Montag, 9. Juli 2012

(Autorenplausch) Ruth Nestvold: Flamme und Harfe


Titel: Flamme und Harfe
Autor: Ruth Nestvold
Originaltitel: Flame and Harp/Yseult
704 Seiten, ISBN: 3764530170
Euro: 8,99
http://www.ruthnestvold.com/










Ruth Nestvold: Quellen und Recherche für einen Fantasy-Roman

Mein Roman Flamme und Harfe basiert bekanntlich auf einem Erzählstoff, der Jahrhunderte zurückreicht und bereits Hunderte von Variationen in Dutzenden verschiedenen Sprachen hervorgebracht hat. Nachdem ich mich entschieden hatte, meine eigene Fassung der Legende von Tristan und Isolde zu schreiben, war für mich eine der ersten Fragen, welche der zahlreichen literarischen Quellen ich als Basis für die Handlung meines Roman heranziehen würde. Dabei habe ich mir verschiedene Ziele gesetzt:

- Zu meinen Lieblingsbüchern der zeitgenössischen Artusliteratur gehört Rosemary Sutcliffs Sword at Sunset (keine deutsche Übersetzung). Sutcliff weicht von der ritterlichen Version der Legenden ab und bettet ihre Version des Werdegangs von Artus in eine eher historische Kulisse ein, Britannien nach dem Abzug der römischen Armee im 5. und 6. Jahrhundert. Ich wollte etwas ähnliches für die Geschichte von Tristan und Isolde leisten.

- Ich wollte die Liebesbeziehung von Tristan und Isolde psychologisch begründen und nicht auf einen Liebestrank reduzieren.

- Die historischen Quellen, die die Existenz einiger Figuren aus den Legenden belegen, wollte ich auf jeden Fall berücksichtigen. Dazu gehört z.B. der "Tristan Stone", der ganz am Ende des Romans zitiert wird, und der dazu geführt hat, dass in meinem Roman Drystan der Sohn von Marcus Cunomorus ist und nicht sein Neffe, wie in den meisten literarischen Quellen.

- Ich wollte mit der Vorgeschichte der weiblichen Hauptfigur beginnen, statt der männlichen. Da es in den Artuslegenden keine Quellen zu Isoldes Werdegang gibt, habe ich auf altirische Legenden zurückgegriffen und versucht, Yseult in diesen Personenkreis einzubetten.

- Da ich erst durch die Lektüre von Gottfried von Straßburg beim Studium in Stuttgart eine Vorliebe für Tristan und Isolde entdeckt habe, sollte Gottfrieds Tristan grundsätzlich meine erste Quelle sein, solange es mit meinen anderen Zielen vereinbar war.

Neben den mittelalterlichen Quellen, wie Gottfrieds Tristan, Thomas Malorys Le Morte d'Arthur und dem anonymen Sir Tristrem, habe ich die vielen Artus-Erzählungen in der walisischen Literatur, z.B den Mabinogion herangezogen. Ich habe auch Inspiration für Handlungsdetails in verschiedenen Heiligengeschichten gefunden, die die Figuren in meinem Roman erwähnen, vor allem Artus und Marcus. Da ich auf die bekannten Nebenfiguren der französischen Artus-Tradition wie Lancelot verzichten wollte, habe ich mich für die Figuren um Artus vor allem bei der walisischen Tradition bedient. Ich habe dann auch überwiegend walisische und römische Namensformen gewählt, statt der französischen, die sich nach Chretien de Troyes durchgesetzt haben.

Da es so viele unterschiedliche Versionen der legendären Liebenden Tristan und Isolde gibt, hatte ich eine große Auswahl an Möglichkeiten, ohne zu stark von der ursprünglichen Handlung abzuweichen. Meine größte Abweichung von den Quellen ist wohl, dass ich Yseult ein Kind gegeben habe. Ich habe mich dazu entschieden, weil ich eben die Liebesgeschichte psychologisch verständlich machen wollte. So wie ich Yseult entworfen habe, wäre sie niemals bei Marcus geblieben, nachdem ihre Mutter außer Gefahr war. Es musste also einen anderen Grund geben, und da erschien mir ein Kind am überzeugendsten. Die Inspiration für Kustennin kommt übrigens auch aus Quellen, die ich herangezogen habe, allerdings historischen. Einer der wenigen zeitgenössichen Texte, die Jeremiade von St. Gildas "Der Untergang Britanniens" vermutlich aus dem 6. Jahrhundert, erwähnt als König von Dumnonia einen Constantine, dessen Mutter Gildas als unreine Löwin bezeichnet. Ich habe draufhin Yseult mit dieser nicht näher benannten historischen Figur zusammengelegt.

In der nächsten Phase der Recherche waren für mich vor allem historische Quellen, sowohl primär als auch sekundär, von Bedeutung. Für Yseults Vorgeschichte in Irland musste ich ohnehin auf Sekundärliteratur zurückgreifen, da es diese in den literarischen Quellen nicht gibt. Hierzu war vor allem F. J. Byrnes Irish Kings and High Kings eine große Inspiration. Er versucht, aus altirischen Legenden und Königslisten mit Hilfe archäologischer Erkenntnisse eine Geschichte des vorchristlichen Irlands zusammenzustellen, was ihm erstaunlich überzeugend gelingt.

In dieser Phase des Schreibens war vor allem wichtig, meine Ideen zur Handlung mit dem historischen Hintergrund in Einklang zu bringen, und Details des alltäglichen Lebens zu der Zeit nach dem Untergang Roms in Erfahrung zu bringen. Ich habe inzwischen meterweise Bücher zum alten Irland, den Kelten, dem römischen und post-römischen Britannien, zu Artuslegenden, Abhandlungen zur Historizität von Artus, usw. gesammelt. Das Buch, das meine Darstellung von Britannien nach dem Abzug der Römer wahrscheinlich am meisten beeinflusst hat, war Christopher A. Snyder, An Age of Tyrants: Britain and Britons A.D. 400-600.

Eindeutige und absolut zuverlässige Quellen für diese Zeit, die im Englischen die "Dark Ages" genannt werden, gibt es allerdings nicht, sondern eher widersprüchliche Interpretationen der spärlichen historischen Quellen und der archäologischen Erkenntnisse, aber das kann für eine Schriftstellerin sogar befreiend sein. Ich durfte meine eigene Version der historischen Ereignisse in Britannien im 5. Jahrhundert zusammenstellen und sie mit den Artuslegenden und der tragischen Liebesgeschichte von Tristan und Isolde nach eigenem Gutdünken verweben.


Wem "Flamme und Harfe" gefallen hat und der englischen Sprache mächtig ist, sollte sich unbedingt die Fortsetzung "Shadow of Stone" ansehen.

8 Kommentare:

  1. Anonym9.7.12

    Ein schöner und informativer Beitrag, der mich dazu verleitet, mir das Buch nun doch ENDLICH mal zu besorgen. Und huch? Eine Fortsetzung? Das macht doch erst recht neugierig, weil die Hoffnung auf ein winziges und doch unmöglich erscheinendes Happy End besteht. Ich Spoiler mich dann mal lieber nicht vorab. :)

    Liebe Grüße
    Reni

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    1. Es gibt sogarmehr als eine, wenn ich nicht irre. Obiges Buch ist ebenfalls im Original und als E-Book zu haben. Neulich sogar ganz kostenlos :)

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  2. Ja, das mit der Fortsetzung habe ich irgendwo auch schon aufgeschnappt (vielleicht sogar bei dir?). Das Buch habe ich auch seit neuestem im Besitz - ein wunderschönes Cover und der Inhalt klingt ebenfalls sehr vielversprechend. Nach diesem Beitrag sollte ich es doch demnächst mal anfangen zu lesen.

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    1. Bestimmt bei mir ;-)
      Werde mich anschließen. Ich habe es schon eine Weile daheim, aber mich nie getraut anzufangen, weil ich dachte, ich könne das Ende nicht überleben ... also so emotional :) Wobei ich ja auch für traurige Märchen etwas übrig habe und überhaupt manchmal Geschichten ohne Happy End brauche.

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  3. Danke für den Autorenplausch. Um „Shadow of Stone“ schleiche ich jetzt auch schon ein paar Wochen rum, habe mich bisher noch nicht entschieden … Wirst du es lesen?

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    1. Ich habe leider Teil 1 noch nicht gelesen. Ich habe es schon eine ganze Weile daheim, aber irgendwie nie angefangen. Aber als ich ganz zufällig Ruth virtuell über den Weg gelaufen bin, war ich natürlich sofort angestachelt und es liegt jetzt in Reichweite. :) Na ja und wenn schon denn schon. Die Fortsetzung muss dann auch sein, logo!

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  4. Lass mich wissen wie es dir gefällt!

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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