Als bei einer Freundin familiär jemand kurzfristig absprang, bekam ich
die Gelegenheit, mir die wahnsinnig gut vermarktete Show "The Wyld" im
Friedrichstadtpalast hier in Berlin anzuschauen. Als Fazit muss ich
jedoch leider gestehen, dass ich enttäuscht gewesen wäre, hätte ich für
die (nicht gerade preiswerte) Karte bezahlen müssen.
Die Fotos sind, wie von den Darstellern gestattet, am Ende mit einem Handy gemacht worden.
"The Wyld" ist sicher vieles: bunt, laut, eigen, sportlich - aber leider auch völlig sinnfrei.
Zunächst
begann die Show mit einer Darstellung einer Ballettstunde, die sich
schier endlos hinzog, ohne dass etwas geschah. Maestro rief: Jetzt eine
Piruette! Alle taten es. Maestro rief: Jetzt auf die Zehenspitzen. Alle
taten es. Eine Tänzerin wurde gerügt, weil sie sich verspätet hatte -
und ich dachte: Also, wenn jetzt nicht gleich ein Bär aus der Tür kommt
und zumindest einen von Euch auffrisst ... Es war dann allerdings kein
Bär, sondern eine blau-glitzer gekleidete Schwanensee-Tänzerin, die den
Raum betrat, sie drehte sich hin und her und das einzige, was mir im
Gedächtnis blieb, war das Kostüm.
Plötzlich kamen Biker auf die
Bühne, von denen einer immer mal wieder auftrat, ein bisschen vorn auf
dem Rad hüpfte, ein bisschen hinten - und sich offenbar in eine blonde
Dame in Hotpants verliebte. Die stand auf einer Halbkugel, die ich in
der Show für eine Art anderen Planeten hielt. In der Nachrecherche
stellte sich jedoch heraus, dass dies der Fernsehturm sein sollte.
Halbkugel fährt weg und lauter bunte Gestalten rennen auf die Bühne, die ein bisschen an achtziger Jahre Filme erinnern.
Plötzlich
Szenenwechsel und eine rotgewandete Dame mit goldenem Kopfputz betrat
die Bühne, große Holzfässer fuhren aus dem Boden und große und kleine
Pudel flitzten herein. Sie sprangen durch einen Reifen. Liefen auf einem
Fass.
Dann wieder Tänzer - die nichts taten als würdevoll und elegant über die Bühne zu schreiten. Artisten.
Eines
war wirklich auffällig: Die Darsteller waren ausgesprochen dünn. Das
kenne ich so aus anderen Shows nicht. Und: Die Kostüme! Auf den Fotos,
die ja am Ende entstanden sind, sind die Tänzer mehr oder weniger
bekleidet, was in der Show selten der Fall war. So viel nackte Haut hat
man selten gesehen.
Das Niveau der Show litt aber nicht nur
darunter. Schon am Beginn in der Ballettstunde ist mir das Herz in die
Hose gerutscht, weil ich böse Vorahnungen hatte. Eines von drei Paaren
verfing sich innerhalb der Show an etwas Imaginerem und im Versuch sich
zu lösen, sah es so aus, als "nehme er sie richtig ran".
Das
wiederholte sich auch später so einige Male und vielleicht bin ich da
etwas eigen, aber ich denke nicht, dass so etwas in eine solche Show
gehört.
Die Pause erlöste uns. Meine Begleitung(en) war auch
nicht so ganz überzeugt. Irgendwie war es bisher nichts Halbes und
nichts Ganzes. Ein bisschen Kindershow und Zirkus, nur dass die
pornografischen Kostüme eher weniger für junge Zuschauer geeignet sind.
Eine Miniflasche Wasser kostet immerhin drei Euronen und mir ging durch
den Kopf: Wenn ich dieses Lied jetzt noch einmal hören muss, stehe ich
auf und gehe. Ich hörte es sogar nochmehrmals - blieb aber wo ich war.
Übrigens:
Liebe Mitbesucher. Es gibt dort auch Karten für Schwerbeschädigte, die
mit Begleitung die Veranstaltung besuchen. Zum Beispiel wenn das Sehen
stark eingeschränkt ist. Dann flüstert die Begleitung immer mal einen
Hinweis, wo nun etwas zu sehen ist (es gibt ja Minifernrohre und Co.),
da auch mal eine Sängerin oben an der Decke klebt und die Darsteller
sich aus unterschiedlichen Richtungen nähern. Sie sprechen nicht
darüber, wen sie kürzlich getroffen haben oder tauschen ein Rezept aus.
Also ist ein: Können Sie nicht endlich mal die Klappe halten? furchtbar
unangebracht. Ein Flüstern bei dieser lauten Livemusik zu hören ist
ohnedies ein Kunststück für sich. Und ganz ehrlich: Ham Se Angst det
Lied zu verpassen? Det hör'n wa sicher noch drei Mal!
"Into the Wyld" war live und wirklich gut gesungen. Aber fünfmal in einer Stunde ist leider doch zu viel.
Die
zweite Hälfte war dann tatsächlich besser, aber auch hier: kein Inhalt,
kein Sinn. Die Kleopatra war so eine kleine zierliche Person, dass sie
keinen Eindruck hinterlassen hat, ihr Kostüm war mitunter größer als sie
selbst. Sie tanzte ein paar Male und saß dann im Hintergrund, während
sie anderen dabei zusah, was die so trieben.
Das Berlingefühl, das
kreiert werden sollte, ging für mich völlig nach hinten los. Da tanzte
eine Punkerin um ihren Stuhl (Punks in Berlin? Ist das nicht ein
bisschen sehr altbacken?), eine Diva um einen eigenen, eine Orientalin
rauchte Wasserpfeife, ein Luxusgirl tauchte mit Taschen (KaDeWe) auf.
Alle versicherten immer mal wieder sie seien Berlin. Und ich langweilte
mich mit der Frage, welche davon mich als geborene Berlinerin wohl
repräsentieren sollte. Und ob's hier keine Männer gibt.
Eine
lange Frauenreihe machte mehrmals einen auf "Deutsches Fernsehballett" -
rechtes Bein hoch, linkes Bein hoch - und lächelte.
Es kamen
Gestelle von oben heruntergeschwebt, ein Stern, ein Y-psilon, ein Kreis
und darin saß je eine Darstellerin, die elegant wirkte. Nach wenigen
Sekunden fuhren diese Gestelle auch schon wieder nach oben. Die
Zuschauer applaudierten lautstark, wovon ich so irritiert war, dass ich
es selbst vergaß. Es gab sicherlich Elemente, die waren Applaus wert,
aber stets und ständig? Ich denke, da war ein Vorklatscher, denn es fing
hinter mir immer mal einer alleine an.
Das einzige, das wirklich
gelungen war, war ein Artistenpaar, das den Biker und die Hotpants
repräsentierten und die weit über der Bühne Drehungen und Würfe zeigten.
Später
waren die Hofdamen von Kleopatra nett anzusehen in ihren goldenen
Kostümen und den langen künstlichen Goldnägeln. Es machte Blingbling und
das sieht schon echt schön aus. Noch viel später nochmal alles in
Silber.
Was positiv heraussticht ist das Bühnenbild. Die Bühne an
sich ist nicht gerade groß, aber es gelang dem Team, Größe und Weite zu
suggerieren. Außerdem war es schon imposant, als in der Mitte eine
mehrstöckige Hebebühne aus dem Boden fuhr und zwei Lavalampenartige
Gebilde mit Wasser gefüllt an den Seiten standen, in denen je eine junge
Dame herumschwamm. Drumherum waren Tänzer positioniert.
Die Musik
war gut, wenn leider ein wenig zu laut. "Into the Wyld" habe ich an
diesem einen Abend zu oft gehört (viel Text musste sich die Sängerin
also nicht merken), dazu zwei deutsche Lieder und "Kleckerkram". Die
Darsteller waren hochmotiviert, haben ihr Bestes gegeben!
Aber der Funke ist einfach nicht übergesprungen.
Wer
bunte Bilder, laute Musik und viel nackte Haut mag - übrigens halten
sich männliche und weibliche Darsteller die Waage und sind alle nur
leicht bedeckt - und außerdem als Alternative nur Couch und TV zur
Aussicht stehen, dann schaut es Euch an. Wer Besseres zu tun hat, kann
sich das Geld getrost sparen.
Bilder wurden aus rechtlichen Gründen entfernt.
Bilder wurden aus rechtlichen Gründen entfernt.
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