Portalzauber

Dienstag, 11. Dezember 2018

Mulans Töchter - Bettine Vriesekoop


Titel: Mulans Töchter
Autorin: Bettine Vriesekoop
Originaltitel: Dochters van Mulan
Verlag: Pirmoni
ISBN: 978-3981746051
Euro: 16,90
Veröffentlichungsdatum: Oktober 2018
Seiten: 244
Kein Serientitel
Come in: vorablesen










Meinung
Die niederländische Sinologin Bettine Vriesekoop hat ein sehr wichtiges Buch über Frauen und ihre Stellung im heutigen (Original 2015) China geschrieben, das weit mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Dabei macht es allerdings Sinn, bereits ein klein wenig Vorwissen mitzubringen, um gänzlich in die Thematik einsteigen zu können.
Die Autorin hat China weit bereist, eine Menge Leute getroffen, mit denen sie interessante Interviews führte und ihre ganz eigenen Beobachtungen gemacht. Dabei hat sie die – sehr wechselhafte – Geschichte des Landes geschickt und treffend mit den Lebensbedingungen der Frauen verknüpft, wie es auch bereits der Titel vermuten lässt. Faszinierend wie irritierend dabei besonders, welchen großen Einfluss die Politik auf das intimste Leben eines Menschen besitzen kann. Zu erwähnen dabei die „Lotusfüßchen“, also die gebunden Füße der Frauen, die Art wie und in welcher Menge sie ihre Partner wählten, wie sie sich kleideten, wie viele Kinder sie zur Welt bringen durften. All das abzustreifen – Vorstellungen von Mutter und Großmutter in etwa – gelingt den modernen Frauen nur schwerlich. Noch immer sind große Erwartungen an sie geknüpft, die sich oft nicht mit den eigenen verbinden lassen. Zudem gilt eine Frau mit fünfundzwanzig als nicht mehr an den Mann zu bringen und da sie zudem dank der Ein-Kind-Politik keinen reichen Nachwuchs erwarten kann, lastet ein enormer Druck auf ihr (was ist der „richtige“ Partner?). Sexualität, schon früher nicht einfach zu händeln, sind in politischen Systemen wie dem in China zudem extrem gefährlich (übrigens nicht nur hetero).
Vriesekoop hat sich dazu einige der bekanntesten Frauen des Landes an die Seite geholt, die ihr tiefe Einblicke in das alltägliche Leben gewähren.
Kurz wird auch die männliche Seite beleuchtet, an die ebenfalls gewisse Erwartungen geknüpft sind. Da Männer noch immer als höher gestellt gelten, müssen viele weibliche Föten dank moderner Technik auf ihr Leben verzichten, was zu einem deutlichen Männerüberschuss geführt hat. Was subjektiv nach dem Lesen des Buches beurteilt nicht unbedingt dazu geführt hat, dass sich an ihrer Denkweise irgendetwas verändert hätte. Das ist übrigens das Einzige, was ich ein wenig bedauere: Wir sprechen ständig nur über die Frauen, aber äußere Veränderungen (Politik z.B.) verändern uns alle und nicht nur einen Teil. Es erfolgen auch in „Mulans Töchter“ stetige Anspielungen auf die Männer in China, besonders jene, die auf dem Land leben. Um aber die Veränderungen komplett verstehen zu können, müssen beide Seiten der Medaille beleuchtet werden, was aber vermutlich zu einem weiteren Werk wie diesem geführt hätte. Zu wünschen wäre es.
Am Ende des sehr vergnüglich zu lesenden erzählenden Sachbuches scheint es, als würden die Chinesinnen in eine neue Zeit schliddern, ohne einmal zu sich selbst finden zu dürfen. Es sind nun die westlichen Werte und Vorstellungen, denen sie sich, man möchte fast sagen, unterwerfen müssen, obwohl diese nur mäßig zu allem Bisherigem passen. Persönlich sehe ich es ebenfalls kritisch, all diese Werte überall in der Welt als Standard anpassen zu wollen; es gibt nie nur eine einzige gültige allumfassende Wahrheit und mit Doktrination macht man oft mehr kaputt, als es gut ist. Zumal es in den meisten Fällen auf ein Wort heruntergebrochen nur eines ist: Konsum.
Am Ende nun gibt es keine Auswertung, keinen Ausblick auf Kommendes, das wollen die Chinesinnen übrigens selbst nicht. Sie akzeptieren, dass ihr Land groß und weit, bunt und vielfältig ist und damit keine schlüssigen Thesen zur Zukunft zulässt. Einzig die Statistiken sprechen ihre eigene Sprache in etwa in Sachen Demografie.
„Mulans Töchter“ nun ist vor allem den Lesern empfohlen, die am Thema dran sind. China und seine Geschichte, Frauen und Emanzipation stehen weit im Vordergrund. Es wird alles direkt gesagt und natürlich spielt auch die Sexualität eine große Rolle. Ein wenig Vorwissen und ein Minimum Begeisterung zu eher wissenschaftlichen Schriften sollten vorhanden sein. Dann wird dieses Buch schnell und sehr interessiert weggelesen sein.
Ich möchte es dringend empfehlen.


Bettine Vriesekoop (geb. 1961) war eine international sehr erfolgreiche Tischtennisspielerin. In den Jahren 1982 und 1992 wurde sie Europameisterin. Mehrfach stand sie in der Weltrangliste unter den ersten zehn. Nach ihrer aktiven Zeit entschloss sie sich, inspiriert durch die vielen persönlichen Begegnungen mit China, ein Sinologiestudium zu absolvieren. Seitdem arbeitete sie als Auslandskorrespondentin für NRC Handelsblad und niederländische TV- und Rundfunkstationen in Peking. Gleichzeitig war sie auch als Autorin tätig und veröffentlichte zahlreiche Bücher über ihre Begegnungen mit China, darunter Longing for Peking (1996) und A Thousand Days in China (2011).

4 Kommentare:

  1. Wǎn shàng hǎo, Daniela.
    Ein wesentliches Problem der Chinesinnen - wie aller anderen Chinesen auch - dürften die modernen Gleichschaltungsmechanismen der Parteidiktatur sein. Überwachung & der Drill zum Staatskonformismus - Orwell grüsst.
    Natürlich hat der aktuelle selbsternannte Alleinherrscher auf Lebenszeit (früher Kaiser genannt) kein Interesse an hinterfragenden Frauen.
    Un der verehrte Konfuzius hatte Weisheit/Wahrheit nun nicht für sich gepachtet. Denke ich.

    "Absolute Macht ziert nicht - sie höhlt nur aus."
    (Myrelle Minotier)

    bonté

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    1. So ist es. Ein wenig weicht das allerdings auf, erstmals kleiden sich die Frauen bunt und weiblich, schminken sich ... was nicht immer und überall gern gesehen wird.
      Der Rest ist, wie bei uns, Entwicklung, nur eben aus anderen Ursprüngen. Muss per se nichts Schlechtes sein. :)

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    2. ...da Du es erwähnst - eine anmerkenswerte Parallele der Frauen zwischen China & Iran.

      Selbstbewußte Entwicklung läuft in Regimen leider oft Gefahr unter rollende Panzerketten zu kommen. :-(

      bonté

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    3. Ja, leider. Aber positiv zu bewerten ist, dass es immer wieder Selbstbewusstsein gibt. Man muss ja nicht alles einfach mit sich machen lassen.

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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