist vollkommen allein und isoliert. Das hat Berman fantastisch verstanden rüberzubringen. Überhaupt wirkt alles lebensecht, das Buch ist kaum aus der Hand zu legen. Esme errät trotzdem eine Menge und versucht einen Plan zu schmieden, nur eben aus ihrer sehr jungen Sicht, die noch zu wenig vom Leben gesehen hat. Ihre Transfreundin hat sich mir nicht erklärt, sie tut nichts und hat mit der Handlung keine Überschneidungen.
Alle Charaktere sind hervorragend ausgearbeitet worden und könnten so im realen Leben existieren. Die Handlung ist sehr ausgewogen und schlägt nie in eine Richtung aus, so dass das Geschehen gleichmäßig vorbeifließt und nie langweilig wird.
Erst im letzten Drittel deutet sich an, dass die Autorin zunächst unentschlossen war, wohin es gehen sollte. Das ist auch schwierig zu entscheiden, aber Berman hat sich für ein Happy End für Grace entschieden. Überhaupt war es unglaublich, was Grace geleistet hat. Sie hat sehr hart an sich gearbeitet, wenn ihr innerer Antrieb gern mehr hätte ausgearbeitet werden dürfen. Erst gegen Ende kamen ein paar Überlegungen, dass sie, sollte sie alles offenbaren, immer nur „Ables Opfer“ wäre und sich das nicht antun möchte. Sie ist sehr zielstrebig und geht ihr Leben an, wohlgemerkt ohne professionelle Hilfe. Das ist leider nicht sehr realistisch. Und auch, wenn ihr großer Mut und ihre innere Stärke am Ende bewundernswert sind, wirken sie vielleicht doch ein bisschen zu sehr wie ein Schlag ins Gesicht all der Kinderstars, die vermutlich Gleiches durchgemacht haben und eben nicht dieselbe Stärke entwickeln konnten – und sie hatten professionelle Hilfe. Was genau hat Grace anders gemacht? Woher kam das alles? Von ihrer Familie nicht, auch nicht in dem einen Jahr. Und warum muss sie auch wieder zur Schauspielerin werden? Sie nimmt ja wirklich alles in die eigenen Hände, selbst der Presse steckt sie, wann sie wo sein wird. Alles wird inszeniert. Aber die ehemaligen Stars dürfen zu Privatpersonen werden, sie dürfen andere Dinge machen, sie dürfen zunehmen und sie dürfen wenig gestylt aus dem Haus gehen. Ich weiß nicht … das Ende und ich passen nicht zusammen. Denn obwohl es bereits diesen Zuckerhut gibt, streut die Autorin dann noch mehr Zucker obendrauf, ein noch besseres Happy End. Das war leider ein wenig zu viel.
Ob „Das Comeback“ ein Roman ist, der aufrüttelt oder auf Zustände aufmerksam macht, kann ich nicht beurteilen. Es ist inzwischen sehr viel generell dazu gesagt worden. Wichtig wäre, dass und was sich verändert hat. Nichtsdestotrotz handelt es sich um eine sehr lesenswerte, eindringliche Geschichte, die bestens recherchiert und angelegt und sehr emotional erzählt wurde.
Ella Berman wuchs in London und Los Angeles auf und arbeitete bei Sony Music, bevor sie das Modelabel London Loves LA gründete. Sie lebt mit ihrem Ehemann James und ihrem Hund Rocky in London. Das Comeback ist ihr erster Roman.
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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!
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